J.J. Coulton: The Balboura Survey and Settlement in Highland Southwest Anatolia. Band 1: Balboura and the History of Highland Settlement. Band 2: The Balboura Survey: Detailed Studies and Catalogues (= British Institute at Ankara. Monograph; 43), Ankara: British Institute at Ankara 2012, 2 Bde., XXXVIII + 741 S., ISBN 978-1-8982-4922-1, GBP 80,00
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Von 1985 bis 1994 sind die im südwestkleinasiatischen Hochland gelegene antike Stadt Balbura und Teile ihres Territoriums unter der Leitung von J. J. Coulton im Rahmen eines Surveys untersucht worden. Bei Balbura handelt es sich um eine pisidische Gründung der hellenistischen Zeit in der vormals lydisch geprägten Kabalis, und gemeinsam mit Kibyra, Oinoanda und Bubon bildete es bald schon eine Tetrapolis, die unter der Führung der zuerst genannten Stadt stand. Die Ergebnisse der Untersuchungen in der Balburike hat Coulton jetzt gemeinsam mit Mitarbeitern in zwei umfangreichen Bänden vorgelegt.
Im einführenden Kapitel folgen auf eine kurze Lagebeschreibung die Nennung der Gründe für die Auswahl der Balburike als Forschungsgebiet und für die Gliederung der Untersuchungsergebnisse innerhalb der beiden Bände. Ferner umreißt Coulton kurz die methodischen Grundlagen des Surveys, die er später in Kapitel 19 noch ausführlich bespricht, um dann die antike Quellenlage und die Forschungsgeschichte bis hin zu aktuellen Nachbarprojekten zu skizzieren. Zum Stellenwert des Balbura-Surveys innerhalb der Forschung mag der Hinweis dienen, dass er in Kleinasien zur Zeit seiner Durchführung lediglich durch den Kyaneai-Survey von F. Kolb an Intensivität übertroffen worden ist.
Der erste Band ist der Geschichte und Siedlungsentwicklung Balburas sowie seines Hinterlandes gewidmet. Nach einem Kapitel zu den naturräumlichen Gegebenheiten und zur Ausdehnung des Territoriums, das auch das Wegenetz, das landwirtschaftliche Potenzial und, damit verknüpft, die mögliche Bevölkerungsentwicklung in den Blick nimmt, folgt der in einzelne Epochen untergliederte ebenso dichte wie gut lesbare historische Überblick, der von der prähistorischen bis in die moderne Zeit reicht. Coulton und D. French legen zunächst das im Wesentlichen auf archäologischen Funden fußende Wissen über die Kabalis bis zur Zeit der Gründung von Balbura offen. Obgleich der lydische Hintergrund dieser Region nicht nur aus der literarischen Überlieferung hervorgeht und mittlerweile auch durch neue Erkenntnisse von archäologischer Seite gestützt wird [1], ist es bemerkenswert, dass während des Balbura-Surveys keine einzige Scherbe eines lydischen Gefäßes registriert werden konnte.
Das folgende von Coulton verfasste Kapitel beleuchtet die frühe Geschichte und Entwicklung des neugegründeten Balbura und deckt somit die Spanne von der hochhellenistischen bis in die julisch-claudische Epoche ab. Da die einzigen sicher vor die flavische Zeit zu datierenden erhaltenen Bauten im Stadtgebiet die Befestigungsmauer und das obere Theater sind, stützen sich die übrigen Ausführungen im Wesentlichen auf Schriftquellen, einige Münzen und den keramischen Befund. Im Umland kommt der Auswertung der gefundenen Keramikscherben ebenfalls eine Schlüsselrolle zu, und sie scheint zu belegen, dass ein flächendeckendes Entstehen größerer und kleinerer Siedlungsplätze erst um die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. erfolgte.
Bevor sich Coulton in zwei weiteren Kapiteln dem hochkaiserzeitlichen sowie dem spätantiken und byzantinischen Balbura zuwendet, hat er noch einen Exkurs zur Vegetation und zum Klima dazwischengeschaltet. Darin werden die Auswirkungen dieser Faktoren - darunter auch die Möglichkeit von gegenüber heute etwas besseren klimatischen Bedingungen - auf die Nahrungsmittelproduktion in der Region während der genannten Epochen diskutiert. Angebaut wurden vor allem Getreide und Weintrauben sowie zu einem geringeren Teil Oliven; daneben spielten die Tierhaltung und die Erzeugung von Bau- und Brennholz eine wichtige Rolle.
