Rezension über:

Heide Frielinghaus / Thomas Schmidts / Vasiliki Tsamakda (Hgg.): Schiffe und ihr Kontext. Darstellungen, Modelle, Bestandteile - von der Bronzezeit bis zum Ende des Byzantinischen Reiches (= Byzanz zwischen Orient und Okzident; 5), Mainz: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 2017, 251 S., 113 Farb-, 97 s/w-Abb., ISBN 978-3-88467-277-8, EUR 45,00
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Rezension von:
Marcus Heinrich Hermanns
Archäologisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Marcus Heinrich Hermanns: Rezension von: Heide Frielinghaus / Thomas Schmidts / Vasiliki Tsamakda (Hgg.): Schiffe und ihr Kontext. Darstellungen, Modelle, Bestandteile - von der Bronzezeit bis zum Ende des Byzantinischen Reiches, Mainz: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 2017, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 11 [15.11.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/11/30328.html


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Heide Frielinghaus / Thomas Schmidts / Vasiliki Tsamakda (Hgg.): Schiffe und ihr Kontext

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Die Schifffahrt ist ein Ausdruck entwickelter Kulturen und bis heute im privaten wie auch im wirtschaftlichen und militärischen Bereich von zentraler Bedeutung - dies schon in der Antike, der Spätantike als auch im Mittelalter, den Zeitepochen, welche die 18 Beiträge dieses Werks abdecken. Das vorliegende Werk vereint die im Rahmen eines in Mainz vom 24. bis 25. Mai 2013 stattgefundenen Internationalen Kolloquiums gehaltenen Vorträge. Die Beiträge sind teils in englischer, teils in deutscher Sprache (jeweils mit zweisprachigen Abstracts). Hinzu kommen ein Vorwort der Herausgeber (7), ein Verzeichnis der Autoren (249-250) sowie, der einheitlichen Edition und dem Charakter solcher Werke entsprechend, ein Verzeichnis der verwendeten Siglen (251).

Der erste Beitrag widmet sich der Form und Funktion im Schiffbau der ägäischen Bronzezeit (Thomas Guttandin, 9-22). Aufgrund von überlieferten Schiffsabbildungen und -modellen der bronzezeitlichen Ägäis werden funktionale Aspekte analysiert. Dabei zeigt sich, dass die Wasserfahrzeuge an die Bedingungen der Ägäis hervorragend angepasst waren und von den Bewohnern der Ägäischen Inseln und Kreta im Laufe der zeitlichen Entwicklung hinsichtlich ihres Antriebs (Paddel, Ruder, Segel) und ihrer Ladekapazität im ressourcenschonender Bauweise weiterentwickelt wurden.

"Schiffe im Votivkontext" lautet der Titel des zweiten Beitrags (Heide Frielingshaus, 23-37). Schiffe und Schiffsteile wurden im Original, in vollplastischer Nachbildung und als zweidimensionale Darstellung seit geometrischer Zeit in Heiligtümern unterschiedlicher Gottheiten gewidmet. Der Beitrag konzentriert sich auf diverse Aspekte der schiffsbezogenen Weihgeschenke im Verbreitungsgebiet des mittel- und südgriechischen Raums während des 1. Jahrhunderts v.u.Z.

Rebecca Münds behandelt das Thema der archaischen Schiffsdarstellungen auf attischen Vasen von spätgeometrischer Zeit bis ins 4. Jahrhundert v.u.Z. (39-49). Diese erscheinen in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen weswegen sich die Verfasserin auf Aspekte zum Umfang, zum zeitlichen Schwerpunkt, zur inhaltlichen Kombination und zur Anpassung der Darstellungen an die spezifische Form des jeweiligen Bildträgers konzentriert.

Der Beitrag von Zina Zografou Karachristou hat den Titel "Ships on funerary Monuments in the Hellenistic World" (51-62). Die Autorin behandelt 61 Monumente - hinzukommen 31 Exemplare aus römischer Zeit - und stellt fest, dass Bilder von Kriegsschiffen seltener als von Handelsschiffen vorkommen, jene jedoch früher als letztere auftreten. Monumente mit Handelsschiffen treten um 360/350 v.u.Z. auf und ihre Zahl nimmt im Laufe des Hellenismus rasch zu. Als Grund der Darstellungen lassen sich ikonografisch u.a. Tod in einer Seeschlacht, Opfer eines Schiffsunglücks oder einfach nur Seefahrer als Beruf nachvollziehen. In einigen Fällen wird der Lebensweg des Bestattenden in Form einer Inschrift erläuternd hinzugefügt.

