Ulrike Hammer: Kurfürstin Luise Henriette. Eine Oranierin als Mittlerin zwischen den Niederlanden und Brandenburg-Preußen (= Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas; Bd. 4), Münster: Waxmann 2001, 168 S., ISBN 978-3-8309-1105-0, EUR 25,50
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Dass historische Frauengestalten von der Forschung in den Schatten "großer Männer" gestellt werden, ist ein immer noch oft zu beobachtendes Phänomen. Widerfahren ist dies auch Luise Henriette (1627-1667), der als erster Gemahlin Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandenburg, des "Großen Kurfürsten", in der bedeutenden Ausstellung "Onder den Oranje Boom" (1999/2000) eine ihr angemessene Würdigung vorenthalten blieb. Horst Lademacher, Herausgeber sowohl des Katalogwerks zur Ausstellung wie auch der Schriftenreihe der zu besprechenden Monografie, wertet deswegen im Vorwort mit einnehmender Offenheit die vorliegende Arbeit "als Ergänzung oder Erläuterung eines Teils der großen Ausstellung" (10) [1].
Gerade für Luise Henriette ist eine besonders desolate Forschungssituation zu konstatieren. Die letzte biografische Monografie stammt aus dem Jahr 1939 und genügt keineswegs wissenschaftlichen Ansprüchen [2]. Man kann aber nicht allein wissenschaftliches Desinteresse dafür verantwortlich machen. Eine mehr als schwierige Quellen- und Überlieferungslage lässt ein biografisches Projekt zu Luise Henriette zur großen Herausforderung werden (14-17).
Einem solchen Unterfangen hat sich Ulrike Hammer im Rahmen ihrer Magisterarbeit, die in Münster von Johannes Arndt betreut wurde und dieser Publikation zu Grunde liegt, nicht stellen können. In der knapp gefassten Arbeit hat sie aber die verfügbare deutschsprachige und niederländische Literatur sowie die einschlägigen Quelleneditionen herangezogen; zudem ist in begrenztem Umfang unpubliziertes Material aus den Beständen des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (Berlin) sowie des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (Potsdam) berücksichtigt worden. Die Darstellung selbst durchzieht eine Reihe von Schwarz-Weiß-Abbildungen, die vor allem zeitgenössische Gemälde, faksimilierte Aktenstücke und anderes vorstellt - an der Stelle wird noch einmal der von Lademacher angesprochene Bezug zur Oranier-Ausstellung sinnfällig. Die Beschäftigung mit Luise Henriette hat Ulrike Hammer unter das Generalthema oranisch/niederländisch-brandenburgischer Beziehungen gestellt, in denen sie der Protagonistin eine bedeutsame Rolle zuweist.
In den ersten Kapiteln wird die mächtepolitische Situation Brandenburgs und der Republik der Vereinigten Provinzen vorgestellt, danach rückt die dynastische Komponente in den Vordergrund. Hier geht es um die Heiratspläne der Hohenzollern und im Hause Oranien-Nassau. In beiden Dynastien favorisierte man zunächst andere Verbindungen: In Brandenburg erstrebte man eine Heirat Friedrich Wilhelms mit der schwedischen Königin Christina, für Luise Henriette sah die oranische Heiratspolitik eine Verbindung mit dem Haus Nassau-Diez vor.
Eine entscheidende Rolle spielte offenkundig Amalia von Solms, die Gemahlin Friedrich Heinrichs von Oranien und Mutter Luise Henriettes. Sie befürwortete eindeutig die Verheiratung ihrer Tochter mit Friedrich Wilhelm. Dass dabei die Gefühle Luise Henriettes völlig missachtet wurden, entsprach der dynastischen Raison (dazu auch das Kap. IV zum "oranischen Netzwerk"), machte die Heirat Ende 1646 für die unglückliche Oranierin freilich nicht leichter. Kurfürst Friedrich Wilhelm war bei dieser Heirat ebenso von politischem Kalkül geleitet und erhoffte sich von der engen Bindung an das Haus Oranien-Nassau bündnispolitische Vorteile bei den Generalstaaten. Ungeachtet dieser anfangs vorherrschenden politischen Erwägungen war der Beziehung zwischen dem Brandenburger und der Oranierin eine ausgesprochen glücklich-harmonische Entwicklung beschieden - wobei allerdings an dem Punkt die Untiefen romantisierender historiografischer Verklärung lauern (vgl. 63f.; als belastendes Moment ist auch die lange Kinderlosigkeit des kurfürstlichen Paares zu berücksichtigen, dazu 103).
