François Locuratolo: Guerre et politique au XVIIIe siècle. Adrien Maurice de Noailles (1678-1766): soldat et homme d'Etat (= Chemins de la Mémoire), Paris: L'Harmattan 2016, 268 S., ISBN 978-2-343-08244-8, EUR 28,00
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Adrien Maurice, Herzog von Noailles und Graf von Ayen (1678-1766), ist eines der zahlreichen 'Opfer' des Herzogs von Saint-Simon, der ihn in seinen Memoiren in einem nicht besonders guten Licht dargestellt hat. Der Erfolg der lebhaften Schilderungen des Versailler Hofes, der nicht zuletzt der bösen Zunge Saint-Simons zu verdanken ist, schädigte den Ruf Noailles' dauerhaft: Bis heute ist er uns vor allem als mittelmäßiger Offizier und vor allem als Verantwortlicher für das Debakel in der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 im Österreichischen Erbfolgekrieg bekannt. Überhaupt haben sich nur wenige Autoren für diesen Marschall der französischen Armee im 18. Jahrhundert interessiert. Aus diesem Grund war es längst Zeit, dass ihm eine historisch fundierte Studie gewidmet wird, und schon deshalb ist die Publikation der Abschlussarbeit des jungen Historikers François Locuratolo erstmal zu begrüßen. Sein größtes Verdienst ist, uns ein vielfältiges Bild dieser historischen Persönlichkeit zu präsentieren, die über 60 Jahre lang sowohl als hoher Offizier, aber auch als politisch aktiver Staatsmann der französischen Krone gedient hat. Illustriert wird diese Kombination der Funktionen durch die schöne Formulierung "la plume et le sabre" ("die Feder und der Säbel") (36). Das Buch ist also keine Biographie, sondern eine Analyse der Verflechtungen zwischen dem Militär und der Politik im Laufe von Noailles' Karriere. Im Sinne einer Sozial- und Kulturgeschichte der Armee, wie André Corvisier sie verstand, zeigt Locuratolo, durch welche Wege und Mittel es Noailles gelungen ist, beide Bereiche zu bewältigen. Seine Karriere illustriert - weit entfernt von den herablassenden und gehässigen Pointen Saint-Simons - den gesellschaftlichen Aufstieg eines Mannes und seiner Familie. Die erste Voraussetzung dafür war im Ancien Régime die hohe Geburt. Als nächstes musste man eine gute Partie heiraten, die im besten Fall kulturelles, soziales und ökonomisches Kapital und somit Aufstiegschancen mit sich brachte. Dazu musste man noch über einflussreiche Netzwerke, mächtige Förderer und zuverlässige Allianzen verfügen und im Fall einer angestrebten Karriere in höchsten Staatssphären sich als geschickt, tapfer, loyal erweisen und seinem Monarchen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Über all diese Zutaten verfügte die Familie Noailles und insbesondere Adrien Maurice, der sie noch dazu zu seinen Gunsten zu nutzen wusste. Seine Karriere ist deshalb beinahe idealtypisch für die mögliche Laufbahn eines ehrgeizigen hohen Offiziers aus dem herkömmlichen Schwertadel am Versailler Hof. Seine Ehe mit Françoise Charlotte Amable d'Aubigné, einer Nichte von Madame de Maintenon, der morganatischen Gattin Ludwigs XIV., im Jahr 1698 führte ihn in die unmittelbare Nähe des Königs; diese Nähe wusste er mit Geschick zu nutzen, um sich später auch unter dem "Régent" (Philippe II. von Bourbon, Herzog von Orléans) und Ludwig XV. als Ratgeber in politischen und militärischen Fragen unentbehrlich zu machen. Somit stehen im Vordergrund des Buches die Wechselwirkungen zwischen Militär und Politik, zwischen Krieg und Frieden.
Aus diesen Gründen freut man sich auf die Lektüre des Buches, auch wenn die Erwartungen nicht ganz erfüllt werden. Zwar ist es dem Autor gelungen, seinen Protagonisten in ein besseres Licht zu rücken, und seine Verdienste in der Armee, die ihm 1734 die Ernennung zum Marschall einbrachten, als Président du conseil des finances ab 1715, als Staatsminister von 1743 bis 1756, als geschäftsführender Staatssekretär im Auswärtigen Amt 1744 hervorzuheben, dennoch erweist sich die Lektüre an manchen Stellen als mühsam. Dies liegt sowohl an der Gliederung des Buches als auch am Schreibstil des Autors. Zur Problematik müssen wir als positiv betonen, dass der Autor die komplexen Wechselwirkungen der vielfältigen, miteinander verflochtenen Tätigkeiten Noailles' zu entschlüsseln beabsichtigt. Hierfür wird in Noailles' Laufbahn vor allem zwischen den Perioden unterschieden, in denen er zeitgleich als Soldat und Staatsmann Ratschläge zu liefern, Gutachten zu verfassen und Entscheidungen zu treffen hatte, und anderen Lebensabschnitten, in denen er seine vielfältigen Funktionen getrennt voneinander zu gewährleisten hatte. Locuratolos Darstellung ist dabei relativ überzeugend, aber die Gliederung der Arbeit insgesamt führt zur ständigen Wiederholung seiner eingangs formulierten These, und zwar der Verquickung des Militärischen mit dem Politischen in der Laufbahn Noailles', die dessen "polymorphen" Stil geprägt hat (233).
Außerdem - und das ist die zweite Kritik - wäre der Autor besser beraten gewesen, einen weniger prätentiösen Schreibstil zu verwendet (siehe unter anderem den Schlusssatz des Buches). Aber abgesehen davon sind die Herangehensweise und die Befunde innovativ und liefern neue Kenntnisse zu Noailles und seiner Lebenswelt. Somit verankert sich Locuratolos Studie in dem Forschungsbereich, der sich der Analyse der Verknüpfungen zwischen dem Militär und anderen Gesellschaftsbereichen widmet und der seit einigen Jahrzehnten ein innovatives Untersuchungsgebiet darstellt, wie die neuen Studien der "Neuen Militärgeschichte" und insbesondere jene des Arbeitskreises "Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit" in Deutschland sowie die bahnbrechenden Arbeiten zur "militärischen Aufklärung" unter anderem von Hervé Drévillon, Arnaud Guinier in Frankreich und von Christy Pichichero in den Vereinigten Staaten es bezeugen. Auch wenn man sich eine stringentere, konzisere Argumentation hätte wünschen können, ist diese Studie über den zweiten Marschall der Familie Noailles zu begrüßen, denn sie erfüllt ein Forschungsdesiderat, dessen Ursprünge sich auf die Widersacher und Konkurrenten dieser erfolgreichen Familie zurückführen lässt.
Isabelle Deflers