Michael Carter: The Art and Architecture of the Cistercians in Northern England, c.1300-1540 (= Medieval Monastic Studies; Vol. 3), Turnhout: Brepols 2019, XLVIII + 328 S., 116 Abb., 4 Tbl., 2 Kt., ISBN 978-2-503-58193-4, EUR 100,00
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Anne-Christine Brehm: Hans Niesenberger von Graz. Ein Architekt der Spätgotik am Oberrhein, Basel: Schwabe 2013
Gaby Lindemann-Merz: Infirmarien. Kranken- und Sterbehäuser der Mönche. Eine architekturhistorische Betrachtung der Infirmariekomplexe nordenglischer Zisterzienserklöster, München: Wilhelm Fink 2009
Ronny Horst: Santiago de Compostela. Die Sakraltopographie der romanischen Jakobus-Kathedrale, Affalterbach: Didymos-Verlag 2012
Kunsthistorische Monografien, die sich dezidiert mit Kunst und Architektur der Zisterzienser im Spätmittelalter beschäftigen, sind immer noch ein Desiderat der Forschung, vor allem dann, wenn nicht ein Einzelkloster beschrieben, sondern abstrahierend der Blick auf größere Territorien gerichtet wird. Michael Carter, Kunsthistoriker und Senior Historian bei English Heritage fragt, inwieweit Kunst und Architektur im Spätmittelalter bei den Zisterziensern im Norden Englands einen erkennbaren Beitrag zu deren religiöser Identität leisteten. Die Studie hat den Anspruch, "the first book-length, region-wide, systematic, cross-media examination of late medieval Cistercian art and architecture anywhere in Europe" zu sein (xxix).
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert. Der Einleitung folgen sechs Kapitel, in denen das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert wird. Eine Zusammenfassung am Schluss resümiert die Ergebnisse der gesamten Studie, die überzeugend zeigt, "that monastic observance was a major preoccupation of patrons and that the enduring piety of the northern Cistercians found expression in art and architecture until the very end of the Middle Ages" (xxix). Trotz der nachweisbaren religiösen und regionalen Identität der Konvente, so das Fazit, unterschieden sich die Zisterzienser hinsichtlich Kunst und Architektur nicht grundsätzlich von den konkurrierenden Orden.
Die Einleitung resümiert Forschungsgeschichte und Forschungsparadigmen. Methodisch wird der Beitrag der Zisterzienser als eigenständiger zur Geschichte des Ordenswesens begriffen. Den Maßstab zur Bewertung bilden nicht die frühen legislativen Bestimmungen, sondern die zeitgenössischen Gegebenheiten. Die Beschränkung auf die Zisterzienser in "Northern England" (u.a. Byland, Calder, Fountains, Furness, Jervaulx, Kirkstall, Meaux, Newminster, Roche, Rievaulx, Sawley, Whalley) ist historisch und methodisch gut begründet.
Das erste Kapitel, "The Evidence", behandelt überblicksartig die Bandbreite des zu analysierenden historischen Materials. Neben der überlieferten Architektur und den größeren Bauaktivitäten werden auch fragmentarisch erhaltene Ausstattungen (Bau- und Grabskulptur, Glasmalerei bis hin zu liturgischen Gewändern und Büchern) berücksichtigt. Die Gestaltungsparadigmen umfassen die gesamte Spannweite, von retrospektiv bis zeitgenössisch aktuell. Die überlieferten materiellen Zeugnisse werden ergänzt durch schriftliche Quellen, die Beschreibungen der Antiquare sowie durch archäologische Funde.
Das zweite Kapitel, "Patronage", untersucht die Stiftungstätigkeit im und für den Orden. Intern wird das Engagement von Äbten und Konventen beschrieben, die die finanziellen Mittel zur Verfügung stellten, wobei die Äbte, die meist mit ihren Wappen 'signierten', dominierten. Allerdings bedurften deren Stiftungen der Zuschüsse durch die Konvente. Im Gegensatz zu den Benediktinern treten zisterziensische Amtsinhaber in ihrer Breite nicht als Stifter in Erscheinung. Weltliche Stifter blieben dem Orden, dessen spirituelle Anziehungskraft ungebrochen war, bis zur Auflösung treu. Die Spendenmotive blieben seit Generationen dieselben: Frömmigkeit, Seelenheil, Memoria, Repräsentation und Status.
