Rezension über:

Robert Bernard Bańdur: Il rito di benedizione delle campane nella tradizione romana dall'VIII fino al XIII secolo. Studio storico-liturgico-teologico (= Studia Anselmiana; Bd. 190), St. Ottilien: EOS Verlag 2022, 317 S., ISBN 978-3-8306-8152-6, EUR 39,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Jan Reitzner
Loxstedt
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Jan Reitzner: Rezension von: Robert Bernard Bańdur: Il rito di benedizione delle campane nella tradizione romana dall'VIII fino al XIII secolo. Studio storico-liturgico-teologico, St. Ottilien: EOS Verlag 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 9 [15.09.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/09/37611.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Robert Bernard Bańdur: Il rito di benedizione delle campane nella tradizione romana dall'VIII fino al XIII secolo

Textgröße: A A A

Die vorliegende Untersuchung ist dem Ritus der Glockenweihe vor dem zweiten Vatikanischen Konzil auf der Spur. Dazu widmet sie sich der Bedeutung der Glocken im Alten Testament, der (auch) paganen Antike, sowie schwerpunktmäßig der Entwicklung des Ritus von seiner ersten bekannten schriftlichen Fassung im 8. Jahrhundert bis zu seiner elaboriertesten Form im 13. Jahrhundert. Mit diesem Überblick schließt der Verfasser eine wichtige Forschungslücke innerhalb der Liturgiegeschichte. [1]

In der Einleitung wird zunächst das Forschungsinteresse transparent: Hier ist ein römisch-katholischer Theologe auf der Suche nach den verschiedenen Vorstufen des Ritus der Glockenweihe. Von dieser Fragestellung ausgehend, erklärt sich der Aufbau des Buches. So erscheint etwa der Liber Ordinum und der iberische Kontext nur am Rande, da Bańdur in der Frage der Beeinflussung der "fränkisch-römischen" Tradition zurecht vorsichtig bleibt (vgl. 130). Auch würdigt er die Forschungsgeschichte zur Glocke nur auf wenigen Seiten (v.a. 12-15) und die Quellenkritik gerät bei der Vielzahl der besprochenen Texte tendenziell recht kurz. Ein Blick auf das Literaturverzeichnis offenbart, dass in etwa gleich viele (handschriftliche und edierte) Quellen benutzt wurden wie Sekundärliteratur. Daraus resultiert eine sehr eigenständige und klar strukturierte Arbeit, die konsequent ad fontes (273) geht und in ihrer Methodologie auf traditionellen Bahnen bleibt.

Das Werk ist schlüssig aufgebaut: Es beginnt mit einer kurzen Kulturgeschichte der Glocken außerhalb des Christentums, die dennoch spätere Entwicklungen im Ritus beeinflusst haben dürfte. Sowohl die hellenistische Umwelt, als auch die alttestamentlichen Texte zu Glocken und Trompeten (vgl. 230-234) werden dabei kundig besprochen. Im zweiten Kapitel wendet er sich dann den verschiedenen Praktiken zu: Wann wurden welche Glocken geläutet? Anschließend geht es nach einem kurzen Exkurs zur Produktion von Glocken im monastischen Kontext (99-104) im zweiten Hauptabschnitt zum Herzstück der Studie. Darin werden zunächst relevante Quellen je einzeln besprochen. Im Anschluss werden die verschiedenen Bestandteile der Liturgie jeweils für sich in einer Zusammenschau vorgestellt. Besonders hilfreich sind die vielen, übersichtlichen Tafeln. Die besprochenen Quellen sind nachvollziehbar ausgewählt und werden eingehend besprochen. Hier liegt die große Stärke des Buches, das auch mit einem ausführlichen Namensregister versehen wurde.

Im abschließenden dritten Abschnitt wird sodann eine theologische Deutung vorgenommen. Die Frage nach dem theologischen Gehalt ergibt sich notwendig aus dem Dargestellten. Nur wer sich dieser Frage stellt, vermag in den Ausführungen zur Glockenweihe auch einen Beitrag zur Theologiegeschichte insgesamt zu erkennen. Auffällig ist dabei das eher normative Verständnis von Kirchengeschichte des Verfassers.

