Mona Garloff: Irenik, Gelehrsamkeit und Politik. Jean Hotman und der europäische Religionskonflikt um 1600 (= Schriften zur politischen Kommunikation; Bd. 18), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2014, 400 S., ISBN 978-3-8471-0222-9, EUR 54,99
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Mona Garloff setzt sich in diesem Buch, das sie ursprünglich als Doktorarbeit verfasst hat, mit den Auffassungen des Späthumanisten Jean Hotman (1552-1636) zur Irenik auseinander. Dazu analysiert sie seine Schriften und seine Kontakte zu Gelehrten wie Hugo Grotius, der sich ebenfalls für den Religionsfrieden engagierte. Mona Garloff ist mit dieser Arbeit ein großer Wurf gelungen. Zwar sind auch schon in der Vergangenheit wichtige Studien zur Irenik Hotmans erschienen - in diesem Zusammenhang sind die Beiträge des Leidener Kirchenhistorikers Hans Posthumus Meyjes zu erwähnen -, aber in dieser konzentrierten Dichte, die auch das historische Umfeld umfasst, setzt die Autorin neue Maßstäbe. Darüber hinaus beabsichtigt sie, anhand der Korrespondenz Hotmans das Netzwerk der Gelehrtenkreise in diesen Jahrzehnten darzustellen, die zur Frage der Irenik Position bezogen. Insofern ist das Buch auch ein wertvoller Beitrag zur Geschichte der Kommunikation in der Frühen Neuzeit.
Hotman stammt aus einer reformierten Familie. Obwohl er sich zeitlebens seiner Wurzeln bewusst gewesen ist, sollte er sich davon emanzipieren. Mona Garloff hat diesen Werdegang vorbildlich beschrieben. Die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit zwischen der katholischen und der reformierten Kirche als Voraussetzung für die politische Stabilität in Frankreich ist das zentrale Anliegen Hotmans. In Schriften wie Responce a la supplication faicte au Roy de se faire Catholique und Auis et dessein nouueau sur le fait de la Religion en l'Eglise Gallicane, die er beide in den 1590er Jahren verfasst hat, entfaltet er sein irenisches Programm. Dieses enthält zwei wichtige Bausteine. Erstens ist die die Rückbesinnung auf die wesentlichen Elemente der christlichen Glaubenslehre zu nennen. Für Hotman sind das die Taufe und das apostolische Glaubensbekenntnis. Fragen bezüglich Kirchenregiment und Zeremonien seien von untergeordneter Bedeutung und sollten in Gesprächen zwischen den christlichen Konfessionen geklärt werden, statt sie als Anlass für einen Religionskrieg zu missbrauchen. Zweitens wendet sich Hotman vehement gegen das Vorgehen Roms, einen exklusiven Anspruch auf die Verwendung des Begriffes "katholische Kirche" zu erheben. Die Kirche Roms sei eine Partikularkirche wie die gallikanische, anglikanische oder griechisch-orthodoxe Kirche ohne Sonderrechte. Alle christlichen Kirchen seien gleichberechtigt und als katholisch zu betrachten. Zurecht weist Mona Garloff darauf hin, dass der Diskurs über den Begriff "katholische Kirche" in den Schriften Hotmans dazu diente, die Idee einer gallikanischen Nationalkirche, weitgehend unabhängig von Rom, zu propagieren.
Hotmans Ansichten zur Irenik und besonders die Rückbesinnung auf die Glaubenslehre der Alten Kirche sind maßgeblich von Georg Cassander (1513-1566) beeinflusst worden. Hotman hat im Jahre 1607 Cassanders Schrift De officio pii viri (ursprünglich 1561 erschienen) neu herausgegeben und ihr ein Verzeichnis von Büchern, die sich mit der Frage der kirchlichen Reunion und der Toleranz befassen, angefügt. Dieses Verzeichnis, der Syllabus aliquot synodorum et colloquiorum, sollte 1628 und 1629 als separate Schrift in zwei erweiterten Ausgaben erscheinen. Er gehört zu den bekanntesten Werken Hotmans. Mona Garloff setzt sich in ihrer Arbeit ausführlich mit der Editionsgeschichte und dem Inhalt des Syllabus auseinander (205-306) und veröffentlicht in einem Anhang eine integrale Edition der dritten Fassung. Sie stellt fest, dass moderate Ireniker wie Erasmus von Rotterdam, Georg Cassander und Georg Witzel im Syllabus prominent vertreten sind. Befürworter einer radikalen Toleranz wie Sebastian Castellio sucht man dagegen vergeblich im Verzeichnis. In dieser Hinsicht setzt Hotman eindeutige programmatische Akzente.
Bezüglich der Rezeption der Korrespondenz Hotmans habe ich eine kritische Anmerkung. Sie hätte in dieser Studie mehr in den Vordergrund treten dürfen. Die Autorin verzichtet weitgehend auf eine inhaltliche Analyse des Briefwechsels und konzentriert sich stattdessen auf die Schriften. Insgesamt jedoch verdient ihre Leistung höchste Anerkennung. Mona Garloff hat eine Arbeit veröffentlicht, die sowohl inhaltlich als auch methodisch überzeugt und darüber hinaus hervorragend geschrieben ist.
Hans Peterse