Rezension über:

Philipp Pilhofer: Das frühe Christentum im kilikisch-isaurischen Bergland. Die Christen der Kalykadnos-Region in den ersten fünf Jahrhunderten (= Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Archiv für die Ausgabe der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte (TU); Bd. 184), Berlin: De Gruyter 2018, XVIII + 345 S., 8 Kt., 35 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-057381-7, EUR 119,95
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Rezension von:
Walter Ameling
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Walter Ameling: Rezension von: Philipp Pilhofer: Das frühe Christentum im kilikisch-isaurischen Bergland. Die Christen der Kalykadnos-Region in den ersten fünf Jahrhunderten, Berlin: De Gruyter 2018, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 3 [15.03.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/03/31933.html


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Philipp Pilhofer: Das frühe Christentum im kilikisch-isaurischen Bergland

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Pilhofer legt hier den ersten Teil seiner Dissertation vor; [1] der zweite erschien inzwischen in derselben Reihe. [2] Pilhofer geht es um eine "Erschließung, Sichtung und Systematisierung der Quellen" zu seinem Gegenstand - was ihm blendend gelungen ist: sein Buch ist getragen von einer intimen Kenntnis des Landes, der Inschriften und der übrigen literarischen Überlieferung - es ist eine ganzheitliche, altertumswissenschaftliche Arbeit im besten Sinne des Wortes.

Es geht um die Region, die an der Küste von Korakesion bis Sebaste reicht, und die dahinterliegenden Taurosregionen einschließlich des Gebietes um Isaura umfasst. [3] Pilhofer will das Christentum der ersten fünf Jahrhunderte dort beschreiben - und über diese Abgrenzung kann man trefflich streiten. Sieht man einmal von der Apostelgeschichte und den Thekla-Akten ab, gibt es wenig über die Frühzeit - selbst die Anwesenheit des Paulus scheint in der Heiligenverehrung keine Spuren hinterlassen zu haben (ganz anders Thekla, die von ihrer Heimat Ikonion nach Seleukeia "wanderte"). Vor dem 3. Jh. kann man über Christen in dieser Region kaum etwas sagen, und trotz der Bedeutung Zenons hätte ich es für gut gehalten, die Zeit Iustinians mitzubedenken (Ausblicke gibt Pilhofer allerdings immer wieder).

Ganz systematisch beginnt er mit einer Einführung in die Region und ihre Geschichte, [4] die in eine längere Diskussion der jüdischen Diaspora dort mündet - wegen ihrer Bedeutung für die frühe christliche Missionstätigkeit (auch wenn wir wieder kaum Zeugnisse für die Zeit zwischen Apg und dem 3. Jh. haben). Die meisten Märtyrergeschichten gehören in die späten Verfolgungen (152), was etwas über die Zahl der frühen Christen oder das staatliche Interesse an ihnen aussagt.

Der Abschnitt über das "Christentum in der Kalykadnos-Region" (95ff.) wird (vielleicht zu) sorgfältig eingeleitet mit Überlegungen zur Bedeutung von Kilikien im NT, zu kilikischen Juden in Jerusalem, zu Paulus in Tarsos etc., wobei die Annahme einer christlichen Gemeinde in Tarsos vor Paulus und dessen längerer Aufenthalt dort während der sog. "silent years" die Bedeutung Kilikiens noch einmal hervorhebt (108f.); die Auseinandersetzung mit Schnabel über weitere kilikische Missionsorte ist sicher zu ausführlich: wichtig ist aber der Hinweis auf die römische colonia in Ninika. Insgesamt geht es v. a. um Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten, und Pilhofer betont, dass es keine sicher identifizierten, christlichen Inschriften vor Konstantin gibt (135f.). Einzig einige Heilige können auf Gemeinden vor 324 hinweisen (136f.). Auch archäologische Zeugnisse sind eher spät: Pilhofer argumentiert stringent gegen die Datierung erhaltener Kirchen in das 4. Jh. (e. g. 131; 150; cf. 222f.). Die von der Pilgerin Etheria (c. 23, 4) im 4. Jh. bezeugte Kirche der hl. Thekla ist nicht mehr erhalten: die heute sichtbare Höhlenkirche stammt aus dem 5. Jh. Die hohe Zahl der Kirchengebäude (s. u.) soll schließlich auch auf der Verehrung sonst nicht genannter, lokaler Heiliger gedient haben. [5]

Gegen Ende des 5. Jh. sind nicht-christliche Personen in den Quellen eine große Ausnahme (154), und die Bischofslisten führen die rasche Christianisierung vor: wir kennen aus der untersuchten Region 34 Bischofssitze, doch kann es auch einige mehr gegeben haben (162). Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Bischof Basileios von Seleukeia als herausragender Person, aber prinzipiell sind Aussagen über innerkirchliche Differenzierungen kaum möglich.

