Svetlana Burmistr: Die "Minsker Zeitung". Selbst- und Fremdbilder in der nationalsozialistischen Besatzungspresse (April 1942 - Juni 1944), Berlin: Metropol 2016, 364 S., ISBN 978-3-86331-300-5, EUR 24,00
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In ihrer Monografie über die "Tageszeitung für Belarus", die vom 15. April 1942 bis 28. Juni 1944 in der Hauptstadt des Generalkommissariats Weißruthenien, nämlich in Minsk erschien, untersucht Svetlana Burmistr die journalistischen Formen, in denen die deutsche Politik, Ideologie und Propaganda im besetzten Belarus zum Ausdruck kamen. Die Forscherin analysiert dabei nicht nur den Inhalt der 680 Ausgaben der jeweils achtseitigen Zeitung, sondern nutzt auch Quellen aus zwölf Archiven in Belarus und Deutschland. Der Versuch, ein realistisches Bild der damaligen Ereignisse aus der Perspektive der deutschen Forschung zu zeigen, ist heute nicht nur für die professionellen belarussischen Historiker, sondern auch für eine breite Leserschaft wichtig, aber auch für jene, die Antworten auf immer noch bestehende, wenig untersuchte, umstrittene und problematische Fragen zu "Hitlers Krieg im Osten" [1] suchen. Diese Arbeit ist für die aktuelle belarussische Geschichtsschreibung von besonderem wissenschaftlichem Wert, da sie die von der deutschen Historikerin Babette Quinkert [2] vor einigen Jahren begonnene Forschung fortsetzt, vertieft und verfeinert.
Das Buch von Svetlana Burmistr besteht aus sieben Kapiteln, einschließlich Einleitung und Schluss. Aus der Einleitung geht hervor, dass die Autorin den Schwerpunkt auf die Ereignisse des alltäglichen Lebens unter den Kriegs- und Besatzungsbedingungen legt, die sie mittels der Heranziehung von Frontberichten zu einem allgemeinen Bild der Besatzung und der Beherrschung der Ostgebiete durch die deutsche Zivilverwaltung und der damit zusammenhängenden Lösung von neuen Informationsaufgaben formt. Ein Verdienst der Autorin besteht in der umfassenden Nutzung der verfügbaren Quellen. Eines der Hauptprobleme besteht in der Analyse der Schwierigkeiten, die infolge der nicht geplanten fortgesetzten Kämpfe der Wehrmacht an der Ostfront und der damit zusammenhängenden Veränderung der deutschen Politik in den besetzten Gebieten auftraten. Dabei spielt die deutsche Gewaltpolitik eine zentrale Rolle.
Im zweiten Kapitel führt die Verfasserin den Leser in den allgemeinen Kontext ein, zeigt die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen das Deutsche Reich die Innen- und Außenpolitik umsetzte, worauf das Regime das gesamte Potenzial der staatlich gelenkten Presse und der Propaganda ausrichtete, die eine große Zahl journalistischer Produkte einbezog. Das Zentrum dieser Politik war indes das Verlagshaus der NSDAP selbst.
Im dritten und vierten Kapitel macht die Autorin den Leser mit den Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Entstehung einer neuen Form der nationalsozialistischen Presse, nämlich derjenigen in den besetzten Gebieten bekannt und veranschaulicht diese insbesondere am Beispiel der "Minsker Zeitung" als eines integralen Teils in der "Familie" der Besatzungszeitungen (80). Die neuen deutschen Presseerzeugnisse wurden von den Lesern als Quelle für zuverlässige Informationen betrachtet und dienten zugleich der Schaffung einer "Brücke zur Heimat" (83). Wie Burmistr bemerkt, bemühten sich die Journalisten, die Rechtmäßigkeit von Kriegsverbrechen und die terroristischen Maßnahmen in den besetzten Gebieten zu legitimieren. Im Weiteren untersucht die Autorin die Entstehungsgeschichte, die Struktur des Minsker Verlags und die Arbeit der Druckerei der "Minsker Zeitung". Die Autorin macht die wichtige Feststellung, dass die konkreten Fakten der Verfolgung, der Gewalt, die Schaffung des Ghettos sowie dessen Liquidation, die Vernichtung der belarussischen und der hierhin deportierten ausländischen Juden keineswegs zu den bedeutsamen Themen der Berichterstattung gehörten.
Im fünften Kapitel untersucht die Autorin den Grad der Abhängigkeit zwischen dem Inhalt der Tageszeitung und den Leserzielgruppen. Ein breites Spektrum an Themen erforderte die Suche nach geeigneten Mitteln und Wegen, um es von allen Seiten beleuchten zu können, aber der Mangel an Fachjournalisten in der Redaktion sowie der politische Rahmen für die Publikation erlaubten es nicht immer, dies vollständig zu realisieren. Zudem mussten die Journalisten oft mit anderen Instanzen des Generalkommissars Kube zusammenarbeiten, und etwa auch bei der Gründung des Propagandaamtes Minsk Aufträge übernehmen, die ausschließlich auf nationalsozialistische Politik, Ideologie und Propaganda hinausliefen.
