William C. Potter / Sarah Bidgood (eds.): Once and Future Partners. The United States, Russia and Nuclear Non-Proliferation, London / New York: Routledge 2018, 293 S., ISBN 978-1-138-36636-7, GBP 19,99
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Joe Renouard: Human Rights in American Foreign Policy. From the 1960s to the Soviet Collapse, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2016
James E. Cronin: Global Rules. America, Britain and a Disordered World, New Haven / London: Yale University Press 2014
Glenn Mitoma: Human Rights and the Negotiation of American Power, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2013
Die Nichtverbreitung von Atomwaffen ist ein hoch aktuelles und politisch brisantes Thema. 2003 trat Nordkorea aus dem Atomwaffensperrvertrag von 1968 aus, 2005 verkündete Kim Jong-il den Besitz von Kernwaffen. Der Iran stand 2002 im Verdacht, Atomwaffen zu entwickeln. 2015 konnte dieser Streit mit einem Atomabkommen beigelegt werden, welches 2018 von US-Präsident Donald Trump aufgekündigt wurde. Seitdem eskaliert der Konflikt zwischen Teheran und Washington. 2014 wurde zudem bekannt, dass Russland neue Mittelstreckenraketen entwickelt hat, woraufhin die USA 2019 den INF-Vertrag aufkündigten und ihrerseits eine neue Mittelstreckenrakete testeten. All das zeigt, dass die Errungenschaften der Rüstungsbegrenzung des Kalten Krieges zunehmend in Frage gestellt werden und die Welt erneut ein atomares Wettrüsten erlebt.
In diesem Kontext erfährt auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema eine "Renaissance". [1] Seit 2015 erschienen zahlreiche Monografien und Aufsätze, die die verschiedenen Verhandlungen über die Nichtverbreitung, Abrüstung oder Begrenzung von Atomwaffen aus historischer und politikwissenschaftlicher Perspektive untersuchen. Diese liefern nicht nur neue Erkenntnisse, sondern stellen bisheriges Wissen in Frage. Die These der "Atomic Revolution", derzufolge Atomwaffen den Kalten Krieg stabilisierten und einen "heißen Krieg" verhinderten [2], wird zunehmend relativiert. Stattdessen betonen neue Arbeiten die deeskalierenden Effekte der Abrüstungsverhandlungen. Einige zeigen, wie die USA und die Sowjetunion Vertrauen aufbauten und Rüstungsverhandlungen zum Motor der Entspannungspolitik wurden. Andere unterstreichen den Stellenwert von Rüstungskontrolle innerhalb der "Grand-Strategy" der USA und untersuchen, wie zwischen sicherheitspolitischen Aspekten und Abrüstungsfragen abgewogen wurde. [3]
Auf diesen Zug springen auch William C. Potter und Sarah Bidgood mit dem Sammelband "Once and Future Partners" auf. Herausgegeben vom renommierten Londoner "International Institute for Strategic Studies" geht dieses Werk auf eine Initiative des 2006 in Genf gegründeten Centre Russe d'Études Politiques zurück. Die NGO ist in der UNO akkreditiert, hat sich auf das Thema Abrüstung sowie die Nichtverbreitung von Atomwaffen spezialisiert und ist zugleich eine Außenstelle des in Moskau beheimateten PIR-Centers (Zentrum für Politische Studien), eines 1994 gegründeten kremlnahen Think Tanks für Außen- und Sicherheitspolitik. Die politische Botschaft des Buches wird schon im Titel deutlich. Demnach haben die Verhandlungen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen früher zur Annäherung zwischen den USA und der Sowjetunion geführt und könnten auch heute wieder dazu beitragen, den Konflikt zwischen Moskau und Washington zu entschärfen. Die Frage der Kooperation zwischen Ost und West steht hier im Fokus.
Die Autorinnen und Autoren setzen sich aus politikberatenden Abrüstungsexpertinnen und -experten sowie ehemaligen amerikanischen und russischen Diplomaten zusammen, die sehr gut informiert sind und detailreich verschiedene Verhandlungen zwischen Ost und West aufrollen. Dabei arbeiten sie mit Quellen aus US-amerikanischen Archiven und beziehen aktuelle Forschungsliteratur ein. Allerdings verfolgen sie einen praxeologischen Ansatz und fragen, wie es möglich war, dass die USA und die UdSSR Verhandlungen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen einleiteten, warum diese Verhandlungen trotz der zahlreichen Spannungen weitergeführt wurden und mit Hilfe welcher Mechanismen sowie Strategien das Abrüstungsregime aufrechterhalten werden konnte. Ihr Ziel ist es, Handlungsanweisungen für die Gegenwart abzuleiten und aufzuzeigen, wie man Russland und die USA wieder an den Verhandlungstisch zurückbringen könnte.
