Marco Pratesi (a cura di): Historia Cinguli gloriose virginis Marie. Una storia del XIII secolo (= Quaderni di "Hagiographica"; 15), Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2018, LXIX + 91 S., ISBN 978-88-8450-876-8, EUR 32,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Peter von Moos (Hg.): Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2004
Michel Lauwers: Monastères et espace social. Genèse et transformation d'un système de lieux dans l'Occident médiéval, Turnhout: Brepols 2014
Evamaria Engel / Frank-Dietrich Jacob: Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006
Im Jahr 1141 soll ein gewisser Michele, ein Mann von bescheidener Herkunft, den Gürtel Unser Lieben Frau von Jerusalem nach Prato (Toskana), seiner Heimatstadt mitgebracht und dort bis zu seinem Tod in seinem Haus aufbewahrt haben. Rund zehn Jahre später habe er diesen Gürtel dann der Pfarrkirche San Stefano vermacht (ix).
Etwa zur gleichen Zeit tauchte in Prato eine Version des Transitus Mariae auf, dessen Verfasser sich als Joseph von Arimathäa vorstellt (Version A). Darin wird erstmals von dem Gürtel berichtet, den Maria während ihrer Schwangerschaft gewebt und nach ihrem Hinscheiden dem Apostel Thomas geschenkt haben soll, als Beweis für ihre leibliche Aufnahme in den Himmel (Assumptio). Ein paar Jahrzehnte später wurden die beiden 'Ereignisse' zu einer Geschichte zusammengefügt (x), zu eben jener Historia Cinguli gloriose Marie, deren kritische Edition Marco Pratesi vorbildlich in der Reihe der Quaderni di "Hagiographica" besorgt hat. Bei den Quaderni handelt es sich um eine 2000 ins Leben gerufene Editionsreihe, die sich auf die Aufbereitung und Verbreitung hagiografischer Glanzstücke aus dem mittelalterlichen Italien spezialisiert hat.
Ab 1279 gewann der Mariengürtel in Prato kommunale Bedeutung und päpstliche Privilegierung. Ein missglückter Reliquienraub verlieh dem Kult zu Beginn des 14. Jahrhunderts neuen Aufschwung und bewog die Stadt gegen Ende des Jahrhunderts dazu, zum Schutz der Reliquie eine Kapelle zu errichten (xi). In dieser Zeit begannen die ersten umgangssprachlichen Versionen der Historia Cinguli zu zirkulieren. 1428 beauftragte die Stadt Donatello (gest. 1466) und Michelozzo di Bartolomeo (gest. 1471) mit der Errichtung einer Kanzel an der Außenecke der Pfarrkirche. Sie war eigens dafür konzipiert, am Festtag die Sacra Cintola zu zeigen. 1452 begann Filippo Lippi (gest. um 1469) mit dem berühmten Freskenzyklus im Inneren der Kirche. Etwas jünger scheint die Tafel mit der Übergabe des Gürtels durch Maria an den Heiligen Thomas zu sein, die die Kunstgeschichte großteils Fra Diamante (gest. um 1498) zuschreibt, einem Mitarbeiter Lippis. Wie dem auch sei, in dieser Zeit entstand auf jeden Fall auch die älteste erhaltene Kopie der Historia Cinguli gloriose Marie, die heute in der Biblioteca Roncioniana in Prato aufbewahrt wird. Geschrieben hatte sie ein gewisser Bartolomeo Nerucci di San Gimignano, ein städtischer Grammatiklehrer und Dantekommentator (xvi-xxi). Die zweitälteste erhaltene Abschrift gehörte ursprünglich einem Martin von Stauffen, ein Adliger aus dem alemannischen Südwesten. Sie trägt das Datum 1457. Die Abschrift gelangte über die Zisterzienserabtei Barbeau nach der Revolution in die Gemeindebibliothek der nahegelegenen Stadt Melun (xxii-xxiv). Wie sie nach Barbeau kam bleibt indes ein Rätsel. Alle fünf erhaltenen Kopien gehen über Umwege auf eine verlorene Vorlage aus dem 13. Jahrhundert zurück; allen fünf ist gemein, dass diese Legendenversion aufs Engste mit der Geschichte der Stadt Prato verwoben ist. Aber selten ergänzen sich in der Hagiografie Text und Kontext so trefflich wie im Falle der Historia Cinguli gloriose Marie. Das macht die Legende auch für andere lesenswert.
Die Editionsgrundlage bilden die beiden ältesten erhaltenen Textvarianten der zweiten Redaktion aus der Biblioteca Ronciociana und der Bibliothèque municipale von Melun, die zur besseren Vergleichbarkeit in die beiden Gruppen MR und NFG zusammengefasst und mit je eigenem Variantenapparat nebeneinander ediert sind, MR auf den ungeraden, NFG auf den geraden Seiten (1-33). Im Kommentarteil werden Quellen, Zitate und Bezüge zwischen den Handschriften diskutiert (35-57). Auf die Übersetzung der Legende (59-71) folgt schließlich die Edition der handschriftspezifischen Nachträge (75-86).
Gabriela Signori