Matthias Pohlig / Michael Schaich (eds.): The War of the Spanish Succession. New Perspectives (= Studies of the German Historical Institute London), Oxford: Oxford University Press 2018, X + 509 S., 8 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-881112-1, GBP 85,00
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Der Spanische Erbfolgekrieg ist, wie Andreas Gestrich in seinem Vorwort ausführt, ein "highly important but strangely neglected early modern war" (V). Umso erfreulicher ist, dass aus einer Konferenz am Deutschen Historischen Institut London im Jahr 2012 nun dieser stattliche Sammelband hervorgegangen ist. Die vier Sektionen, die aktuelle Entwicklungen bei der Erforschung frühneuzeitlicher Kriege und Außenbeziehungen widerspiegeln, werden von den Herausgebern in ihrer Einleitung begründet und vorgestellt. Nützlich ist auch der Forschungsbericht von Hamish Scott, der vor allem die einschlägige englischsprachige Literatur flächendeckend erfasst.
Die erste Sektion, "Redefining Diplomacy and Politics", beginnt mit einem programmatischen Aufsatz Hillard von Thiessens, in dem er in sieben Thesen die sich wandelnden Außenbeziehungen am Beginn des 18. Jahrhunderts skizziert: Da bis zum Ende des Ancien Régime der Hof ein wichtiges Tätigkeitsfeld von Diplomaten blieb, waren auch im 18. Jahrhundert Adlige für diese Aufgabe besonders qualifiziert. Während Gesandtenposten für diese meist nur eine Durchgangsstation in ihrer Laufbahn blieben und demzufolge ihr Professionalisierungsgrad gering war, schritt in den niederen Rängen und in den Ministerien die Professionalisierung deutlicher voran. Die Diplomatie begann sich auf offizielle Kanäle zu konzentrieren, während informelle Beziehungen zunehmend "informal actors at court" (81) überlassen blieben. Guillaume Hanotin zeigt, wie wichtig der Handel für Frankreich war, um finanzielle Ressourcen zu sichern, die im Krieg dringend gebraucht wurden. Daher gewannen Handelsfragen einen wachsenden Stellenwert in der Außenpolitik Ludwigs XIV. Leonhard Horowski verfolgt die in der Regel vergeblichen Bestrebungen französischer Adliger, eine souveräne Herrschaft zu erlangen. Dass diese Bemühungen selbst dann fortgesetzt wurden, wenn ihr Misserfolg absehbar war, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie auch - und oft in erster Linie - auf eine Statusverbesserung innerhalb der französischen Aristokratie abzielten. Christopher Storrs behandelt die Positionen der italienischen Fürsten und Republiken im Erbfolgekrieg. Dabei geht er auch auf die Erneuerung Reichsitaliens und die Widerstände dagegen ein. Susanne Friedrich zeigt, dass es Leopold I. mit unfreiwilliger Unterstützung Ludwigs XIV. gelungen sei, den Krieg um das spanische Erbe in einen - erneuten - Verteidigungskrieg gegen ein expansives Frankreich umzudeuten, sodass das Reich Frankreich schließlich den Krieg erklärte, obwohl die spanische Erbfolgefrage ein Problem war, das zwar den Kaiser, nicht aber das Reich als solches betraf.
Die zweite, kürzeste Sektion steht unter der Überschrift "Integrating the Culture of Representation". Andrew C. Thompson untersucht gedruckte britische Predigten mit politischem Gehalt, denn "the sermon culture of the early eighteenth century was important in instilling ideas of community and creating a sense of reciprocal rights and obligations" (201). Mark Hengerer widmet sich den habsburgischen "Politics of Representation". Er zeigt, wie eine unterschiedlich aufwändige Weise, ein Tedeum zu feiern, dazu diente, den Stellenwert eines militärischen Sieges einzustufen, behandelt diverse "ceremonial occasions" (219), wie die Ausrufung "Karls III." zum König von Spanien, und widmet sich Objekten, wie Drucken und Medaillen. Mit seiner differenzierten Repräsentationspolitik sei es dem Kaiserhof gelungen, seine Interpretation des Erbfolgekriegs als eines gerechten Kriegs zur Verteidigung anerkannter Rechte dem Publikum zu vermitteln. Michael Schaich folgt in seinem Beitrag dem Material Turn, wenn er Standarten und Farben bzw. die damit verknüpften Praktiken ins Zentrum stellt, um den "growing cult of the martial in Britain" (263) zu belegen.
