Stefan Rohdewald / Stephan Conermann / Albrecht Fuess: Transottomanica - Osteuropäisch-osmanisch-persische Mobilitätsdynamiken. Perspektiven und Forschungsstand (= Transottomanica; Bd. 1), Göttingen: V&R unipress 2019, 279 S., ISBN 978-3-8471-0886-3, EUR 45,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Conrad Schetter / Stephan Conermann / Bernd Kuzmits (Hgg.): Die Grenze Asiens zwischen Globalisierung und staatlicher Fragmentierung, Schenefeld: EB-Verlag 2010
Stefan Rohdewald: "Vom Polocker Venedig". Kollektives Handeln sozialer Gruppen einer Stadt zwischen Ost- und Mitteleuropa (Mittelalter, frühe Neuzeit, 19. Jh. bis 1914), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005
Stephan Conermann: Das Mogulreich. Geschichte und Kultur des muslimischen Indien, München: C.H.Beck 2006
Der vorliegende Band ist der erste von inzwischen fünf Publikationen der gleichnamigen Reihe, welche die Erkenntnisse des DFG-Schwerpunktprogramms "SPP 1981" bündelt und publik macht. Die Forschungsfragen und Herangehensweisen dieses Projekts werden in den Inhalten und in der Struktur des Buches konsequent umgesetzt und durch sie wiederum verdeutlicht.
Ziel des Sammelbands ist es, eine interaktionsgeschichtliche Perspektive auf Wechselbeziehungen und Migrationen im avisierten geografischen Raum zwischen dem frühen 16. und frühen 20. Jahrhundert aufzuzeigen. Hierbei wird das Osmanische Reich einerseits als zentraler Dreh- und Angelpunkt für die zu untersuchenden Phänomene verstanden. Andererseits reichen die dargestellten Verflechtungen, Interaktionen und Mobilitäten zugleich über das Osmanische Reich hinaus - daher der Begriff transosmanisch. Die Untersuchungen widmen sich Aspekten von Reisenden, Wissen, Handel und Waren, wobei in Abgrenzung zu Ansätzen der area studies nicht die Konstruktion einer geografischen Einheit im Fokus steht, sondern vielmehr von geografischen Kontexten als bestimmendem Merkmal zugunsten der Konzentration auf Interaktionen zwischen verschiedenen Herrschaftsgebieten und Akteuren abgerückt wird.
Der Band soll Diskussionen anregen, und dieser Funktion wird dadurch Rechnung getragen, dass seine Teile in unterschiedlicher Weise die Grundlagen der oben beschriebenen Forschungsfrage erarbeiten. Einem knappen Vorwort, das die Prämissen des SPP benennt, folgen zwei Geleitworte, die einen Rückblick auf vorangegangene Herangehensweisen in der Forschung und Förderung bieten und sich einer Einordnung der neuen Perspektive unter Gesichtspunkten des Eurozentrismus widmen. Der darauf folgende erste Hauptteil "Methodische und theoretische Zugänge" legt in vier Kapiteln die methodologischen und konzeptuellen Grundlagen des Projektes dar. Der zweite Hauptabschnitt "Forschungsstand / Kommentierte Bibliographie" wiederum bietet einen umfangreichen Überblick über den Forschungsstand zu Akteuren, Wissen und Waren einerseits und unterschiedlichen geografischen Konstellationen andererseits (Polen-Litauen, Moskau-St. Petersburg-Osmanisches Reich sowie persisch-indisch-osmanische, osmanisch-arabisch-indische und persisch-russische Verbindungen). Abgerundet wird die Zusammenstellung durch zwei kartografische Anhänge sowie eine Auswahlbibliografie und Namens-, Orts- und Sachregister. Diese Anhänge bieten eine wertvolle Ergänzung zu den anderen Teilen des Buches, da sie der/dem Lesenden teils nachnutzbares kartografisches Material zum Verständnis des behandelten geografischen Raumes an die Hand geben und einen thematisch fokussierten Einstieg in die Materie mit Blick auf unterschiedliche geografische Kontexte erlauben. Zwar würde die Transkription einzelner Namen und Begrifflichkeiten je nach fachlichem Hintergrund der/des Lesenden ggf. anders ausfallen als angegeben. Jedoch zeigt sich hierin auf formaler Ebene die interdisziplinäre Facette des SSP, die sich auch in den oben genannten geografischen Konstellationen widerspiegelt.
Die einzelnen Beiträge sind fundiert und informativ, gut strukturiert, in stilistischer Hinsicht angenehm zu lesen sowie sorgfältig redigiert und fügen sich in der oben beschriebenen Weise zu einem konsistenten, gut durchdachten Gesamtbild zusammen. Jedoch bedingt der Umstand, dass die Reihe auf dem SSP fußt und ihn als Ausgangspunkt nimmt, zwei Eigenarten des Buches, die seine Zielgruppe definieren und zugleich einschränken. Bereits der erste Beitrag zum Geleit (die Verschriftlichung der Laudatio zur Einrichtung des SSP, ein kreatives Format zur Eröffnung eines Sammelbandes) verdeutlicht, dass der Band an eine Zielgruppe adressiert scheint, die mit der fachlichen Vorgeschichte des Projekts sowie der Forschung und Förderungspraxis der DFG in diesem Fachbereich bereits hinlänglich vertraut ist. Wenngleich die Quellenangaben und die kommentierten Bibliografien eine umfangreiche Rück- und Rundumschau auf relevante Forschungsliteratur bieten, bewegen sich die Beiträge dennoch in gewisser Weise auf einer Metaebene: Zum einen rufen die Reflektionen vorangegangener Forschungsförderungsprogramme in verschiedenen Beiträgen der/dem Lesenden Kontext und Zielsetzung des Bandes, nämlich die programmatische Eröffnung eines neuen Forschungsansatzes, wiederholt in Erinnerung. Zum anderen machen der inhärente Übersichtscharakter der einzelnen Beiträge und die mit der Zielsetzung des Bandes einhergehende Abgrenzung zu vorherigen Forschungsperspektiven die Inhalte für weniger mit der Materie vertraute Lesende teils nur bedingt zugänglich.
Der SSP (und damit auch der vorliegende Band) verfolgen das Ziel, eine neue Forschungsperspektive zu eröffnen und zu etablieren. Angesichts dessen hätte der Band von einem ausführlicheren einführenden Kapitel profitiert, in dem die Prämissen, Konzepte und geografischen Konstellationen umrissen und die folgenden Kapitel miteinander analytisch in Bezug gesetzt werden, bevor es in medias res geht. Das hätte einen Rahmen für die verschiedenen Beiträge geboten und die Materie bzw. die mit ihr verbundene Forschungsperspektive auch für andere Zielgruppen, insbesondere Studierende, besser zugänglich gemacht. Gleichermaßen wäre eine Zusammenführung der Beiträge in einem abschließenden Fazit nützlich gewesen, um deren Erkenntnisse zu bündeln. Da es sich bei der vorliegenden Publikation um den ersten Band einer Reihe handelt, könnte dies jedoch auch zu einem späteren Zeitpunkt (im letzten Band als Gesamtschau aller Beiträge?) erfolgen.
Insgesamt ist der Sammelband wohlstrukturiert und bietet einen umfangreichen Überblick über eine komplexe und vielfältige Materie. Auf die folgenden Publikationen und die darin präsentierten Forschungsergebnisse darf man gespannt sein!
Vivian Strotmann