Helmut Vogt: Wächter der Bonner Republik. Die Alliierten Hohen Kommissare 1949-1955, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, 305 S., ISBN 978-3-506-70139-8, EUR 29,90
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Mit dem Krieg gegen das Regime Saddam Husseins, der anschließenden Besetzung des Irak durch US-Truppen und der von der Bush-Administration beabsichtigten demokratischen Umformung von Staat und Gesellschaft des Landes hat Helmut Vogts detailreiche Studie über die Alliierten Hohen Kommissare als "Wächter der Bonner Republik" einen ungeahnten aktuellen Bezug erhalten. Schließlich beriefen sich die neokonservativen Vordenker der amerikanischen Irakpolitik zur Rechtfertigung ihrer Strategie nicht zuletzt auf das erfolgreiche amerikanische Engagement in Westdeutschland (und Japan) nach dem Zweiten Weltkrieg. Die These von der Übertragbarkeit der in Deutschland gemachten Erfahrungen ist dabei keine Erfindung gegenwärtiger außenpolitischer Vordenker in den USA. Schon 1949 begründete das State Department seine Entscheidung, die Arbeit des amerikanischen Hochkommissars in Deutschland durch ein Team von Historikern begleiten zu lassen, mit der - in Vogts Studie zitierten - Überlegung, es sei nicht auszuschließen, dass "die Nation irgendwann in der Zukunft mit gleichen oder ähnlichen Situationen konfrontiert würde" (256).
Freilich finden Verfechter dieser Position in Vogts sorgfältig aus deutschen, britischen und französischen Quellen erarbeiteten Studie kaum Belege für ihre Ansicht. Im Gegenteil, der als Kenner der rheinischen Regionalgeschichte ausgewiesene Autor betont die spezifischen Umstände, die zusammenwirkten, um das "Zwischenspiel amerikanisch-britisch-französischer Vormundschaft über die Bundesrepublik" (9) zu einem Erfolg zu machen: die Persönlichkeit der verschiedenen Hohen Kommissare, ihre nicht immer spannungsfreie Zusammenarbeit untereinander und mit der sich etablierenden westdeutschen Regierung, der Charakter und die Politik des ersten Bundeskanzlers und seiner engsten Mitarbeiter, die bipolare Struktur der internationalen Staatenordnung im Kalten Krieg.
Der Verfasser beabsichtigt nicht, unser Wissen über die gut erforschte Vor- und Frühgeschichte der Bundesrepublik zu "revolutionieren". Er bewegt sich vielmehr in den Bahnen der etablierten Forschung, fügt dem bekannten Panorama allerdings frische Farben und einige interessante Details hinzu, vor allem aus den Akten- und Bildbeständen des Bonner Stadtarchivs, aber etwa auch aus dem Bundesarchiv sowie dem Landeshauptarchiv Koblenz, dem Nordrheinwestfälischen Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, dem britischen Public Record Office in Kew und dem Centre des Archives de l'occupation française en Allemagne et en Autriche in Colmar.
Kompetent, anschaulich und meist sehr zuverlässig schildert er die Alliierte Hohe Kommission (HICOM) als ein historisches und völkerrechtliches Unikum - teils Regierung Westdeutschlands, teils mit gouvernementalen Aufgaben betraute internationale Organisation, teils trilaterale diplomatische Vertretung -, das mit hinreichend flexiblen Steuerungsmechanismen ausgestattet war, um sich den verändernden Aufgaben und dem sich wandelnden politischen Umfeld erfolgreich anpassen zu können. Mit guten Gründen unterscheidet der Verfasser die "aktive" Frühphase der Hochkommission bis 1952 von der - "HICOM im Halbschlaf" betitelten - Spätphase bis 1955, als sich die Hohen Kommissare auf ihre Ablösung beziehungsweise ihre Umwandlung in Botschafter vorbereiteten. Zwar blieben bis zum 5. Mai 1955 ihre zentralen Zuständigkeiten und Vetorechte für Abrüstungsfragen und wirtschaftliche Verflechtung, für Restitutionen und Reparationen, für Auswärtige Angelegenheiten im Allgemeinen, für die Überwachung des Außenhandels und der Devisenwirtschaft im Besonderen bestehen. Die Kommissare hielten sich aber gerade in der zweiten Phase immer stärker mit direkten Eingriffen und Initiativen zurück.
Insgesamt bestätigt Vogt das Urteil des langjährigen französischen Hochkommissars André François-Poncet, der 1963 für die Alliierte Hohe Kommission einen bedeutenderen Platz in der Geschichte reklamierte als man ihr gemeinhin zubillige. Sie habe "die Wunden des verlorenen Krieges verbunden, die Härten der Besatzung gemildert, die menschlichen Kontakte wiederhergestellt und die Übergänge geglättet, als Deutschland nach und nach seine Unabhängigkeit wiedergewann und ein Staat wie jeder andere wurde".
Dominik Geppert