Roman Czaja / Andrzej Radzimiński (eds.): The Teutonic Order in Prussia and Livonia. The Political and Ecclesiastical Structures 13th-16th Century, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, 422 S., ISBN 978-3-412-50517-2, EUR 55,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Das Renommee des Forschungsstandortes Toruń im Bereich der Geschichte des Deutschen Ordens, dokumentiert nicht zuletzt durch die Schriftenreihe Ordines Militares und das aus ihr hervorgegangene gleichnamige Jahrbuch, ist unbestritten. Dementsprechend ist die Intention, 2000-2013 an der Nikolaus-Kopernikus-Universität und der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Toruń in polnischer Sprache publizierte Forschungen (10) zu überarbeiten und in einem englischen Sammelband zu veröffentlichen, um sie dadurch der internationalen Forschung zugänglich zu machen, uneingeschränkt zu begrüßen. Wenngleich der Klappentext eine eher eklektische Sammlung von Essays erwarten lässt, legen die beiden Herausgeber Roman Czaja und Andrzej Radzimiński eine schlüssige Gesamtdarstellung der säkularen und kirchlichen Strukturen in Preußen und Livland vor: Jedem der beiden Länder ist eine Sektion des Buches gewidmet, die jeweils identisch aufgebaut sind. Die einzelnen Beiträge - sechs zu Preußen, fünf zu Livland - schreiten konsequent von großräumigen zu kleinräumigen Betrachtungen fort. Die beiden Sektionen beginnen mit je einem Beitrag zur Landesherrschaft des Deutschen Ordens in Preußen und Livland und widmen sich dabei auch der zentralen Frage, ob und wie der Orden in den beiden Territorien zum Träger mittelalterlicher Staatlichkeit wurde. Die folgenden Beiträge setzen sich in beiden Fällen mit der administrativen Gliederung der Ordensherrschaft, mit Burgen und Befestigungsanlagen, mit Städten im Gebiet des Ordens sowie mit den kirchlichen Strukturen in den jeweiligen Ländern auseinander. Von vielen anderen Sammelbänden, in denen sich die einzelnen Beiträge mehr am Forschungsinteresse der Autorinnen und Autoren als an einer gesamtinhaltlichen Konzeption orientieren, hebt sich das Buch durch seine klare und effektive Struktur sehr positiv ab.
Ebenso überzeugend ist die Sachkenntnis der Autoren, die sich nicht mit groben Konturen begnügen, sondern ihren jeweiligen Themen bis hin zu Detailfragen und lokalen Fallstudien nachgehen. Zahlreiche Illustrationen - vor allem Grundrisspläne und Rekonstruktionen der Bauwerke des Ordens sowie Fotos ihres aktuellen Zustandes - und exzellentes Kartenmaterial lassen den Band nicht nur optisch ansprechend erscheinen, sondern bieten sich auch für den universitären Unterricht an. Abgerundet wird der Band durch ausführliche Listen der Würdenträger des Ordens in Preußen und Livland sowie der Erzbischöfe, Bischöfe und bischöflichen Vogte der beiden Länder, die von Bernhart Jähnig, Klaus Militzer und Radzimiński zusammengestellt wurden.
Das Potenzial, zu einem Standardwerk oder zumindest zu einer wichtigen Referenz für die Verwaltungsgeschichte des Deutschen Ordens zu avancieren, kann man dem Sammelband nicht absprechen. Umso bedauerlicher ist die unverständliche Entscheidung der Herausgeber, mit Ausnahme der kurzen Einleitung auf jegliche Literaturverweise in Fußnoten zu verzichten. Zwar verfügt jeder Beitrag am Schluss über eine kurze Bibliografie, aber auch dabei werden grundlegende Regeln der Wissenschaftlichkeit außer Acht gelassen - wenn nämlich die Forschungsergebnisse und Standpunkte von Wissenschaftlern im Text diskutiert werden, ohne dass die Werke der genannten Personen im Literaturverzeichnis aufscheinen (dies geschieht zum Beispiel mit Manfred Hellmann auf Seite 19, mit Dieter Wojtecki auf Seite 49, mit Heinz Lingenberg und Józef Spors auf Seite 85, um nur einige wenige Beispiele zu nennen). Selbst wörtliche Quellenzitate (111) werden den Leserinnen und Lesern präsentiert, ohne dass die Editionen, geschweige denn Seitenangaben, angeführt werden. Ausgewiesene Spezialisten der Ordensgeschichte werden sich dennoch zurechtfinden können und vermutlich erahnen, auf welche Publikationen Bezug genommen wird. Für ein breiteres Publikum ist der Sammelband aber kaum verwendbar, da das eigentlich selbstverständliche Kriterium der Nachprüfbarkeit wissenschaftlicher Aussagen nicht gegeben ist.
Somit drängt sich die Frage auf, welches Genre geschichtswissenschaftlichen Schrifttums die Herausgeber im Auge hatten. Bei einem Handbuch oder Lehrbuch wäre das Fehlen der Fußnoten kein Problem - sich auf eine abschließende Bibliografie zu beschränken, ist bei einführenden Büchern ja üblich. (Explizit genannte Forscher sollten sich aber auch in solch einem Fall im Literaturverzeichnis wiederfinden.) Aber der vorliegende Band ist eben keine schlichte Einführung, sondern besteht aus detaillierten Studien, die leider durch die Missachtung banaler Regeln geschichtswissenschaftlichen Arbeitens entwertet werden. Es hätte nur eines geringen Aufwandes bedurft, den Band mit adäquaten Literaturverweisen auszustatten und so der imponierenden Sachkenntnis der Verfasser und der guten inhaltlichen Struktur gerecht werden zu lassen.
Stefan Donecker