Einleitend beschreibt Potter dazu die Entstehungsgeschichte des Nonproliferationsvertrags von 1968. Während in den 1950er Jahren beide Seiten freigiebig Nukleartechnologie an Verbündete weitergaben, erkannten sie darin in den 1960er Jahren ein Risiko. Der chinesische Atomtest 1964 sowie die atomaren Ambitionen der Bundesrepublik ließen Moskau und Washington zusammenarbeiten, um sich die Kosten der Eindämmung zu teilen und die Risiken der Verbreitung von Atomwaffen einzuschränken. Im Anschluss zeigt Bidgood, wie die Angst vor einer atomaren Eskalation des Konfliktes im südlichen Afrika die USA und die UdSSR 1977 dazu verleiteten, Geheimdienstinformationen über das südafrikanische Atomprogramm auszutauschen. In einem weiteren Beitrag untersucht die Herausgeberin die Entstehung der Nuclear Suppliers Group (1975-1978), mit der beide Seiten die Verbreitung von nuklearem Material kontrollierten und zugleich ihr internationales und innenpolitisches Ansehen aufwerten wollten. Paul Warnke deckt die Ursachen des Scheiterns der Verhandlungen über ein Verbot der friedlichen Nutzung von Atomexplosionen (1960-1968) auf. Lewis A. Dunn beschäftigt sich mit den Folgetreffen des Atomwaffensperrvertrags und zeigt, wie die Konzentration auf Grundsatzfragen sowie die persönlichen Beziehungen der Unterhändler dem Nichtverbreitungsregime halfen, den "Zweiten Kalten Krieg" (1980-1985) zu überdauern. Nikolai Sokov behandelt in seinem Beitrag die externen Faktoren, die die Verhandlungen über die Sicherungsmechanismen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in den 1960/70er Jahren beeinflussten. Im letzten Beitrag zeigen Lesley Kucharski, Warnke und Bidgood, wie Moskau und Washington die gescheiterten Verhandlungen über eine Konvention über radiologische Waffen (1969-1992) nutzten, um politisches Vertrauen aufzubauen und ihrem Gegenüber mithilfe des Linkage Zugeständnisse zu entlocken.
Abschließend fassen Potter und Bidgood die Ergebnisse zusammen und formulieren daraus ihre Empfehlungen. Nur wenn beide Seiten jeweils ein nationales Interesse haben, sind sie kompromissbereit und können Fortschritte in den Verhandlungen erzielen. Persönliche Beziehungen zwischen den Unterhändlern sind dabei ebenso hilfreich, um Vertrauen aufzubauen, wie NGOs und Think Tanks, die sich für Abrüstung einsetzen. Mit dieser Feststellung bieten sich die Herausgeberin und der Herausgeber selber als Ratgeber an. Um die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Russland und den USA wieder in Gang zu setzen, empfehlen beide die Konzentration auf technische Grundsatzfragen. Als Anreiz betonen sie, dass die USA und Russland durch die Verhandlungen ihr internationales und innenpolitisches Image aufwerten könnten.
Was bleibt? Historikerinnen und Historiker sprechen beim Thema Abrüstung eher von "collusion" statt von "cooperation". Diese Unterscheidung ist wichtig, um zu verstehen, welche Bedeutung die Verhandlungen im Kalten Krieg hatten. Absprachen gab es immer wieder, wie zum Beispiel heute bei der Koordinierung von Luftangriffen in Syrien; von einer Kooperation, die zur Entspannung der politischen Beziehungen führt, ist das aber noch weit entfernt. Die Frage ist, wann und warum sich aus einer Absprache eine dauerhafte Kooperation entwickelt und wie diese zur Deeskalation beitragen kann. Die Antwort darauf liefert dieser Sammelband. Nur wenn beide Seiten ein ernstes nationales Interesse haben, können die Verhandlungen erfolgreich sein. Diese Erkenntnis scheint trivial zu sein; sie ist aber wichtig, um zu verstehen, warum es gegenwärtig keine Annäherung zwischen Russland und den USA gibt. Solange Wladimir Putin und Donald Trump einen politischen Nutzen aus der Eskalation des Konfliktes ziehen, wird es keine Fortschritte in den Verhandlungen geben. Das Ziel dieses Buches ist es, einen Annäherungsprozess anzustoßen. Man kann den Beitragenden nur wünschen, dass dies gelingt. Neue Erkenntnisse, die den aktuellen Stand der Forschung erweitern, liefern sie leider nicht. Stattdessen eignet sich dieses Buch selbst als Quelle für zukünftige Historikerinnen und Historiker, um die transnationale Ebene der Politikberatung und deren Wirken zu untersuchen. [4]
Anmerkungen:
[1] Vgl. Scott D. Sagan: Two Renaissances in Nuclear Security Studies, in: H-Diplo/ISSF Forum 2 (2014): 2-10, https://issforum.org/ISSF/PDF/ISSF-Forum-2.pdf (zuletzt aufgerufen am 28.8.2019).
[2] Robert Jervis: The Meaning of the Nuclear Revolution. Statecraft and the Prospect of Armageddon, Ithaca / London 1989; Kenneth Neal Waltz: The Spread of Nuclear Weapons. More May Be Better, London 1981.
[3] Exemplarisch: Arvid Schors: Doppelter Boden. Die SALT-Verhandlungen 1963-1979, Göttingen 2016; Or Rabinowitz / Nicholas L. Miller: Keeping the Bombs in the Basement. U.S. Nonproliferation Policy Toward Israel, South Africa, and Pakistan, in: International Security 40,1 (2015), 47-86; Mark Bell: Beyond Emboldenment. How Acquiring Nuclear Weapons Can Change Foreign Policy, in: International Security 40,1 (2015), 47-86; Andrew J. Cox / Jane Vaynman: Collusion and Nuclear Nonproliferation Regime, in: Journal of Politics, 77,4 (2015), 983-1007; Andreas Wenger / Roland Popp (eds.): Special Issue. The Origins of the Nuclear Nonproliferation Regime, in: The International History Review 36,2 (2014), 195-394; Francis J. Gavin: Nuclear Statecraft. History and Strategy in America's Atomic Age, Ithaca / London 2012.
[4] George Fujii: ISSF Article Review Forum 68 on Nonproliferation [6 February 2017], H-Diplo / ISSF 02-06-2017, https://networks.h-net.org/node/28443/discussions/165195/issf-article-review-forum-68-nonproliferation-6-february-2017 (zuletzt aufgerufen am 28.8.2019).
Peter Ridder