Petrus A. Bayer: Konfessionalisierung im klösterlichen Umfeld. Die Entwicklung frühneuzeitlicher Religiosität in den Pfarren des Stiftes Schlägl (1589-1665), Münster: Aschendorff 2017, VIII + 336 S., eine Kt., 4 s/w-Abb., ISBN 978-3-402-11589-3, EUR 49,00
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Die zu besprechende Monographie wurde durch den Archivar und Bibliothekar des Prämonstratenserstifts Schlägl im oberösterreichischen Mühlviertel verfasst und 2015 von der Katholischen Privatuniversität Linz als Dissertation angenommen. Basierend auf dem während der letzten Jahrzehnte stark verfeinerten Konfessionalisierungsparadigma von Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling verfolgt sie einen mikrohistorischen Ansatz, denn allein aus dieser Perspektive lassen sich für Bayer fundierte "generalisierende Aussagen machen und gegebenenfalls korrigieren" (23). Dabei distanziert sich der Autor entschieden von der älteren Forschung zur religiösen Spaltung im Land ob der Enns, welche zu einseitig die Leidens- und Widerstandsgeschichte der einheimischen Protestanten in den Vordergrund rückte, während sie die parallel dazu innerhalb der alten Kirche stattfindenden Veränderungen überwiegend ausblendete. Angesichts dieser durchaus berechtigten Kritik fragt die vorliegende Fallstudie zum einen nach den "vom Stift Schlägl ausgehenden (tridentinischen) Reformimpulsen und deren Auswirkungen auf den (Pfarr-)Klerus und die Bevölkerung". Zum anderen möchte sie klären, in welchem Maße die etablierten "geistlichen und weltlichen Strukturen" für die katholische Reform nutzbar oder den neuen Erfordernissen anzupassen waren (24f.). Zur Beantwortung dieser Fragen hat Bayer vor allem die bislang nicht wissenschaftlich ausgewerteten Akten der Herrschaftskanzlei, verschiedene Korrespondenzen und die Rechnungsbücher der inkorporierten Pfarren aus den sehr ergiebigen Beständen des Stiftsarchivs herangezogen. Der Untersuchungszeitraum beschränkt sich auf die Jahre 1589 bis 1665, die den Beginn und Abschluss der Rekatholisierung der Gläubigen im Einflussbereich des Klosters unter dem Propst Wenzeslaus Zypser (1589-1608) bzw. dem Abt Martin Greysing (1627-1665) markieren.
Die Arbeit ist in drei große Abschnitte gegliedert. Der erste bietet einen knapp vierzigseitigen Überblick über die Klostergeschichte bis zur Reformation, die amtierenden Reformprälaten sowie die inkorporierten Pfarren im Mühlviertel und in Südböhmen. Das zweite und mit Abstand umfangreichste Großkapitel widmet sich der Rezeption und Umsetzung der Trienter Konzilsbeschlüsse durch das Prämonstratenserstift, das gegen Ende des 16. Jahrhunderts einen heftigen und zuletzt gewalttätig ausgetragenen Streit mit den gemischtkonfessionellen Untertanen über den Laienkelch provozierte. Mit Hilfe einer verbesserten Ausbildung und Disziplinierung des Klerus, einer Intensivierung katholischer Frömmigkeit und pastoraler Unterstützung gegen die Krisenphänomene der Epoche gelang es jedoch in den folgenden Dekaden, den Protestantismus aus dem oberen Mühlviertel fast vollständig zu verdrängen. Der dritte Teil erforscht die katholische Konfessionalisierung schließlich auf der Ebene der lokalen Rechtsinstitute, wobei die Kompetenzkonflikte mit dem Bischof von Passau, adlige Vogteirechte und die klösterliche Grundherrschaft die Hauptrolle spielen.
Die zentralen Erträge des Werkes bestätigen im Großen und Ganzen die Erkenntnisse der jüngeren Konfessionalisierungsforschung: Wenn das Stift bis in die 1660er Jahre insbesondere jenen Trienter Reformdekreten die Gefolgschaft versagte, die auf eine deutliche Ausdehnung der bischöflichen Zentralgewalt abzielten, dann verteidigten die Prämonstratenser damit allein ihre tradierten Ordensprivilegien. Überdies hätte von deren Schwächung gewiss nicht der ferne Bischof in Passau, sondern vielmehr der zum Teil protestantische Landadel als Träger unterschiedlicher Vogteirechte profitiert. Abgesehen davon entwickelten die Schlägler Prälaten ihr eigenes Reformprogramm, das sich sowohl an dem biblischen Hirtenideal als auch an den örtlichen Rahmenbedingungen orientierte. Unter diesen Leitideen bekämpften sie nicht nur Alkoholismus, Bildungsdefizite und Konkubinate in den Reihen der Kleriker. Nicht weniger wurden alte und neue Bruderschaften, die Heiligenverehrung und das Wallfahrtswesen gefördert sowie angesichts der krisenhaften Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges die pastorale Seelsorge verstärkt. Keineswegs jede dieser Anstrengungen brachte den gewünschten Erfolg, manches wirkte sogar äußerst kontraproduktiv. Während zum Beispiel die gescheiterte Einführung des Ordensgründers Norbert von Xanten als "Volksheiliger" die Bedürfnisse der einfachen Gläubigen offenbar nicht hinreichend berücksichtigte, schuf die nach 1589 in Aigen forcierte Beseitigung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt bei den Dorfbewohnern überhaupt erst ein lutherisches Konfessionsbewusstsein, das die religiösen Mischformen der Vorzeit rasch ablöste und eines der komplexen Motive für die bewaffneten Unruhen von 1594 bis 1597 bildete. Eine andere Gefahr für die katholische Konfessionalisierung der Untertanen bargen die Vogteiansprüche des landsässigen Adels gegenüber dem Kloster und einzelnen Pfarreien. Diese wurden von den Prälaten in einigen Fällen erfolgreich bestritten oder in klösterlichen Besitz überführt. Ganz ähnlich verhielt es sich mit der Grundherrschaft, die das Stift primär durch Zukäufe schrittweise zu arrondieren vermochte.
Obwohl all diese Befunde die bisherigen Ergebnisse der Geschichtswissenschaft nicht grundlegend korrigieren, tragen sie doch ganz wesentlich dazu bei, die fortbestehende Forschungslücke auf dem Feld der Konfessionalisierung durch landsässige Klöster in den habsburgischen Territorien sukzessive zu schließen. Gerade deswegen ist es allerdings bedauerlich, dass der Verfasser weitgehend darauf verzichtet hat, seinen Blick über den "Sonderfall" Schlägl (wo der Protestantismus sich nie in dem Maße wie in anderen Teilen Oberösterreichs ausbreitete) hinaus zu erweitern und im Rahmen des Möglichen zum Schluss die generelle Bedeutung der Prälaten für die Rekatholisierung der österreichischen Erblande zu skizzieren. Ebenso wundert man sich, dass die andernorts vielfach nachgewiesene und von katholischer Seite wiederholt beklagte Praxis des "Auslaufens" der Gemeindemitglieder zu evangelischen Gottesdiensten in der näheren wie weiteren Nachbarschaft lediglich einmal und erst im Kontext der relativ späten "Religionsreformation" von 1653 erwähnt wird (295). Ungeachtet dieser vielleicht auch in Anbetracht der Quellenlange offen gebliebenen Punkte ist abschließend die konfessionelle Unvoreingenommenheit Bayers zu loben, der laut eigener Aussage immerhin seit 1993 dem von ihm untersuchten Stift angehört.
Arndt Schreiber