Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter und Stiftung Abtei Heisterbach (Hg.): Heisterbach. Die Zisterzienserabtei im Siebengebirge, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2020, 304 S., 271 Farb-, 36 s/w-Abb., ISBN 978-3-7319-1026-8, EUR 29,95
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"Die Kirche ist eine der schönsten des ganzen Ordens". So lautete die Einschätzung der Mauriner Ursin Durand und Edmond Martène über die von ihnen besuchte Abtei Heisterbach. Indes konnte auch das Lob der beiden benediktinischen Gelehrten die Heisterbacher Kirche nicht vor ihrem fast völligen Abriss am Beginn des 19. Jahrhunderts bewahren. Doch war es gerade die Ruine dieser ehemals bedeutenden Zisterzienserkirche, die nachfolgend selbst wieder "zu einem der beliebtesten Motive" (195) wurde und sich als "fester Bestandteil der Rheinlandschaft etablierte" (203).
Der vorliegende Band widmet sich beidem: der Zeit der Blüte wie auch dem Nachleben dieser außer durch ihre Kirche vor allem durch ihren bedeutendsten Mönch - Caesarius - bekannten Abtei. Er entstand im Anschluss an die 2017 im Siebengebirgsmuseum präsentierte Ausstellung "Zisterzienser in Heisterbach - Was war. Was ist. Was bleibt". [1] Sein thematischer Bogen ist weit gespannt und genau dieser weite, aber dennoch facettenreiche Blick ist eine seiner großen Stärken. Er versammelt 16 Einzelbeiträge, die durch 22 sogenannte "Leseproben" strukturiert werden - kurze literarische Splitter aus der und über die Heisterbacher Geschichte, vornehmlich von Caesarius; aber auch die schon erwähnten Martène und Durand, Guillaume Apollinaire und nicht zuletzt Wolfgang Müller mit seinem noch immer bekannten Gedicht "Der Mönch zu Heisterbach" kommen zu Wort.
Ein solcher Band kann und will keine umfassende, alle Aspekte berücksichtigende Übersicht von mehr als 800 Jahren klösterlicher wie nachklösterlicher Geschichte bieten. Stattdessen verbindet er in sehr ausgewogener Weise knappe Übersichten mit tieferen Einblicken. Einen solchen gelungenen Überblick der "Klostergeschichte von den Anfängen bis zur Aufhebung" bietet eröffnend Swen Holger Brunsch. Das von ihm dabei skizzierte Panorama wird von den folgenden Studien tiefergehend ausgeleuchtet. Unter diesen weiterführenden Beiträgen ist jener von Markus Hoitz über den letztendlich gescheiterten Versuch einer Einführung der strengen Observanz in Heisterbach besonders herauszustellen. Auf Grundlage erst jüngst freigegebener Archivalien des historischen Archivs des Erzbistums Köln kann er die überaus wechselvolle und spannungsreiche Geschichte der seit 1672 nachweisbaren Beziehungen von Mönchen der Abtei zu Abbé Rance, zu La Trappe und dem trappistisch geprägten Orval darstellen. Obwohl der Konvent in der Observanzfrage kontinuierlich gespalten war, schien eine vollständige Übernahme der strengen Lebensregeln mit vollständiger Fleischabstinenz zwischenzeitlich greifbar - disziplinarische Probleme an anderer Stelle desavouierten die Bemühungen des letzten streng orientierten Abtes jedoch und führten zu einer Entscheidung der päpstlichen "Congregatio pro consultationibus episcoporum et regularium" im Sinne der allgemeinen Observanz.
Weitere der vertiefenden Beiträge widmen sich zisterziensischen Frauenklöstern im Umfeld von Heisterbach (Anja Ostrowitzki), dem klösterlichen Grundbesitz (wiederum Swen Holger Brunsch) oder den vielfältigen Aspekten der Wassernutzung in und um Heisterbach (Christoph Keller). Letzterer verfasste zudem gemeinsam mit Norbert Nußbaum eine weitere Studie zur Heisterbacher Klosterkirche. Ausführlich werden bauliche und archäologische Zeugnisse dieser nach dem Kölner Dom ehemals größten Kirche des Rheinlands vorgestellt und auch in Beziehung zu den bekannten Bildquellen gesetzt. Aufschlussreich sind hierbei vor allem die erkennbaren Differenzen zwischen dem modernen Befund der Ruinen und detaillierten Darstellungen wie jenen von Sulpiz Boisserée (43). [2] Zwei weitere Beiträge widmen sich in Übersichtsdarstellungen der ehemaligen Ausstattung der Heisterbacher Kirche (Katrin Heitmann) sowie den letzten und weit verstreuten Zeugnissen der ehemaligen klösterlichen Bibliothek (Jürgen Geiß-Wunderlich), die ihrerseits wohl kaum je größere Bedeutung besaß, fehlen doch für die Zeit vor dem 16. Jahrhundert "alle Anzeichen einer organisierten Erwerbung, Aufbewahrung und Benutzung von Büchern" (98).
Ein Schwerpunkt der Beiträge liegt auf dem Nachleben des Klosters. Die wechselvolle Nutzungsgeschichte des Klostergeländes nach der Säkularisation als Steinbruch, gastronomischer Betrieb oder wiederum Kloster - nun für die Kölner Cellitinnen - beleuchtet Christoph Keller. Petra Engelen und Rita Hombach widmen sich der Anlage eines englischen Landschaftsgartens durch Maximilian Friedrich Weyhe, während Peter Burggraaff und Klaus-Dieter Kleefeld eine geographische Kulturlandschaftsanalyse unternehmen. Elmar Scheuren beleuchtet Heisterbachs Bedeutung in der Romantik, vornehmlich im Bild, aber - durch Müllers bereits erwähntes Gedicht - ebenso auch im Text. Sigrid Lange gibt einen Überblick bisheriger Versuche einer Vermittlung Heisterbacher Geschichte. Hieran knüpft auch der Beitrag von Frank Dießenbacher an, dem es mit seinem Team eindrucksvoll gelang, das verlorene Kloster virtuell zu rekonstruieren. [3]
Eine der Stärken des Bandes liegt im Facettenreichtum seiner Beiträge - nicht alle konnten hier angesprochen werden. Sie bedienen ganz verschiedene Interessen, und jeder für sich ist ein Schlüssel zum Verständnis des Ganzen: der Geschichte Heisterbachs. Mancher mag manches vermissen, doch wäre dies wohl auch bei doppeltem Umfang so. In der vorliegenden Form bietet das Buch vorzüglich bebilderte, fundierte und überaus lesenswerte Einführungen in vielfältige Aspekte der Geschichte eines Klosters und seiner Landschaft.
Anmerkungen:
[1] https://www.siebengebirgsmuseum.de/sonderausstellungen-rueckblick/rueckblick-sonderausstellungen-seit-2011/120-verlinkte-seiten/1038-2017-05-zisterz [2020/XI/25].
[2] Sulpiz Boisserée: Denkmale der Baukunst vom 7. bis zum 13. Jahrhundert am Nieder-Rhein, München 1833, online: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/boisseree1833 [2020/XI/25].
[3] www.diessenbacher.com/projekte/heisterbach/[2020/XI/25].
Mirko Breitenstein