Jeff Eden: Slavery and Empire in Central Asia (= Cambridge Studies in Islamic Civilization), Cambridge: Cambridge University Press 2018, VIII + 227 S., eine Kt., ISBN 978-1-108-47051-3, GBP 75,00
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Cameron Sutt: Slavery in Árpád-era Hungary in a Comparative Context, Leiden / Boston: Brill 2015
Behnaz A. Mirzai: A History of Slavery and Emancipation in Iran, 1800-1929, Austin: University of Texas Press 2017
Peter Hunt: Ancient Greek and Roman Slavery, Hoboken, NJ: Wiley-Blackwell 2018
Géza Dávid / Pál Foder (eds.): Ransom Slavery Along the Ottoman Borders. Early Fifteenth - Early Eighteenth Centuries, Leiden / Boston: Brill 2007
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Aleksandr Vladimirovič Pačkalov: Zolotaja orda po dannym numizmatičeskich istočnikov. [Die Goldene Horde im Spiegel der numismatischen Quellen], Moskva: Knorus 2018
In seiner Dissertation setzt sich Jeff Eden mit verschiedenen Aspekten der Sklaverei in Zentralasien zwischen 1750 und 1873 auseinander. Im Mittelpunkt stehen dabei das Emirat von Buchara, das Khanat von Chiwa (Khwarazm) und die anliegenden Grenzregionen der kasachischen Steppe und des persischen Chorasans. Es geht um den interkontinentalen Sklavenhandel und die Rolle des Russischen Reichs bei der Abschaffung jenes Handels. Dabei stehen jedoch weder die politische Geschichte Zentralasiens, noch die Geschichte diplomatischer Auseinandersetzungen während des Great Game im Vordergrund.
Der Autor verfolgt ambitionierte Ziele: "First, drawing on slaves' testimonials as well as eye-witness accounts and official sources, I challenge the historiographical consensus that Russian military force ended the slave trade and show how Russian efforts toward fostering abolition often had ulterior motives as well as wildly mixed results. Second, I argue that slaves influenced the nature of their captivity through their own initiatives and ingenuity, and I show how slaves in the khanate of Khwarazm launched an uprising, little-known even among historians of Central Asia, which served as the catalyst for abolition on the region as a whole." (2) In seiner Abhandlung analysiert Jeff Eden verschiedene Textgattungen - von Reiseberichten von russischen und britischen Kolonialbeamten bis zu offiziell aufgezeichneten Zeugnissen von russischen, persischen und kasachischen Sklaven. Damit versucht der Autor Perspektiven der englisch-, persisch- und russischsprachigen Quellen gleichermaßen zu berücksichtigen. Mit seiner Untersuchung will der Autor Folgendes zeigen: "Russian abolitionism in Central Asia is a myth. [...] the most important force behind the liberation of Central Asia's slaves was the slaves themselves..." (5)
Die sieben Kapitel der Monographie behandeln einzelne Aspekte des zentralasiatischen Sklavenhandels und verschiedene Bestrebungen, ihn abzuschaffen. Beispiele sind etwa der dezentrale Charakter der translokalen Netzwerke der Sklavenhändler; die Lebenswelten von Sklaven in Buchara und Chiwa sowie unter kasachischen und turkmenischen Nomaden; persische und russische diplomatische Bestrebungen versklavte Untertanen zu befreien und russische Politik, um die Sklaverei in der kasachischen Steppe und in Zentralasien abzuschaffen.
Im Folgenden werden die Argumentationslinien zu den ausgewählten zentralen Themengebieten kritisch dargestellt. Im zweiten Kapitel analysiert der Autor überzeugend die lokalen Netzwerke nomadischer Broker, die den dezentralen Charakter des zentralasiatischen Sklavenhandels bedingten. Da er zum größten Teil außerhalb der städtischen Sklavenmärkte stattfand, war er schwer zu kontrollieren und zu beeinflussen. Seltsamerweise erklärt Jeff Eden die nach der russischen Annexion proklamierte Abschaffung der Sklaverei und das Verbot des Sklavenhandels für einen Mythos, nur weil der Sklavenhandel im Verborgenen weiterging. Dabei scheint der Autor den prozesshaften Charakter jeder Transformation von lokalen sozialen Ordnungen zu unterschätzen. Die dezentral agierenden Sklavenhandelsnetzwerke verlangsamten den Prozess. Ferner argumentiert der Autor, dass (1) es keine Patrouillen auf den zentralasiatischen Sklavenmärkten gab und (2) die Freilassung der Sklaven durch islamische Richter bestätigt wurde. Daraus schlussfolgert Eden, dass das Russische Reich mehr an der territorialen Expansion als der tatsächlichen Umsetzung der Abolition interessiert war. Leider lässt der Autor eine wichtige Tatsache außer Acht: Weder das Emirat von Buchara, noch das Khanat von Chiwa wurden ins Russische Reich vollständig eingegliedert und unterlagen dem imperialen Recht. Gemäß den Friedensverträgen von 1868 und 1873 wurden sie jeweils zu Protektoratsstaaten. Aus diesem Grund erfolgte die lokale Rechtsprechung und Umsetzung der innerpolitischen Transformationen nach traditionellen Mustern.