Im dritten Kapitel, "Art, Architecture, and Religious Identity" wird gezeigt, dass auch im Spätmittelalter weiterhin in Kunst und Architektur größere Investitionen getätigt wurden und dass dieses Engagement aus einem tiefen religiösen Selbstverständnis erwuchs. Abt Huby von Fountains inszenierte sich mit dem Turmbau sogar als Reformer. Insgesamt hoben sich die Zisterzienser nicht vom religiösen Zeitgeist ab. Marien- bzw. Christusfrömmigkeit pflegten auch andere Gemeinschaften und die Verbindung zur Laienbevölkerung wurde durch die Verehrung lokaler Heiliger (Reliquien, Andachtsbilder, Altarpatrozinien) hergestellt.
Kapitel vier, "Death and Commemoration" zeigt, dass die Zisterzienser in jener Zeit immer noch als spirituell besonders wirksam galten. Daß sich Äbte im Kapitelsaal oder in der Klosterkirche bestatten ließen, verwundert nicht, auch dass deren Grabmonumente in der Regel vergleichsweise schlicht blieben, jedoch darin wieder den allgemeinen Gepflogenheiten der Zeit folgten. Äbte und Priore der Augustiner und Benediktiner ließen sich generell aufwendigere Grabmonumente errichten. Neben den Äbten erhielten jetzt auch andere Inhaber von Klosterämtern, zuweilen auch einfache Mönche, ihren Begräbnisplatz in der Kirche. Dies gilt insbesondere für Laien, die durch Stiftungen hervortraten oder Mitglieder der Gründerfamilien, deren Engagement sich oft über Generationen hielt. Während Begräbnisse im Sanktuarium weiterhin restriktiv gehandhabt wurden, bestattete man nun die Laien an den Altären von Lang- und Querhaus.
Das fünfte Kapitel ist der Architektur und Kunst der Nonnen gewidmet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Konvente sich selbst als Zisterzienserinnen sahen oder vom Orden inkorporiert waren, zuweilen liegen auch temporäre Zugehörigkeiten nahe. Insgesamt waren die Nonnen materiell arm, fanden aber unter Klerikern und lokalen Adligen durchaus Unterstützung. Die Gelder flossen vor allem in den Unterhalt der Gebäude, in Aus- und Umbauten. Familiäre Bindungen der Priorinnen und die soziale Vernetzung der Konventualinnen waren hilfreich, auch das Angebot von Bestattungen in der Klosterkirche fand Zuspruch. Die Nonnen schätzten Marien- und Passionsfrömmigkeit. Daraus ergaben sich die Themen für bildliche Darstellungen, die freilich fast komplett verloren sind.
Das sechste Kapitel beschreibt die Auflösung der Abteien, deren materielle Verwertung sowie die zufällige Überlieferung einzelner Objekte (z.B. Bücher). Hier hatten auch jene Mönche ihren Anteil, die auf Lebenszeit in den alten Gemäuern noch Wohnrecht besaßen.
Die Arbeit ist gut gegliedert und flüssig geschrieben. Jedem Kapitel sind einleitende Thesen vorangestellt und die Zusammenfassungen am Ende sorgen dafür, dass der rote Faden nicht verloren geht. Eine besondere Stärke der Arbeit besteht im Reichtum des aufbereiteten Materials. Es verwundert allerdings, dass trotz der selbst gewählten kunsthistorischen Perspektive, Kunst und Architektur nicht in ihrem Eigenwert vergleichend analysiert werden. Für diese Detailanalysen wird häufig auf eigene Studien verwiesen. Eine gewisse unvermeidliche Redundanz ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die verschiedenen Perspektiven der Kapitel in der Regel auf die gleiche Materialbasis zurückgreifen. Zu bemerken ist schließlich die Tatsache, dass die deutschsprachige Forschung, wenn sie nicht in englischsprachigen Publikationen aufbereitet worden ist, nicht zur Kenntnis genommen wurde. Das betrifft sowohl Arbeiten der vergleichenden Ordenforschung (G. Melville) bzw. zur Frömmigkeit (E. Wipfler), als auch Studien, die sich dezidiert mit englischen Klöstern im Norden Englands beschäftigen (G. Lindenmann-Merz). Das Buch von Carter bleibt dennoch ein äußerst materialreicher und fundierter Beitrag zur spätmittelalterlichen Architektur und Kunst der Zisterzienser.
Jens Rüffer