Andreas Sohn (Hg.): Benediktiner als Päpste, Regensburg: Schnell & Steiner 2018, 384 S., 6 Farb-, 8 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-3359-8, EUR 49,95
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Epochenübergreifend, vereint durch die Zugehörigkeit zum sogenannten Ordo sancti Benedicti - und seinen Zweigorden - werden hier einzelne Päpste vorgestellt, wobei das spezifisch Benediktinische in irgendeiner Form immer wieder Gegenstand der Überlegungen wird. Die Beiträger sind - zumeist seit langer Zeit - ausgewiesene Fachleute für die jeweiligen Päpste und konnten aus dem deutschsprachigen, frankophonen und italophonen Bereich gewonnen werden. Entsprechend mehrsprachig präsentiert sich der Tagungsband und entsprechend mehrsprachig sind die Zusammenfassungen der Beiträge, wobei das Italienische hier zu Gunsten des Englischen 'diskriminiert' wird (351-372). Gründliche Personen- und Ortsregister beschließen den Band (374-384).
Die vom Herausgeber und Organisator der Tagung formulierten Leitfragen zielen auf die Spannung zwischen Mönchsein und Papstsein, berühren aber auch etwa ein spezifisches Agieren in einzelnen Regionen der (lateinischen) Christenheit oder die Frage nach dem Bild in der Nachwelt (16-17). Dafür werden Päpste einbezogen, die einem benediktinischen Kloster oder einem benediktinisch geprägten Orden entstammen, sodass natürlich, aber nicht nur, Zisterzienser und Cölestiner mit einbezogen werden. Zwei Beiträge behandeln benediktinische Gegenpäpste, wobei die Positionen Harald Müllers und seines Umfeldes zum Terminus 'Gegenpapst' nicht diskutiert werden. [1] Inwiefern sich ein Benediktiner zum 'Gegenpapst' eignet oder ob der 'Gegenpapst' eine geeignete Kategorie für diesen Band ist, erwägt der Herausgeber nicht.
Die Kontroversen über die Zugehörigkeit eines Papstes zum Benediktinerorden werden natürlich immer wieder zum Gegenstand der Betrachtungen, auch wenn sie unterschiedlich behandelt werden, was nicht zuletzt für Gregor VII. gilt. Pius Engelbert OSB greift Gregor den Großen (47-61) auf und rekapituliert die verschiedenen Kontroversen, die um seine monastische, ja benediktinische Prägung geführt wurden, die er mit eigenen Nuancen versieht und erweitert. Während Christof Paulus (Mönchspapsttum und Kirchenreform, 75-96) bei seiner Erörterung der Zusammenhänge zwischen Monte Cassino und dem Papsttum Gregor VII. als zweifelhaften Kandidat bespricht, ist für Korbinian Birnbacher (Salzburg und die benediktinischen Reformpäpste, 117-136) Gregor VII. ganz eindeutig ein Benediktiner (117); fraglich sei, ob er ein Cluniazenser war (126). Als geradezu klassische Erörterung darf die Frage gelten, ob und inwieweit Eugen III. von Bernhard von Clairvaux beeinflusst wurde (E. Tremp, Ein zisterziensisches Modell für das Papsttum?, 175-192).
Mit den Beiträgen von Heinz-Dieter Heimann (Gescheiterte Vereinheitlichung und nachwirkende Anerkennung, 193-210) und Ludwig Vones (Vom Abtsstuhl auf den Papstthron, 237-253) rücken Päpste in den Fokus, die sich an Reformen versucht haben, denen aber möglicherweise erst posthum einiger Erfolg beschieden war. In gewisser Weise mag man auch Peter vom Morrone hierunter verbuchen, dem Karl Borchardt seinen Beitrag widmet (Peter vom Morrone - Cölestin V. (1294): Ein Reformbenediktiner?, 213-224). Bei allen dreien kommt auch die Frage nach den Gründen des Scheiterns der geplanten Reformen zur Sprache.
In der Zusammenfassung (341-349) werden die Hauptergebnisse der Beiträge nochmals rekapituliert, aber dort findet man auch einige wichtige Erweiterungen, die sich nur bei vollständiger, aufmerksamer Lektüre gewinnen lassen. So sei die Quellenlage vielfach derart dünn, dass "kaum monastische Einflüsse auf die Pontifikate der Mönchspäpste aufgezeigt werden können" (342). Wenn auf die Diskussion auf der Tagung mit der Frage, "ob [...] das monastische Ideal zeitlos und deshalb auch immer für Reformen geeignet sei" (347) rekurriert wird, mag sich ein Leser, dem Kirche nicht nur ein Studienobjekt ist, ein wenig melancholisch angerührt fühlen. Insbesondere die, womöglich nur der Quellenlage geschuldete, Schwierigkeit, das spezifisch Benediktinische der Päpste hervortreten zu lassen, geht fast ein wenig unter, verdiente aber, in seiner Tragweite weiter erörtert zu werden.
Eine große Stärke des Bandes ist die diachrone Anlage, sodass man auch mit dem 19. Jahrhundert und der epochenübergreifend vorgestellten künstlerischen Darstellung der Päpste in Kontakt kommt. Auf der anderen Seite fehlen einige Jahrhunderte ganz oder weitgehend, was aber nicht dem Herausgeber anzulasten ist, aber es ist doch ein kurioses Faktum, dass Mönche in manchen Jahrhunderten auch mit Blick auf die Nachfolge Petri nachteiligen Konjunkturen unterliegen. Man mag sich stellenweise fragen, ob die benediktinische Ordenseinheit nicht etwas weit aufgefasst oder früh datiert wird (etwa 85). [2] Die vom Herausgeber genannten Leitfragen für Tagung und Band werden manchmal mehr, manchmal weniger stringent befolgt. Der "naheliegende [...] personengeschichtliche [...] Zugang" (194), wie sich Heinz-Dieter Heimann ausdrückt, ist vielfach dominant, doch nicht die einzige Möglichkeit, sich dem Gegenstand zu nähern, wie es u.a. der zitierte Heimann demonstriert. Insgesamt bietet der - auch bibliophil überaus ansprechende - Band eine Fülle von Anregungen und für die behandelten Päpste einen guten Einstieg in die Literatur.
Anmerkungen:
[1] Harald Müller / Brigitte Hotz: Gegenpäpste. Ein unerwünschtes historisches Phänomen (= Papsttum im mittelalterlichen Europa; Bd. 1), Köln 2012; Florian Esser: Schisma als Deutungskonflikt. Das Konzil von Pisa und die Lösung des Großen Abendländischen Schismas (1378-1409) (= Papsttum im mittelalterlichen Europa; Bd. 8), Köln 2019, 22-29.
[2] Verwiesen sei stellvertretend nur auf Christoph Dartmann: Die Benediktiner. Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters, Stuttgart 2018, bes. Kap. 2.6, und Gert Melville: The Institutionalization of Religious Orders. Twelfth and Thirteenth Centuries, in: The Cambridge History of Medieval Monasticism in the Latin West II, ed. by Alison I. Beach / Isabelle Cochelin, Cambridge 2020, 783-802, und andere Beiträge dieses umfangreichen Handbuches.
Andreas Kistner