Nach den Betrachtungen von Coulton zur noch florierenden spätantiken und frühbyzantinischen Balburike und ihrem deutlichen Niedergang ab der mittelbyzantinischen Epoche nimmt sich M. Kiel der Geschichte des Gebiets von der seldschukischen bis in die osmanische Zeit an und konzentriert sich dabei auf eine insbesondere in Steuerregistern aufscheinende Siedlung an einem Gölhisar Gölü genannten See. Bei ihr handelt es sich um den nach einem Jahrhunderte währenden Hiatus auf dem Boden des vorhellenistischen 'Alt-Kibyra' neu entstanden bedeutendsten Marktort des Spätmittelalters bzw. der frühen Neuzeit, der im 18. Jahrhundert durch die lokalen Behörden im Zuge von Unruhen vollständig aufgelassen und zerstört worden ist. Ergänzt wird das Kapitel durch einen Appendix von Coulton, der die Routen und Beobachtungen der europäischen Reisenden nachzeichnet, sowie einen weiteren von P. Armstrong, der sich der Keramik der nachbyzantinischen Epochen annimmt.
Der Zielsetzung einer umfassenden Darstellung der Region folgend schließt ein Kapitel von A. Erdentuğ und J. M. Wagstaff an, das auf die Situation der Landwirtschaft in der Balburike während des 20. Jahrhunderts fokussiert ist. Beendet wird der erste Band durch einen wieder von Coulton verfassten Beitrag, der dem Leser noch einmal in komprimierter Form die gesamte historische Entwicklung der Balburike, diesmal aber in Einbettung in das regionale Umfeld, deutlich vor Augen führt.
Der zweite Band enthält detaillierte Studien zu einzelnen Aspekten des Balbura-Surveys und beinhaltet zudem einen Katalog der Fundstellen und Funde. Zwei Kapitel aus der Feder von French bzw. Armstrong bilden den Auftakt und befassen sich mit den Keramikfunden der vorhellenistischen Zeit bzw. der anschließenden Epochen bis in die Moderne. Als äußerst hilfreich erweist sich die sowohl tabellarische, aber auch kartographische Zusammenstellung vorhellenistischer Fundstellen, nicht nur der Balburike selbst, sondern der gesamten Region um Burdur bis hin zur lykischen Küste. Hinzuweisen ist freilich darauf, dass die Aufstellung durch diverse laufende Forschungen in diesem Gebiet mittlerweile schon in Teilen wieder überholt ist. Das ändert jedoch nichts am Wert dieses Zwischenergebnisses, das auf der Basis von bis ca. 2010 gesammelten Daten erreicht worden ist. Das Kapitel von Armstrong bietet ebenfalls einen auf die gesamte Region bezogenen Überblick zu den nachklassischen Keramikfunden, für den dasselbe gilt. So lassen sich etwa den Hinweisen auf eine Keramikproduktion in Kibyra selbst mittlerweile auch solche im ländlichen Raum - und zwar im Zusammenhang mit einen ausgedehnten kaiserzeitlichen Landgut - an die Seite stellen. [2]
N. P. Milner nimmt sich im Anschluss der übrigen ansonsten schon an anderen Stellen publizierten Inschriften aus Stadtgebiet und Umland an, wobei dieser Beitrag neben einer umfangreichen Kommentierung eine Liste sämtlicher erfasster Inschriften sowie einen Index der Personennamen enthält. Herausgegriffen sei hier die erste der behandelten Inschriften (IBb5), eine Weihung an das flavische Kaiserhaus, die das früheste Beispiel aus römischer Zeit darstellt. Es handelt sich um die zuletzt im 19. Jahrhundert gesehene Inschrift des zur westlichen Wasserleitung von Balbura gehörenden Aquädukts, weshalb ihr auch im Hinblick auf die später noch eigens besprochene Wasserversorgung der Stadt eine besondere Rolle zukommt.
Mit bereits 1897 in Sidon gefundenen Grabstelen von Söldnern setzt sich N. Sekunda im folgenden Kapitel auseinander. Da auf einer der Stelen die früheste Erwähnung von Balbura überhaupt zu finden ist, kommt ihr bzw. ihrer Datierung eine nicht unbedeutende Rolle im Hinblick auf die Gründung der Stadt zu. Umstritten ist, ob die Söldner in ptolemäischen oder seleukidischen Diensten gestanden haben und insofern noch in das 3. oder in das 2. Jh. v. Chr. gehören. Aus der Verwendung des Titels "Standartenträger" auf dem Grabstein des Dioskurides sowie anderer Indizien hält es Sekunda aber für erwiesen, dass dieser wie die übrigen Stelen zwischen 160 und 145 v. Chr. entstanden sein muss. Ob das freilich ebenfalls den Rückschluss erlaubt, die Gründung Balburas müsse deshalb in die Zeit um oder kurz nach 170 v. Chr. fallen, sei indes dahingestellt.