Der folgende Beitrag widmet sich ebenfalls Aspekten und Bedeutungen von Schiffsdarstellungen im Grab (Francisca Feraudi-Gruénais, 63-78). In der modernen Forschung werden meist basierend auf punktuellen Beobachtungen und vor dem Hintergrund einer eher begrenzten Zeugnisauswahl, für die griechisch-römische Antike biographische Aspekte als Erklärung der Darstellungen auf Grabsteinen bemüht, während für die Darstellungen von Schiffen oder Schiffsteilen in christlichen Grabkontexten vermehrt metaphysische Aspekte in den Vordergrund gerückt werden. Die Autorin versucht auf der Grundlage einer breiten Materialbasis aus hellenistischer und römischer Zeit spezifische inhaltliche Positionierungen von Schiffsmotiven abzuleiten.

Die Beiträge von Angelos Zarkadas (Bronze Parts of Ships from the Paul and Alexandra Canellopoulos Museum, 79-89) und Sarah Wolfmayr (Über die Bronzefunde der Nemisee-Schiffe, 91-104) beschäftigen sich mit bronzenen Schiffsbeschlägen aus römischer Zeit, etwa Balkenköpfe und Rammsporne. Neben der Sammlungsgeschichte werden ikonografische und stilanalytische Aspekte dieser meist vernachlässigten Fundgegenstände behandelt.

Der Beitrag von Thomas Schmidts widmet sich den "Schiffsdarstellungen auf Münzen der Römischen Kaiserzeit" (105-119). Während das Werk von U. Schaaf (2003) ausschließlich Münzen im Bestand des RGZM behandelt [1], setzt sich der Autor mit dieser Fundgattung in einem größeren Rahmen auseinander. In der kaiserzeitlichen Reichsprägung kommen Schiffe als Reversdarstellungen von der Mitte des 1. Jahrhunderts bis zum Ende des 4. Jahrhunderts vor. Kriegsschiffe als Motive erscheinen erst im 2. Jahrhundert unter Kaiser Hadrian. Zunächst stehen sie im Kontext von Kaiserreisen, erst ab dem 3. Jahrhundert treten militärische Aspekte in den Vordergrund. Die selteneren Darstellungen von Handelsschiffen von Domitian bis Commodus, wie auch die Darstellungen des Hafens von Portus Augusti in neronischer und traianischer Zeit stehen im Zeichen der Bemühungen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung der Stadt Rom. Nur am Rande werden die Schiffsdarstellungen auf kaiserzeitlichen Provinzialprägungen behandelt, die in den Zeitraum vom frühen 1. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datieren.

Mit einem für die Versorgung der Stadt Rom wesentlichen Aspekt setzt sich Frederic Theis in seinem Beitrag "Quellen zur römischen Treidelschifffahrt auf dem Unterlauf des Tiber" (121-133) auseinander. Der zwischen Ostia und Rom stark mäandrierende Flussverlauf des Tibers erforderte besondere Infrastruktur und stellte die Schiffer vor spezielle Herausforderungen.

Zaraza Friedman beschreibt in ihrem Beitrag "Why are ships Depicted in the Lod Mosaic?" (135-144) die beiden auf dem polychromen Fußbodenmosaik von Lod (Israel) detailliert dargestellte Segelschiffe aus dem 4. Jahrhundert. Diese weisen bezeichnende Merkmale auf, die zum Verständnis des römischen Schiffbaus, der Takelage und des Antriebs sowie zum Schiffstyp beitragen.

Ein kleines gläsernes Schiffsmodell mit einem Cheniskos in Gestalt eines Wasservogels im Museum für Antike Schifffahrt in Mainz steht im Mittelpunkt des Beitrags von Ute Klatt (145-157). Die Gruppe der bekannten römischen Glasschiffe der Kaiserzeit zeigt weder in Technik, Form noch in der Farbe und Qualität des Glases Parallelen zu diesem Fundstück auf. Auffällige technische Details wie auch die chemische Analyse des Glases legen eine moderne Entstehung nahe. Somit dürfte es sich um eine antikisierende Fälschung ohne direktes antikes Vorbild handeln.

Die relativ kleine Gruppe der spätantiken und byzantinischen Bronzelampen in Schiffsform wird im Beitrag vom Vasiliki Tsamakda umfassend vorgestellt (159-171). Besprochen werden besonders ihre Form und Konstruktionsweise, ihre Bedeutung und kulturhistorischer Wert als Nachahmung realer Schiffe. Auch die Funktion und ihre kontextuelle Nutzung in der byzantinischen Kultur finden Berücksichtigung und ihre Bedeutung wird in theologischer Hinsicht erläutert.

Die Schiffsdarstellungen auf spätantiker und byzantinischer Keramik, die stark abstrahiert immer Teil einer komplexeren Szene sind, behandelt Beate Böhlendorf-Arslan (173-183). Seit spätbyzantinischer Zeit sind Schiffe im Abbildungsrepertoire auf Keramik zwar selten, können aber, wie einige vorgestellten Beispiele zeigen, sehr detailliert und realistisch wiedergegeben werden.

