Christina Jordan / Imke Polland (eds.): Realms of Royalty. New Directions in Researching Contemporary European Monarchies (= Culture & Theory; Vol. 52), Bielefeld: transcript 2020, 268 S., ISBN 978-3-8394-4583-9, EUR 39,99
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Simon Donig: Adel ohne Land - Land ohne Adel? Lebenswelt, Gedächtnis und materielle Kultur des schlesischen Adels nach 1945, Berlin: De Gruyter 2019
Kai Drewes: Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/M.: Campus 2013
Andreas Hansert: Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main. Geschichte des reichsstädtischen Patriziats, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014
John Nicols: Civic Patronage in the Roman Empire, Leiden / Boston: Brill 2014
Florian Kühnel: Kranke Ehre. Adelige Selbsttötung im Übergang zur Moderne, München: Oldenbourg 2013
Annika Tammen: Frühmoderne Staatlichkeit und lokale Herrschaftsvermittlung. Normgebung und Herrschaftspraxis im Herzogtum Holstein des 17. und 18. Jahrhunderts, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2017
Ulrich Niggemann: Revolutionserinnerung in der Frühen Neuzeit. Refigurationen der "Glorious Revolution" in Großbritannien (1688-1760), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2017
Barry Robertson: Royalists at War in Scotland and Ireland 1638-1650, Aldershot: Ashgate 2014
Monarchie seit dem 19. Jahrhundert wurde in den letzten Jahren verstärkt erforscht und insbesondere Anregungen aus den Kulturwissenschaften haben sich dafür als fruchtbar erwiesen. Diskussionen um "soft power" sowie um die Bedeutung von Monarchien in modernen Gesellschaften als einigende und stabilisierende politische Faktoren zeigen auch moderne Königshäuser als Machtfaktoren innerhalb ihrer Gesellschaften. Der vorliegende Band, der auf eine Tagung des Gießener Graduate Centres for the Study of Culture (GCSC) im April 2017 zurückgeht, geht die Untersuchung der modernen Monarchien (19. bis 21. Jahrhundert) explizit aus kulturwissenschaftlicher Perspektive an, was sich auch bei der Zusammensetzung der Autoren zeigt (aus den Bereichen Geschichte, Literaturwissenschaften und Kulturwissenschaften sowie Business und Marketing).
Dieser interdisziplinäre Zugang funktioniert erstaunlich gut, dank eines inzwischen etablierten Kanons an Ideen, der in zahlreichen Aufsätzen im Hintergrund stand. Zu diesen gehören die Einsicht, dass zahlreiche (monarchische) Traditionen im 19. Jahrhundert erfunden wurden (Hobsbawm und Ranger, hier meist mit dem Aufsatz von Cannadine aus dem Band belegt), dass die britische Monarchie sehr genau weiß, wie Medien zur Stärkung ihres Hauses eingesetzt werden können (Cannadine) und welche hervorgehobene Rolle das Königshaus auch in einer konstitutionellen Monarchie spielen kann (Bagehot). Leider fehlt oftmals eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Theorien, insbesondere Bagehots English Constitution von 1867 ist inzwischen doch etwas in die Jahre gekommen.
Der Band ist in drei Teile gegliedert, die sich mit "Royal Public Interactions and Trans/National Relations (19th-21st Century)", der "Monarchy on Page, Stage and Screen" und schließlich den "Royal Representations in Contemporary Popular Cultural Contexts" beschäftigen. Nicht immer ist klar, warum ein Aufsatz in diesem und nicht jenem Teil vertreten ist. Die Repräsentationen von englischen bzw. britischen Königinnen in der TV-Serie "Doctor Who" ist z.B. dem dritten Teil zugeordnet, während Darstellungen von Elisabeth I. in aktueller Popkultur, insbesondere den jüngeren Verfilmungen mit Cate Blanchett in der Titelrolle, im zweiten Teil diskutiert werden. In beiden Aufsätzen geht es um politische Ideen, die durch Popkultur vermittelt werden, sei es eine Diskussion der zwei Körper des Königs (Kantorowicz, hier diskutiert von Scholz) oder die Verkörperung der Nation in den Monarchinnen (diskutiert von Menzel).
Ein Schwerpunkt des Bandes besteht in der Analyse von Fiktionen, seien es Bücher, Theaterstücke, Comics oder TV- und Filmproduktionen. Insgesamt macht dies gut die Hälfte der Beiträge aus und besonders hier wird anschaulich, inwieweit Fiktionen zur politischen und gesellschaftlichen Realität und Wahrnehmung beitragen. Hier wäre es spannend gewesen, neben der britischen Monarchie verstärkt auch andere Monarchien in den Blick zu nehmen, um herauszuarbeiten, inwieweit diese Verknüpfung von fiktionalen Medien mit einem aktuellen Monarchiediskurs spezifisch für Großbritannien ist. Denn generell überwiegen Aufsätze zur britischen Monarchie bei weitem, was angesichts der zahlreichen anderen regierenden Monarchien, selbst nur auf Europa beschränkt, erstaunt. Weder die skandinavischen Monarchien noch Vertreter der Benelux-Königreiche sind in den Aufsätzen nennenswert vertreten. Ausnahmen stellen die beiden Aufsätze von Aldrich und McCreery sowie von Riotte dar, die eine vergleichende Diskussion ihrer Themen bieten, in denen dann auch andere europäische Monarchien thematisiert werden. Hinzu kommt der interessante Aufsatz von Filipović zur memory culture des falschen Zar von Montenegro, Šćepan Mali.
Für alle, die vor allem an der britischen Monarchie interessiert sind, ist dieser Band eine wahre Fundgrube. Aber er zeigt darüber hinaus auch die anhaltende Bedeutung monarchischer Ideen und Repräsentationen im Allgemeinen. In zahlreichen Aufsätzen werden Themen verhandelt, die auch in den vormodernen Monarchien umstritten waren, wie z.B. wer Einfluss auf politische Entscheidungen haben darf und wie das Zusammenspiel zwischen Monarch und Regierung funktioniert. Letzteres wird am Beispiel des "meddling" des zukünftigen Königs, Charles III., anregend diskutiert und eröffnet so neue Perspektiven auf Probleme, denen sich bereits Charles I. und Charles II. stellen mussten.
Die kulturwissenschaftliche Herangehensweise ermöglicht neue Zugänge zu einer der ältesten politischen Institutionen der Welt, zugleich wird aber auch in Frage gestellt, inwieweit monarchische Populärkultur Einfluss auf politische Einstellungen nehmen kann (Jordan, 242). Eine allumfassende Antwort kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, insofern bleibt dies eine Anregung für zukünftige Forschungen zur zeitgenössischen Monarchie. Dass hier noch viel zu tun ist und dass ein solches Unterfangen auch für Historiker früherer Epochen anregend sein kann, hat dieser Band gezeigt.
Cathleen Sarti