In diese Zeit der Gründung soll laut Coulton, der sich im Folgekapitel mit den Wehrmauern von Balbura befasst, auch die erste Befestigung der Akropolis wie der gesamten Siedlung gefallen sein, und für die Wiederbefestigung spielt er verschiedene Möglichkeiten der Datierung in spätantiker und frühbyzantinischer Zeit durch. Ein anschließender Überblick wendet sich dann den diversen Gräbern der Stadt und ihres Umlandes zu und vermittelt einen guten Eindruck von ihrem typologischen Spektrum und ihrer zeitlichen Verteilung. Im Folgenden widmet sich Coulton noch der Wasserversorgung der Stadt, die in römischer Zeit mittels zweier stellenweise über Aquädukte geführten Leitungen erfolgte, welche die Stadt mit wenige Kilometer entfernt gelegenen Quellen verbanden. Da eine vergleichbare Form der Frischwasserversorgung in hellenistischer Zeit augenscheinlich noch nicht existierte und die oberflächlich nachweisbaren Zisternen späterer Zeitstellung sind, dürften die Einwohner des vorrömischen Balbura ihr Wasser wohl aus innerhalb des Stadtgebiets gelegenen Quellen geschöpft haben. Ein Kapitel zu den Kirchen und frühchristlichen Hinterlassenschaften beendet die Detailuntersuchungen und leitet zu einer ausführlichen Erläuterung Coultons zu den beim Survey angewandten Methoden über, die auch aufgetretene Schwierigkeiten klar benennt. Eines dieser Probleme betrifft den Umstand, dass durch das systematische Sammeln von Keramik offenbar zu wenig Informationen generiert werden konnten, weshalb es durch so genannte "grab collections" flankiert werden musste.
Damit enden die analytischen Teile des Werks, und es beginnt die Materialvorlage, die zunächst den Katalog der Keramikfunde umfasst. Es folgt eine in weiten Teilen tabellarische Übersicht der im unmittelbaren Umfeld von Balbura gelegenen Areale und der auf ihnen gesammelten Keramikfragmente, die zwar der Dokumentation dienlich ist, aber nur wenig Erkenntnis mit sich bringt. Deutlich informativer ist hingegen der anschließende geographisch geordnete Katalog der ländlichen Fundstellen und der mit ihnen verbundenen Keramikfunde. Es folgen eine Auflistung der Inschriften, die mit einem Personennamensregister und einer Konkordanzliste verknüpft ist, sowie ein typologisch geordneter Katalog der Grabmonumente. Ein umfassendes Literaturverzeichnis beschließt das Werk.
Coulton und seine Mitarbeiter haben nicht nur die im Rahmen des Balbura-Surveys untersuchten Fundstellen und Funde sowie eine Vielzahl von Einzelmonumenten en detail vorgelegt, sondern daraus ist auch eine kohärente Siedlungsgeschichte unter Einbezug des aktuellen Forschungsstands zu den unmittelbaren Nachbarregionen erwachsen. Das Werk besitzt demnach einerseits von seiner Strukturierung her Vorbildcharakter, und andererseits kommt den erzielten Ergebnisse weit über das Gebiet der Balburike hinaus Bedeutung zu. Angesichts nach wie vor reger Forschungstätigkeiten in der Region - und dabei ist nicht nur an Sagalassos zu denken - werden die beiden Bände einer ganzen Reihe von Forschern als Anhaltpunkt und Inspirationsquelle dienen.
Anmerkungen:
[1] Thomas Corsten / Oliver Hülden: Zwischen den Kulturen. Feldforschungen in der Kibyratis. Bericht zu den Kampagnen 2008-2011. Mit Beiträgen von J. Gebauer und K. B. Zimmer, in: IstMitt 62 (2012), 7-117 bes. 19-38; Oliver Hülden: Ein archaisches Felsgrab mit Löwenrelief nahe Alanköy (Provinz Burdur), in: IstMitt 62 (2012), 371-382.
[2] Kathrin Gschwendtner: A ceramic production site in the Kibyratis. A contribution to the problematic identification of local ceramic workshops, in: Kayhan Dörtlük / Tarkan Kahya u. a. (eds.): International Young Scholars Conference II: Mediterranean Anatolia 4-7 November 2015 (im Druck).
Oliver Hülden