Die meisten Beiträge der dritten Sektion behandeln, wie deren Titel "The Sinews of War Reconsidered" erwarten lässt, die Kriegsfinanzierung. Zunächst widmet sich Peter H. Wilson der Kriegsfinanzierung im Heiligen Römischen Reich. Er beziffert die Höhe der entstandenen Kosten, behandelt die Verteilung der finanziellen Lasten auf die Reichsstände und erforscht, mit welchen Mitteln und Wegen diese versuchten, an das benötigte Geld heranzukommen. Der Krieg habe "the overarching imperial framework" (296) gestärkt und, wie schon die ältere Forschung betont hat, zugleich die Entwicklung der Finanzpolitik und der Verwaltung in den größeren und mittleren Fürstentümern gefördert. Wilson betont, dass Kriegslasten nicht nur als objektive Zahlen zu fassen seien. Vielmehr könne man von einer Konstruktion von Kriegslasten sprechen, insofern deren Wahrnehmung unabhängig von der tatsächlichen Höhe variieren konnte. Im Reich sei es insgesamt durchaus geglückt, die Notwendigkeit der Zahlungen zu vermitteln. Aaron Graham behandelt einen speziellen Aspekt der Finanzgeschichte des Erbfolgekriegs, indem er die Darlehen für den Kaiser von 1706 und 1710 in die Geschichte der britischen "Financial Revolution" einordnet. Guy Rowlands gibt einen Überblick über die vielfältigen, letztlich durchaus erfolgreichen Bemühungen der französischen Beamten und Offiziere, das für die Kriegführung erforderliche Geld bereitzustellen. Einem anderen Bereich der "Sinews of War" widmet sich abschließend Matthias Pohlig. Anhand der Bemühungen, die Postverbindung zwischen England und den Niederlanden zu gewährleisten, schildert er die erhebliche Bedeutung einer funktionierenden Informationsinfrastruktur, die Probleme, die sich hier stellten, und die Problemlösungsansätze, die staatliche und private Akteure, häufig in Kooperation, verfolgten.
Angesichts aktueller Forschungstrends ist die umfangreichste Sektion des Bandes nicht zufällig der globalen Dimension des Spanischen Erbfolgekriegs gewidmet. Mit der Formulierung "Bringing the Global Back In" vertreten die Herausgeber die These, dass die Akteure des Spanischen Erbfolgekriegs den außereuropäischen Angelegenheiten weit größeren Stellenwert beigemessen hätten, als die Geschichtswissenschaft lange Zeit wahrhaben wollte, und dass es an der Zeit sei, diesen blinden Fleck zu beseitigen (vgl. 21f.). Marian Füssel verortet den Spanischen Erbfolgekrieg im Kontext der globalen Kriege des 18. Jahrhunderts und untersucht globale Verflechtungen, asymmetrische Gewaltkulturen und Repräsentationen der globalen Dimension des Krieges. Allerdings sei der globale Charakter noch weniger stark ausgeprägt gewesen als später beim Österreichischen Erbfolgekrieg oder beim Siebenjährigen Krieg. Im Beitrag von José Manuel Santos Pérez steht zum ersten Mal das Spanische Reich selbst im Fokus. Er behandelt die Veränderungen im Kolonialhandel infolge des Krieges, die Ausweitung des Ämterhandels in den amerikanischen Kolonien und schließlich die Herausforderung für die bourbonische Regierung, dass es auch in den Kolonien Anhänger und sogar Konspirationen zugunsten des habsburgischen Prätendenten gab. Einige thematische Überschneidungen ergeben sich zum Aufsatz von Aaron A. Olivas. Dieser lotet zunächst die globale Dimension der Kampfhandlungen aus und geht anschließend ausführlicher auf die Loyalitätskonflikte in den amerikanischen und philippinischen Besitzungen Spaniens ein. Dass in den Kolonien die Anerkennung der Thronfolge Philipps V. nicht ernsthaft gefährdet war, führt er auch auf die bourbonische Herrschaftsrepräsentation und auf den Aufbau eines Klientennetzwerks in Spanisch-Amerika durch die französische Guineakompanie zurück. Leopold Auer zeigt, dass österreichische Akteure im Vorfeld des Erbfolgekriegs am spanischen Kolonialreich eher geringes Interesse hatten. Erst Karl VI. lernte in seiner Zeit als spanischer Thronprätendent "Karl III." den Wert der Kolonien schätzen. Nachdem John B. Hattendorf einen Überblick über die Kampfhandlungen in Nordamerika gegeben hat, wirft William A. Pettigrew abschließend einen Blick auf die Auswirkungen des Erbfolgekriegs auf das "arrangement of trade" im Britischen Reich, und dabei nicht zuletzt auf den Sklavenhandel.
Der Band wird abgerundet durch einen Index, der neben Personen und Orten auch ausgewählte Sachbetreffe berücksichtigt. Das Ziel, neue Perspektiven auf den Spanischen Erbfolgekrieg zu eröffnen, hat der Band fraglos erreicht. Dabei setzt er deutliche Akzente. Dem Genius Loci und dem Teilnehmerkreis ist geschuldet, dass in den Sektionen II-IV britische Perspektiven und Dimensionen besonders starke Berücksichtigung finden, wohl auch, dass in einigen Beiträgen die nicht englischsprachige Literatur nur selektiv berücksichtigt wird. Alles in allem ist aber festzuhalten, dass der sorgfältig redigierte Band wichtige neue Erkenntnisse zum Spanischen Erbfolgekrieg liefert und mögliche Wege zu seiner weiteren Erforschung zeichnet.
Matthias Schnettger