Vincenzo Ferrone / Gianni Francioni (a cura di): Cesare Beccaria. La Pratica dei Lumi. IV giornata Luigi Firpo. Atti del Convegno 4 marzo 1997 (= Fondazione Luigi Firpo. Centro di studi sul pensiero politico. Studi e testi; 11), Florenz: Leo S. Olschki 2000, 181 S., ISBN 978-88-222-4856-5, EUR 18,59
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Alljährlich werden von der Fondazione Luigi Firpo Tagungen veranstaltet, die sich jeweils einer historischen Persönlichkeit widmen, die im Schaffen des bedeutenden italienischen Historikers eine wichtige Rolle gespielt haben. Nach Giordano Bruno, Thomas More und Tommaso Campanella stand bei der vierten "Giornata Luigi Firpo" Cesare Beccaria im Zentrum, jener aufgeklärte mailändische Jurist, dessen "Dei delitti e delle pene" ("Von den Verbrechen und den Strafen") europaweite Resonanz erlebte.
Um Beccarias auf der naturrechtlichen Vertragstheorie basierendes Standardwerk zur Kriminaljustiz, das sich unter anderem für Abschaffung der Folter und Todesstrafe, Öffentlichkeit der Strafprozesse und allgemein für den Grundsatz aussprach, dass die Strafe den allgemeinen Nutzen im Blick zu behalten habe, drehten sich auch die meisten Beiträge der Tagung am 4. März 1997, die in dem zu besprechenden Sammelband dokumentiert sind.
Dem Werkstattbericht Gianni Francionis zum Stand der Nationalausgabe der Schriften Cesare Beccarias folgen zwei Beiträge, die sich aus rechtshistorischer Perspektive mit dem Fortleben Beccarias beschäftigen. Anschließend an die Reflexionen Gustavo Zagrebelsky über die Anwendbarkeit der Prinzipien des Mailänder Juristen auf die Gegenwart befasst sich Maria Gigliola di Renzo Villata ausführlich mit der Wirkungsgeschichte von "Dei delitti e delle pene" und vergleicht unter anderem dessen Grundsätze mit denen des französischen Code pénal von 1791.
Vor allem mit den Quellen Beccarias beschäftigt sich Maria Rosa di Simone in ihren "Riflessioni sulle fonti e la fortuna di Cesare Beccaria". Sie weist darauf hin, dass neben französischen und englischen Einflüssen auch diejenigen der deutschen Publizisten in Betracht zu ziehen seien. Schließlich habe Beccaria innerhalb der österreichischen Administration der Lombardei gewirkt. Das Faktum, dass das deutsche Element bislang zumeist übersehen worden sei, führt di Simone auf die in der italienischen Historiografie immer noch wirksamen Traditionen des Risorgimento zurück. Unter deren Einfluss habe man es für undenkbar gehalten, dass von Wien wichtige geistige Anstöße ausgegangen seien (54).
Carlo Capra wendet sich dem "gruppo del 'caffè'", der bekannten Mailänder Reformergruppe, und damit dem Umfeld Cesare Beccarias zu. Insbesondere vergleicht er die Laufbahn Beccarias, der im administrativen Alltag weniger brillierte denn als Theoretiker (69), mit derjenigen Pietro Verris, der in den Jahren 1764 bis 1771 einen raschen Aufstieg in der Finanzverwaltung der österreichischen Lombardei erlebte, dann jedoch erleben musste, dass er mit seinen Reformvorschlägen nicht durchdringen konnte, und sich in der Folge immer kritischer über Wien äußerte. Nach dem Regierungsantritt Josephs II. (1780) bewertete er den habsburgischen Reformabsolutismus zunächst wieder positiver, bevor er sich seit den späten 1780er-Jahren endgültig von ihm ab- und den Idealen der Französischen Revolution zuwandte (77 f.).
Dem Verhältnis von Recht und Politik im Werk Beccarias wendet sich Alberto Burgio zu. Er betont Beccarias die auch von den Zeitgenossen geteilte Selbsteinschätzung als "filosofo" und zeigt, wie sehr er das Privilegienwesen des Ancien Régime ablehnte (87) und sich in dieser Frage auch von Montesquieu abgrenzte (90-96).
Girolamo Imbruglia stellt in seinem Beitrag zu "Riformismo e illuminismo. Il 'Dei delitti e delle pene tra' Napoli e l'Europa" das Werk Beccarias in europäische Bezüge, zeigt aber vor allem, wie sehr es die Reformen im Königreich Neapel-Sizilien beeinflusste. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht Antonio Genovesi, der "Dei delitti e delle pene" zwar rezipierte, jedoch Beccarias Anschauungen in zentralen Punkten keineswegs teilte. Mit Blick auf die Verhältnisse in der neapolitanischen Gesellschaft vertrat er vielmehr die Auffassung, dass der Staat weder hinsichtlich des Rechts noch der Bestrafung Beschränkungen unterworfen sein dürfe. Andernfalls würde man den Vorrang der moralischen Autonomie des Individuums anerkennen, was eine unkalkulierbare Sprengkraft für die Gesellschaft bedeutete (104).
Edoardo Tortarolo fasst in seinem Beitrag das Tagungsthema am weitesten, wenn er die Frage nach der Rolle der Öffentlichen Meinung im Rahmen der italienischen Aufklärung stellt. Ausgehend von dem Befund, dass diese im Gegensatz zur Aufklärungsforschung in anderen europäischen Ländern in der italienischen Historiografie kaum eine Rolle spiele, beobachtet er, dass der Appell an die Öffentliche Meinung in den italienischen Journalen und Gazetten der 1780er-Jahre fehle. Man spreche von "Lesern", ohne jedoch zu einer "visione unificata, compatta dell'insieme di coloro che accolgono criticamente le informazione trasmesse dalla stampa" voranzuschreiten (138). Erst das "triennio giacobino" (1796-1799) habe hier einen Wandel bewirkt.
Eine Art Gesamtwürdigung Beccarias und seines Werks versucht Renato Pasta in seinem abschließenden Beitrag. Ein roter Faden lässt sich in seinem impressionistisch wirkenden 'Rundumschlag' jedoch kaum ausmachen - aber vielleicht hat Pasta das, wie der Titel "Nugae academicae" andeutet, ja auch gar nicht beabsichtigt.
Die Beiträge des Bandes entwerfen weniger auf systematische Weise ein Gesamtbild Beccarias und seines Werks, als dass sie einige, allerdings zentrale, Einzelaspekte seines Wirkens beleuchten. Aber auch so vermitteln sie einen Eindruck vom gegenwärtigen Stand der italienischen Beccaria-Forschung und zeigen Perspektiven für künftige Studien auf. Positiv hervorzuheben ist, dass mehrere Beiträge europäische Bezüge im Werk Beccarias herausarbeiten. Möglicherweise hätte dieser Aspekt davon profitieren können, wenn auch ein oder zwei Nichtitaliener zu den Autoren gehört hätten. Ein Personenregister rundet den Band ab.
Matthias Schnettger