Zuweilen drängen sich daher bei der Rekonstruktion historischer Abläufe Rückfragen auf: Lässt sich bei einer Glockenweihe wirklich sinnvoll vom Grundsatz lex orandi lex credendi sprechen (so schon 15, bes. in der Zuspitzung 17): Wie soll das Gesetz des Betens das Gesetz des Glaubens bestimmen, wenn die Glockenweihe ein derartig einmaliges Ereignis ist? Und hat "papa" Sabinius (604-607, 67, 116, u.ö.) tatsächlich den ihm vom Verfasser (vorsichtig) zugeschriebenen Einfluss: Führt nicht die (an sich sinnvolle) Auswahl der offiziellen Quellentexte (Sakramentar, Pontifikal, Expositio missae, Summa de officiis usw.) automatisch zur Annahme einer hohen Kontinuität und herausgehobenen Stellung von Theologie und Amt für die Entwicklung des Ritus?

Endgültig problematisch wird die Rede von der ungebrochenen Kontinuität der Glockenweihe zwischen dem 13. Jahrhundert bis zum Vaticanum II in der "westlichen" Kirche, die der Verfasser nirgends belegt, aber wiederholt behauptet. (11, 273 u.ö.) Es ist jedoch kaum glaubhaft, dass die Reformation keinerlei Auswirkungen auf die Glockenweihe gehabt haben soll. Zwingli lehnte Glocken zunächst wohl völlig ab und die Wittenberger verzichteten auf die Rede von einer "Weihe" und änderten den Ritus teils erheblich. All das würdigt der Verfasser mit keinem Wort - es hat aber gewiss auch Auswirkungen auf die römisch-katholische Praxis gehabt.

Der abschließende theologisch-systematische Teil ist schlüssig in trinitarische, kosmologische, anthropologische, ekklesiologische und eschatologische Implikationen aufgebaut. Bańdur baut auf den allegorischen Deutungen des Mittelalters, v.a. bei Durandus von Mende auf, geht aber darüber hinaus. An einigen Stellen sind Debattenlagen in der römisch-katholischen Theologie seit dem zweiten Vatikanum mit Händen zu greifen. So insistiert der Verfasser etwa wiederholt darauf, dass die Weihe gerade als Abwehr eines magischen Volksglaubens an die apotropäische Wirksamkeit von Glocken ihre Bedeutung habe (bes. 225-228). Glocken wirken nicht aufgrund ihres Materials, ihres Tons, ihrer Schönheit, sondern nur durch die Weihe des Bischofs. Auch seien die Gläubigen auf vielfältige Weise mit vielerlei Sinnen von jeher bei der Weihe inkludiert gewesen und zur Partizipation aufgefordert (226). Es wirkt fast wie ein Versöhnungsversuch, wenn der als "Konzilspapst" geltende Paul VI. im letzten Satz des Buches zitiert wird. Dem unbedarften Leser drängt sich schließlich die Frage auf, warum eigentlich das zweite Vatikanische Konzil irgendetwas an dieser formidablen Praxis geändert hat.

Insgesamt ist dem Verfasser für das Schließen einer Forschungslücke in der Liturgiegeschichte zu danken. Als Lesebuch zu den wichtigsten Quellen der römischen Liturgie der Glockenweihe vom 8.-13. Jahrhundert, als Übersicht zur Entwicklung des Ritus im Wechsel der Jahrhunderte, sowie als systematisch-theologische Stellungnahme zur Glockenweihe aus Sicht eines (konservativen) römisch-katholischen Theologen ist das Buch vorbehaltlos zu empfehlen. Insbesondere den Liturgiewissenschaftlern, welche die Quellen jeweils selbstständig zu kontextualisieren vermögen, wird das Buch mit seinen zahlreichen Bezügen zu anderen mittelalterlichen Texten eine reiche Fundgrube sein. Der Historiker wird freilich an einigen Stellen nicht so schnell zur Deutung überschreiten und an manchen Stellen eine stärkere Kontextualisierung einfordern.


Anmerkung:

[1] Als einzige wirkliche Ausnahme wird zurecht der Artikel von Heinz zitiert: A. Heinz: Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe, in: Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. von A. Haverkamp, München 1998, 41-69.

Jan Reitzner