Einen Abriss der Entwicklung mediterraner mittelalterlicher Kriegsschiffe vom 11. bis zum 15. Jahrhundert liefert Yannis D. Nakas auf der Grundlage ikonografischer und schriftlicher Quellen (Tracing the Development of Mediterranena Medieval Warships from the 11th to 15th Century, 185-197). Geruderte Kriegsschiffe stellen einen besonderen und sehr zentralen Aspekt in der Schiffbautradition des Mittelmeerraums dar. In konstruktiver und technologischer Hinsicht erlebte der Bau von Kriegsschiffen in dieser Zeit signifikante Veränderungen (Übergang vom Dromon zur Galea).

Der Einfluss der politischen und ökonomischen Geschichte von Byzanz auf die Entwicklung des Schiffbaus und der Seefahrt im Mittelmeerraum legt Alkiviadis Ginalis dar (The Impact of Byzantium's Political and Economic History on mediterranean Seafaring, 199-208). Der einseitigen Aufmerksamkeit historischer und archäologischer Forschung, indem wirtschaftliche Wechselbeziehungen sowie politische Zusammenhänge durch die punktuelle Untersuchung von Wrackfunden zu erklären und verstehen versucht werden, stellt dieser Beitrag einen entgegengesetzten Ansatz gegenüber, indem Schiffe in ihrem historischen Kontext dargestellt werden: Der stetige politische und wirtschaftliche Wandel verursacht und erfordert die Notwendigkeit technischen Fortschritts zur See um "konkurrenzfähig" zu bleiben.

Ronald Bockius stellt die methodische Vorgehensweise vor, nach der im Museum für Antike Schifffahrt in Mainz auf der Grundlage bildlicher Darstellungen und unter Heranziehung weiterer Quelldaten, begründete dreidimensionale Wederherstellungsversuche (Modelle) erstellt wurden (209-219). Sie tragen zur morphologisch-dimensionalen Veranschaulichung antiker Schiffe und Boote bei, und zu deren technischen Verständnis bezüglich Betrieb und Nutzung.

Die Bedeutung bildlicher Darstellungen zur Rekonstruktion antiker Besegelung zeigt Julian Whitewrightin seinem Beitrag "Ancient Depictions as a Source for Sails and Rigging" auf (221-232). Originale Bestandteile sind selten, so kommt der ikonographischen Überlieferung eine große Bedeutung zu. Die Eignung ikonographischer Überlieferung zur Darstellung eines kurzfristigen und weiträumigen technologischen Wandels vor dem Hintergrund langfristiger Kontinuitäten wird anhand des Fallbeispiels der Entwicklung und Adaption des Lateinersegels in der Spätantike bzw. dem Frühmittelalter diskutiert.

Der letzte Beitrag behandelt im Schiffbau verwendete Werkzeuge in diachroner Sicht: Eleni Maragoudaki, Shipbuilding Tools from the bronze Age Boatbuilder to the Traditional Shipwright: Tracing the Evidence in the Mediterranean Basin (233-247). Anhand archäologischen und ethno-archäologischen Quellen sowie experimentellen Methoden wird aufgezeigt, dass sich diese Werkzeuge zur Holzverarbeitung überwiegend ohne fundamentale Veränderungen erhalten haben - die Entwicklung jedoch durch Material, genutzte Techniken sowie soziokulturelle Einflüsse bedingt wurden.

Abschließend sei gesagt, dass die Beiträge dieses Werkes eine Bereicherung der ikonografischen Studien darstellen sowie wesentlich zur Kontextualisierung von Schiffsdarstellungen beitragen, nicht nur da sie wesentliche inhaltliche sowie thematische Ergänzungen zu den Katalogwerken liefern, etwa von Paul Forsythe Johnston (1985), Arvid Göttlicher (1978) oder Lucien Basch (1987), sondern weil sie meist zeitübergreifend die Entwicklung auch ansonsten eher vernachlässigter Epochen betrachten.


Anmerkungen:

[1] U. Schaaff: Münzen der römischen Kaiserzeit mit Schiffsdarstellungen (= RGZM Kataloge vor- und frühgeschichtlicher Altertümer; Bd. 35), Mainz 2003.

[2] L. Basch: Le musée imaginaire de la marine antique, Athènes 1987; A. Göttlicher: Materialien für ein Corpus der Schiffsmodelle im Altertum, Mainz 1978; P. Forsythe Johnston: Ship and Boat Models in Ancient Greece, Annapolis 1985.

Marcus Heinrich Hermanns