Und weshalb gab es in diesem Gebiet so viele Kirchen? Elton berechnete für Isauria in der Mitte des 6. Jh.s mindestens 1.100 Kirchen, die meisten von ihnen auf dem Land (Steine städtischer Kirchen wurden wohl meist ausgeraubt) (190ff.). Leider ist die Datierung dieser Kirchen schwierig [6] (und ist von Pilhofer auch nicht zu erwarten). Mit Westphalen geht Pilhofer davon aus, dass der Bauboom in der Mitte des 6. Jh.s endete - was für eine besondere Rolle Zenons (in dieser Landschaft) spreche; aber das ist eine etwas knappe Begründung für die Folgerungen, die daraus gezogen werden - und die ein anderes Bild Isauriens zeichnen sollen, als es gemeinhin existiert. Pilhofer ist klar, dass es hier nur Wahrscheinlichkeiten gibt (192); er betont, dass die meisten Kirchen - so oder so, Zenon oder Iustinian - nicht auf kaiserliche Intervention zurückzuführen seien. Es gibt zwar "Hauskapellen", die zu privaten Komplexen gehören, aber in den meisten Fällen ist die Bedeutung des Bischofs nicht zu übersehen (196f.), auch wenn der ausufernde Kirchenbau ein Zeichen wirtschaftlicher Prosperität ist (198).

Am Ende steht ein Kapitel über die beiden wichtigsten Heiligen der Region, Konon von Bidana und Thekla (die wegen ihres großen Pilgerzentrums bei Seleukeia eine weite Ausstrahlung hatte [7]).

Manches an dem Buch qua Buch gefällt mir nicht: wegen des benutzten Papieres ist die Qualität der Fotos meist bestenfalls mittelmäßig, weshalb z. B. der Text von Inschriften nicht immer kontrolliert werden kann. [8] Am Ende stehen 20 leere Seiten, die der Verlag vorsorglich für Notizen gelassen hat.

Mit so einer kleinlichen Bemerkung darf ich aber bei einer so guten Arbeit nicht schließen: Pilhofers Art, christliche Literatur, Inschriften, archäologische Denkmäler und Landschaft zusammenzusehen und auszuwerten ist vorbildlich, und wir hoffen auf weitere Bücher von ihm, die das demonstrieren.


Anmerkungen:

[1] Der (ganze?) Text findet sich https://docplayer.org/132539483-Das-fruehe-christentum-im-kilikisch-isaurischen-bergland-die-christen-der-kalykadnos-region-in-den-ersten-fuenf-jahrhunderten.html (zuletzt besucht: 13. 1. 2020).

[2] Das Martyrium des Konon von Bidana in Isaurien, Berlin 2020.

[3] Mit Blick auf Pilhofers Unternehmen verzichtete H. Hellenkemper darauf, seinen Vortrag über Kilikien für den Sammelband Die Christianisierung Kleinasiens in der Spätantike, Bonn 2017 auszuarbeiten.

[4] Pilhofer 54f. bietet hagiographische Belege zum Fortbestehen einer luwisch beeinflussten Sprache in Isaurien.

[5] Wohl erst während der Drucklegung dieses Buches erschien P. Nowakowski, Inscribing the Saints in Late Antique Anatolia, Warschau 2018, der praktisch alle der von Pilhofer näher behandelten christlichen Inschriften für Heilige bespricht. Tendentiell scheint mir, dass Nowakowski im Falle homonymer Heiliger meist zu dem bekannteren, Pilhofer zu der Lokalgröße tendiert. Cf. auch Pilhofer 151: "es sind insgesamt ... gut 20 Namen von in der Kalykadnos-Region verehrten Heiligen nachweisbar, bei mehr als der Hälfte davon handelt es sich wahrscheinlich um lokale Märtyrer".

[6] Die Literatur in 183 n. 428 ist auch nur mäßig weiterführend.

[7] Pilhofer gibt ein schönes Beispiel, wie Heilige im Wettstreit der Städte instrumentalisiert werden konnten (216f.).

[8] Das gilt z. B. für das Photo von SEG 35, 1451 (Abb. 5. 6), wo ich die Lesung Hills - κηρύκων λιττὰς τοῦ κυρίου (Grab der Herolde des Herrn) - zur Not nachvollziehen kann, selbst wenn die boiotische Form λιττάς erklärungsbedürftig ist. Pilhofer liest κήρυκος τοῦ λίττας τοῦ κυ[ρίο]υ und übersetzt "Boten des Grabes des Herrn" - aber wäre dann nicht λιττάδος zu erwarten? Insgesamt scheint mir doch viel für die - von Pilhofer diskutierte - Emendation Feissels zu sprechen (BE 1987, 493), der zwei weitere Märtyrer einführt: Κηρύκο<υ>, <ʾI>ουλίττας (so auch Nowakowski), was nach Pilhofers Lesung noch wahrscheinlicher ist.

Walter Ameling