Alexei Isaev: Dubno 1941. The Greatest Tank Battle of the Second World War, Solihull: Helion & Company 2017, 252 S., 15 Kt., 9 Farb-, 134 s/w-Abb., ISBN 978-1-910777-74-9, GBP 35,00
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Am 22. Juni 1941 trat die Wehrmacht zum Unternehmen "Barbarossa" an. Schon in den ersten Tagen konnten die Verbände der Heeresgruppen Nord und Mitte hunderte Kilometer nach Osten vordringen. Dagegen traf die Heeresgruppe Süd auf unerwartet starken Widerstand. Denn nördlich von Lemberg trat die Rote Armee mit mehreren mechanisierten Korps zu Gegenangriffen an. Bis Anfang Juli kam es bei Dubno, Luzk und Rowno zu heftigen Panzerkämpfen, die der russische Militärhistoriker Aleksei Isaev in der vorliegenden Studie als "größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs" bezeichnet. Vermarktungstechnisch ist dies ein geschickt gewählter Titel - den historischen Tatsachen entspricht er indes nicht. Im Raum Dubno standen Ende Juni 1941 insgesamt 3.647 Panzer, davon 2.973 sowjetische und 674 deutsche. [1] Demgegenüber kamen beispielsweise in den ersten zehn Tagen der Schlacht um Kursk im Juli 1943 fast 8.000 Panzer und Selbstfahrlafetten zum Einsatz, davon allein 4.768 im Südabschnitt. [2] Überdies fiel im Sommer 1941 bei Dubno ein Großteil der sowjetischen Tanks bereits vor dem Kampf durch technische Schäden aus, sodass kaum die Hälfte davon überhaupt an der Panzerschlacht teilgenommen haben dürfte. Isaev müsste dieser Fehlgriff im Titel bewusst sein, da er bereits zahlreiche Bücher über verschiedene Schlachten des Zweiten Weltkriegs vorgelegt hat - darunter auch eine Arbeit über die Panzerschlacht bei Kursk. [3]
Sieht man von dem irreführenden Titel ab, bietet Isaevs Studie eine übersichtlich gestaltete sowie klar und verständlich aufgebaute Darstellung der Kämpfe bei Dubno, Luzk und Rowno. Zunächst stellt der Autor die Kräfte vor, die sich im Juni 1941 im Raum Lemberg gegenüberstanden. Der Leser erfährt, dass sich die Rote Armee bereits seit Herbst 1940 operativ auf einen möglichen Krieg gegen das Deutsche Reich vorbereitete. Im Kiewer Sondermilitärbezirk, der als Elite-Kaderschmiede der Roten Armee galt, versammelte sie besonders starke Truppen, die im Kriegsfall bis zur Oder vorstoßen sollten. Im Frühjahr 1941 führten die sowjetischen Streitkräfte zwar zahlreiche Alarm- und Gefechtsübungen durch. Allerdings rechnete die Rote Armee nicht mit einem schlagartigen Überfall der Wehrmacht ohne Vorwarnung. Auch der Zeitpunkt des deutschen Angriffs war für die sowjetischen Streitkräfte ungünstig. Sowohl die Panzertruppen als auch die Fliegerkräfte befanden sich gerade in einer Phase der Umstrukturierung. Und die "Molotow-Linie", die mit ihren starken Befestigungen die neue sowjetische Grenze schützen sollte, befand sich noch im Bau.
Trotzdem war die sowjetische Führung zu Beginn des deutschen Angriffs zuversichtlich. In völliger Verkennung der Stärke der Wehrmacht befahl sie dem Oberkommando der Südwestfront noch am Abend des 22. Juni 1941, die gesamten deutschen Verbände südöstlich von Lublin in den nächsten Tagen einzukesseln und zu zerschlagen. Bis zum 26. Juni sollten die sowjetischen Truppen den Raum von Lublin erobern. Doch bevor sich die mechanisierten Korps der Roten Armee zu geschlossenen Gegenangriffen versammeln konnten, gerieten sie stückweise in Gefechte mit den rasch vorstoßenden Verbänden der Heeresgruppe Süd. Zersplittert und taktisch ungeschickt eingesetzt wurden sie nacheinander aufgerieben, ohne ihre große zahlenmäßige und teilweise auch technische Überlegenheit ausspielen zu können. Am 30. Juni erhielten sie schließlich den Befehl zum Rückzug hinter die alte sowjetische Grenze, wie sie vor dem Herbst 1939 verlaufen war. Immerhin hatten die mechanisierten Korps verhindert, dass große Teile der sowjetischen Südwestfront im Raum Lemberg eingeschlossen wurden. Infolgedessen konnten sich deren Verbände relativ geordnet zurückziehen.