Im zentralen sechsten Kapitel zeigt Burmistr die Schwierigkeiten auf, die die Herausgeber und Journalisten der "Minsker Zeitung" bei der Darstellung von Themen des Alltagslebens ständig zu überwinden hatten, insbesondere angesichts der wachsenden Probleme und Widersprüche, die an der Ostfront zunehmend auftraten und bestimmte Veränderungen bei der Darstellung der Besatzung vor Ort verlangten. Die Journalisten gingen bei ihren Schilderungen von Krieg und deutscher Besatzung in Europa von der Idee der Legitimierung dessen aus und bemühten sich um die Schaffung eines entsprechenden Zukunftsbildes. Die Zeitung propagierte den Mythos, dass Opferbereitschaft, Entschlossenheit und die Bereitschaft eines jeden, alle Aufgaben auszuführen, die von der Führung gestellt werden, letztlich zur Erringung des lang ersehnten Sieges führen würden.
Dem stellt die Autorin ein realistisches Bild entgegen und zeigt auf, was unter deutscher Besatzung in Belarus geschah. So hatten die Journalisten in Bezug auf Juden nur einen einzigen Ansatz: Sie stellten sie als Feinde der menschlichen Gesellschaft dar. Nur in allgemeinen Kontexten oder nebenbei wurden Gewaltmaßnahmen gegen Zivilisten, Partisanen, örtliche Arbeiter usw. erwähnt. Dabei wurde das weißrussische Volk als ein "unbekanntes europäisches Volk" präsentiert: Lange habe es unter der sowjetischen Unterdrückung gelebt, und seine einzige Rettung sei die Errichtung der deutschen Herrschaft und Befreiung von der Unterdrückung des bolschewistischen Regimes gewesen. Über die dramatischen Folgen der Aktionen der deutschen Besatzer gegen die Partisanen, bei denen die weißrussische Zivilbevölkerung massenhaft zum Opfer wurde, findet sich nichts. Es gab in der Zeitung keine einzige Meldung dazu.
Unter den Themen, die sehr begrenzt auf den Seiten der "Minsker Zeitung" Erwähnung finden, waren die Probleme des täglichen Lebens der Zivilbevölkerung, wie jene der Beschäftigung, Misswirtschaft, der religiösen Orientierungen der Weißrussen oder Fragen des Gesundheitswesens. Wie die Verfasserin bemerkt, wurden lokale Probleme nicht ausführlich, sondern meist nur fragmentarisch in der Zeitung dargestellt, während die Versuche der Weißrussen, unter deutscher Aufsicht eigene Organisationen zu schaffen, auf das Interesse der Journalisten stießen und sich in vielen Artikeln widerspiegelten.
Am Ende versucht Burmistr die "Minsker Zeitung" unter den anderen Besatzungszeitungen zu verorten, die in 14 verschiedenen Ländern West- und Osteuropas erschienen. Diese waren nicht nur eine neue Form der Kommunikation im medialen Raum, sondern auch ein wichtiges Instrument für die Propaganda des Nationalsozialismus. Auf die lokale Bevölkerung machte es aber laut einer Aussage des Zeitzeugen N.M. Nikolsky, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der BSSR, einen eher negativen Eindruck (334).
Die Verfasserin selbst stuft ihre Studie nicht als vollständige Aufarbeitung der Thematik ein, sondern nur als neuen Impuls für die weitere Erforschung des Themas. Man kann sich damit voll und ganz einverstanden erklären, vor allem angesichts der dringenden Notwendigkeit einer vergleichenden Analyse der Geschichte der umfassenden Reflexion der Ereignisse des Alltags einerseits und andererseits angesichts der 16 anderen Besatzungszeitungen in Minsk und Weißrussland, deren tägliche Gesamtauflage die der "Minsker Zeitung" fast um das Vierfache übertraf.
Was die Autorin angeht, so kann man sie mit Recht als die führende deutschen Expertin für die Besatzungspresse in Minsk bezeichnen, während die weißrussischen Historiker wieder einmal eine Möglichkeit verpasst haben, eine der wenig erforschten Seiten der Kriegsgeschichte wissenschaftlich zu ergründen, nämlich die mehr als zweijährige Tätigkeit der Minsker Zeitung.
Anmerkungen:
[1] Rolf-Dieter Müller / Gerd R. Ueberschär: Hitlers Krieg im Osten 1941-1945. Ein Forschungsbericht, Darmstadt 2000.
[2] Babette Quinkert: Propaganda und Terror in Weißrussland 1941-1944. Die deutsche "geistige" Kriegführung gegen Zivilbevölkerung und Partisanen, Paderborn u.a. 2009.
Siarhei Novikau