Besonders hervorzuheben sind Kapitel drei und vier. Sie geben Einsichten in die Lebenswelten der zentralasiatischen Sklaven: Mīrzā Maḥmūd Taqī Āštiyānī schilderte seine Erfahrungen und Erlebnisse während seiner zehnjährigen Zeit als Sklave in Buchara. Im nächsten Kapitel rekonstruiert Eden vielfältige Tätigkeitsbereiche und Lebensbedingungen der Sklaven bei sesshaften Khanatsbewohnern und unter Nomaden. Damit leistet er einen schwer zu unterschätzenden Beitrag zur Analyse asymmetrischer sozialer Abhängigkeiten in der Region. Die Einbeziehung von persischen narrativen Quellen bereichert die Analyse, denn diese Perspektive ist in der Forschung bisher nicht berücksichtigt worden.
Im fünften Kapitel verspricht der Autor das imperiale Projekt zur Freilassung der Sklaven in den kasachischen Grenzgebieten und in der Steppe zu analysieren. Zudem will er abolitionistische Konzepte hinterfragen, die möglicherweise diesem Unternehmen zugrunde lagen. Leider bringt Eden in seiner Argumentation einige wesentliche Aspekte durcheinander, zum Beispiel den Umgang mit fremdstämmigen Migranten an der russisch-kasachischen Grenze im 18. Jahrhundert und die Abschaffung der Sklaverei in den annektierten kasachischen Gebieten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu Recht findet er in der imperialen Migrationspolitik in den südlichen Grenzgebieten im 18. Jahrhundert keine abolitionistischen Bestrebungen, denn diese Konzepte waren zu dem Zeitpunkt für die russische Politik nicht ausschlaggebend und schließlich erfolgte die Abschaffung der Leibeigenschaft in ganz Russland erst im Jahr 1861. Ebenso verwundert der polemische Kapiteltitel "From Slaves to Serfs". Diese Praxis betraf nur die geflohenen russischen Leibeigenen, die nach ihrer Rückkehr ins Russische Reich ihren ursprünglichen Rechtsstatus und sozialen Status bekamen. Die Archivdokumente enthalten keine Hinweise darauf, dass die getauften fremdstämmigen Flüchtlinge aus der Steppe automatisch dem Stand der Leibeigenen zugeschrieben wurden. Leider ist die eigentliche Analyse der Transformation von Formen starker sozialer Abhängigkeiten nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei in den annektierten kasachischen Gebieten zu kurz und oberflächlich ausgefallen. Dieser spannende Themenkomplex sowie die 'Adaptation' der Kinder aus den verarmten kasachischen Familien sollte mehr Beachtung in der historischen Forschung finden.
Interaktionen zwischen imperialen Akteuren und lokalen Mittelsmännern stellt Eden im sechsten Kapitel dar. Dabei werden nicht nur die Funktionen der lokalen Akteure in imperialen Netzwerken, sondern auch die von ihnen ausgehandelten Freiräume geschildert. Wenn man die offensichtliche Voreingenommenheit des Autors gegenüber der Tätigkeit der imperialen Grenzkommission ignoriert, bietet das Kapitel eine gute Übersicht über die Formen translokaler Kooperationen in der kasachischen Steppe und unter Turkmenen.
Im abschließenden Kapitel versucht der Autor mit dem Mythos des russischen Abolitionismus in Zentralasien aufzuräumen und zu beweisen, "that the slaves of Khwarazm by freeing themselves through courageous rebellion, provoked the abolition of slavery throughout the region" (209). Russisches Desinteresse an der Abolition begründet Eden damit, dass es keinen durchdachten und konsequent ausgeführten Plan zur Abschaffung der Sklaverei in Buchara und Khwarazm gab. Die Tatsache, dass sowohl das Emirat von Buchara als auch das Khanat von Chiwa laut Friedensabkommen von 1868 und 1873 als Protektorate ihre soziale und administrative Ordnung weitgehend beibehielten und nicht in den imperialen Rechtsraum integriert wurden, wird dabei erneut außer Acht gelassen. Nicht klar ist auch, warum der Aufstand choresmischer Sklaven, der laut Autor einen bedeutenden Impuls für die Emanzipation der Sklaven in der Region gab, erst nach dem Einmarsch russischer Truppen in Khwarazm und nicht viel früher erfolgte. Außerdem bleibt die Frage, inwiefern es sich dabei um eine emanzipatorische Bewegung und nicht um eine punktuelle Rebellion unter instabilen Machtverhältnissen handelt.
Abschließend lässt sich anmerken, dass die Fachkompetenz des Autors eindeutig im Bereich der Geschichte Zentralasiens liegt. Die Auswahl der persisch-sprachigen Quellen und ihre Analyse stellen eine überzeugende Stärke der Monographie dar. Die Expertise in der Osteuropäischen Geschichte und die Interpretation der russischen Quellen weisen stellenweise Schwächen und Unstimmigkeiten auf. In seinem Urteil über die imperiale Politik und Intentionen der russischen Beamten zeigt der Autor eine gewisse Voreingenommenheit, die viele Vermutungen, Mutmaßungen und Unterstellungen zulässt (46-47, 53-54, 131). Ein stets gleichbleibender Grad an Objektivität bei der kritischen Auswertung britischer, persischer und russischer Quellen wäre wünschenswert.
In seiner Dissertation liefert Jeff Eden eine hervorragende Analyse des interkontinentalen Sklavenhandels und der Lebenswelten der Sklaven in Zentralasien. Seine kontroversen und polemischen Thesen zum imperialen Abolitionismus hinterlassen viele offene Fragen, was durchaus positiv gewertet werden kann. Dies führt nämlich zu einer weiteren Diskussion über Semantiken und Praktiken der asymmetrischen sozialen Abhängigkeiten und der Transformation sozialer Ordnung nach der Abschaffung der Sklaverei in der Region.
Elena Smolarz