Zu den vielen Stärken von Isaevs Buchs gehört, dass der Autor neben den Bodenkämpfen auch die Einsätze der Fliegerkräfte thematisiert. Erfreulicherweise kennt sich Isaev mit der Wehrmacht und mit deutschen Quellen gut aus, sodass er beide Seiten gleichermaßen zuverlässig in den Blick nehmen kann. Außerdem ist "Dubno 1941" reichlich mit Tabellen und Abbildungen in guter Qualität versehen. Lediglich die Karten sind unübersichtlich und verwirrend, zudem finden sich darauf weder Maßstäbe noch Entfernungsangaben. Der Leser, der den im Text geschilderten Bewegungen der militärischen Verbände und den Kampfhandlungen folgen will, muss deshalb anderswo nach besseren Karten suchen. Als Mängel im Text sind festzustellen: zum einen eine Reihe von Schreibfehlern, die offenbar durch die Übertragung deutscher Namen und Begriffe aus dem Russischen ins Englische entstanden sind; zum anderen einige sachliche Fehler und falsche Verbandsbezeichnungen. Etwas schwerwiegender fällt ins Gewicht, dass viele Quellenangaben fehlen und die Paginierung der angegebenen Akten mitunter falsch ist. [4] Zum Ende hin wird die Darstellung zudem recht oberflächlich: Aus deutscher Sicht stellten die Kämpfe der 16. Panzerdivision und der 44. Infanterie-Division bei der Ortschaft Werba bis zum 1. Juli 1941 den Höhepunkt der Panzerschlacht bei Dubno dar. Isaev geht auf diese Gefechte jedoch kaum noch ein. Darüber hinaus wirkt bei einem Autor, der erst 1974 geboren wurde, befremdlich, dass er mitunter den gebotenen wissenschaftlich objektiven Standpunkt verlässt und die sowjetischen Panzerbesatzungen als "our tank crews" und die Verluste der Roten Armee als "our own losses" bezeichnet (166, 174).
Dennoch ist Isaevs Studie über die Panzerschlacht bei Dubno lesens- und empfehlenswert, und es bleibt zu hoffen, dass bald weitere Bücher dieses engagierten russischen Militärhistorikers übersetzt und damit einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden.
Anmerkungen:
[1] Isaev: Dubno, 35-37; Thomas L. Jentz: Die deutsche Panzertruppe 1933-1945. Gliederungen, Organisation, Taktik, Gefechtsberichte, Verbandsstärken, Statistiken, Band 1: 1933-1942, Wölfersheim-Berstadt 1998, 191f.
[2] Diese unterteilten sich in 2.889 sowjetische und 1.879 deutsche Panzer und Selbstfahrlafetten. Zusammenstellung für die sowjetische Seite aus: Spravka o poterjach tankov po dejstvujuščim frontam v bojach s 5.7.43 g. po 20.7.43 g. (Kopie in der Materialsammlung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam); Grigorij A. Koltunov: Kurskaja bitva v cifrach, in: Voenno-istoričeskij Žurnal 6 (1968), 58-68, hier 61; Valerij N. Zamulin: Zasekrečennaja Kurskaja bitva. Neizvestnye dokumenty svidetel'stvujut, Moskau 2007, 766f. Für die deutsche Seite siehe Roman Töppel: Die Offensive gegen Kursk 1943. Legenden, Mythen und Propaganda, Magisterarbeit, Dresden 2001, 96f. (online: www.academia.edu/16516003/Die_Offensive_gegen_Kursk_1943_Legenden_Mythen_und_Propaganda. _Masters_thesis_Dresden_University_of_Technology_2001)
[3] Aleksej Isaev: Kurskaja bitva. Pervaja illjustrirovannaja ėnciklopedija, Moskau 2013.
[4] Gleich zwei Fehler finden sich auf Seite 148, wo Isaev aus einem Befehl des Armee-Oberkommandos 6 vom 27.6.1941 zitiert. Ein "XXXXVIII Artillery Corps" gab es nicht; im Original steht: "XXXXIV. A[rmee-]K[orps]". Als Signatur gibt Isaev an: "NARA T313 R4 f1100"; richtig ist: NARA, T-313, R. 4, F. 7228444.
Roman Töppel