Die weiteren Kapitel widmen sich der Tätigkeit Luise Henriettes in Brandenburg. Ein eigenes Betätigungsfeld erhielt sie mit dem Amt Bötzow, das kurze Zeit später den Namen des Schlosses übernahm, welches am meisten mit dem Wirken Luise Henriettes verbunden ist: Oranienburg. Neben den baulichen Veränderungen und der Innenausstattung ist der Lustgarten am Schloss zu erwähnen sowie einige Projekte in der Stadt Oranienburg selbst, unter denen das Projekt des Oranienburger Waisenhauses herausragt. Treibende Kraft war die Kurfürstin auch bei der Anwerbung von Neusiedlern aus den Niederlanden.
Doch wie in anderen Bereichen sind auch hier direkte Anregung, Beteiligung und Einwirkung Luise Henriettes nicht immer eindeutig belegbar, eine Reihe von kulturellen und wirtschaftlichen Projekten bündelt die Autorin mit dem Stichwort "unter indirektem Einfluß der Kurfürstin" (Kap. VI.). Ulrike Hammer geht zu Recht sehr behutsam zu Werke, wie sich auch im Weiteren bei der schwierigen Frage der Verfasserschaft geistlicher Lieder zeigt, die möglicherweise der Kurfürstin zuzuschreiben sind.
An dem Punkt zeigt sich der Wert dieser Arbeit, die nicht beansprucht, letztgültige Antworten zu geben, wohl aber den Forschungsstand auch mit seinen offenen Fragen und Problemen aufzuzeigen. Wenn in der Wissenschaftszunft gerne über die Flut von Publikationen geklagt wird, eben weil auch vermehrt Magisterarbeiten im Druck erscheinen, muss diese Arbeit allein schon aus diesem Grund vor dieser Kritik in Schutz genommen werden. Denn gerade für das Thema der Kurfürstin Luise Henriette ist eine Bestandsaufnahme, wie sie hier geboten wird, mehr als notwendig.
Die Studie greift zum Ende nochmals die Frage nach der Mittlerfunktion Luise Henriettes zwischen der brandenburgischen und niederländischen Welt auf und schließt mit einigen Bemerkungen zur sogenannten "niederländischen Bewegung". Die Vorbehalte M. van Gelderens am Einfluss Lipsius' aufgreifend, nimmt Ulrike Hammer dies erst recht zum Anlass, die Bedeutung der brandenburgischen Kurfürstin aus dem Hause Oranien aufzuwerten. So schlüssig sich dies auch zeigen lässt, bleibt am Ende doch die Frage, ob man mit diesem Fluchtpunkt allein der Persönlichkeit Luise Henriettes gerecht zu werden vermag. Ob sie sich in dieser Rolle als Mittlerin gesehen hat, muss doch eher bezweifelt werden - hier liegt wohl mehr eine Luise Henriette im Nachhinein zugeschriebene Funktion vor, die sie doch sehr auf eine rein staatstragende Rolle festlegt, auch in einem historiografischen Sinne mit borussischem Vorzeichen. Dass diese Perspektive möglich und plausibel ist, kann Ulrike Hammer überzeugend vorführen. Ob dies für eine weitere Beschäftigung mit Luise Henriette eine weiterführende Leitfrage sein kann, muss erst die künftige Forschung erweisen. So wäre es wünschenswert, dass Ulrike Hammer es nicht bei diesem Werk belässt, sondern weiteres Licht in das biografische Dunkel dieser Oranierin bringt.
Anmerkungen:
[1] Onder den Oranje Boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. Katalogband (Ausstellungskatalog Krefeld, Oranienbaum, Apeldoorn), München 1999 und Horst Lademacher (Hg.): Onder den Oranje Boom. Textband zur gleichnamigen Ausstellung: Dynastie in der Republik. Das Haus Oranien-Nassau als Vermittler niederländischer Kultur in deutschen Territorien im 17. und 18. Jahrhundert, München 1999.
[2] Toni Saring: Luise Henriette von Oranien. Die Gemahlin des Großen Kurfürsten, 2. Aufl., Göttingen 1941 (zuerst 1939).
Michael Kaiser