Alan K. Bowman / Hannah M. Cotton / Martin Goodman / Simon Price (eds.): Representations of Empire. Rome and the Mediterranean World, Oxford: Oxford University Press 2002, XII + 196 S., ISBN 978-0-19-726276-4, GBP 19,95
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"Rome and the Mediterranean World" - der Untertitel beschreibt präzise das lebenslange Forschungsinteresse des Jubilars. Wie kein anderer seit Mommsen hat Fergus Millar, unlängst in einen äußerst aktiven Ruhestand getretener Camden Professor of Roman History in Oxford, immer wieder auf die Bedeutung hingewiesen, die der Perspektive der Peripherie im Imperium Romanum zukommt. [1]
"Rome and the Mediterranean World" ist tatsächlich das geeignete Rubrum auch für die Fergus Millar in einem Festkolloquium in Oxford von Freunden und Schülern dargebrachten Beiträge, so unterschiedlich sie ihrem Gegenstand und ihrer Methode nach sind. Sie reichen von der vorklassischen Antike (Amélie Kuhrt über Sanheribs Belagerung Jerusalems) bis zur Spätantike (Peter Garnsey über Lactantius und Augustinus), widmen sich dem Zentrum (Paul Zanker über den Domitians-Palast in Rom) wie der Peripherie (Daniel Schwartz über die Freiheits- und Autonomie-Konzeption des Flavius Josephus), Aspekten der Administration (Werner Eck über kaiserzeitliche Verwaltungshierarchien), der kulturellen Identität (Stephen Mitchell über das hellenistische und kaiserzeitliche Pontos) und der Geschichtsschreibung (Katherine Clarke über Tacitus). Kurz: Die Beiträge spiegeln das Werk Fergus Millars in seiner schier immensen thematischen und chronologischen Breite.
Der Band enthüllt, dass sich die Forschung mittlerweile um Lichtjahre von einstmals sicheren Handbuchweisheiten entfernt hat. Unter der Wucht der Fakten zerbröselt das Bild vom vermeintlich homogenen, die Mittelmeerwelt unter den Auspizien der "Romanisierung" zu einem monolithischen Block zusammenschweißenden Weltreich. Welch verschlungene Pfade Prozesse der Identitätsbildung im hellenistischen, später römischen Osten nehmen konnten, illustriert mustergültig das Beispiel Pontos: Erst die Einrichtung der römischen Provinz verhalf hier einer regionalen Identität zum Durchbruch, die sich unter der Monarchie der Mithridatiden nicht hatte artikulieren können.
Gegenstand des Buches sind aber nicht nur moderne, in rapidem Wandel begriffene "Represenations of Empire", sondern auch antike Vorstellungen von imperialer Herrschaft, wie sie in sehr unterschiedlichen Quellengattungen zum Vorschein kommen. Eine monumentalisierte Form der Repräsentation war Domitians Palast auf dem Palatin, dessen gewaltige Substruktionen noch heute weithin sichtbar sind. Zankers Aufsatz zeigt, wie die Palastarchitektur gleichsam eine neue Prinzipatskonzeption in Stein goss: Sie entrückte den Kaiser bei convivia und den regelmäßigen salutationes und strich somit jene Schranke zwischen Kaiser und Untertanen heraus, welche die augusteische Prinzipatsordnung mit Bedacht verbrämt hatte. Domitians Rezeptur ging, wie wir wissen, nicht auf, seine Nachfolger kehrten zum traditionellen Modell zurück, bewohnten aber unverdrossen weiter seinen Palast.
"Anti-History" war, wenn wir Katherine Clarke folgen, die Prinzipatsgeschichte für den römischen Historiker Tacitus. Was an Francis Fukuyamas moderne Weltreichs-Apologetik [2] gemahnt, offenbart in Wirklichkeit das Dilemma, in dem der kaiserzeitliche Historiker steckte: Wozu Geschichte schreiben, wenn es keine Geschichte mehr gab, wenn nichts Berichtenswertes mehr geschah? Tacitus suchte und fand Ausflucht im Zynismus - und im ironischen Spiel mit den Konventionen, literarischen wie politischen. Lohnend ist der Blick, den Katherine Clarke mit Tacitus vom Zentrum auf die Peripherie wirft: Ausgerechnet am Ende der Welt, im eisigen Britannien, fanden sich die exempla, die es sich für Römer zu studieren lohnte. Der Hauptstadt und Italien waren die beispielgebenden Größen, so glaubte jedenfalls der Historiker Tacitus, ausgegangen.
In der klassischen Altertumswissenschaft, und beileibe nicht nur in ihr, sind es heute wieder die exempla aus Britannien, die Mut machen. Mut, dass die Zunft weder in blutleerer Faktenhuberei erstarren noch im Hohen Lied der Diskursgeschwätzigkeit jede Bodenhaftung verlieren möge. Mut auch, dass wissenschaftliche Redlichkeit sich mit literarischem Eros und intellektueller Inspiration, hin und wieder auch (wie immer wieder bei Fergus Millar) mit fruchtbarer Provokation, paaren möge. Von der Faszination Roms und der mediterranen Welt kann das schmale Bändchen nur einige Facetten vermitteln, doch zeigt es, was uns die Antike noch heute zu sagen hat. Es erweist damit einer unter Rechtfertigungsdruck stehenden Disziplin einen unschätzbaren Dienst und ist schon deshalb eines ihrer engagiertesten Vertreter würdig.
Anmerkungen:
[1] Sie spielte schon eine Schlüsselrolle in Fergus Millars - noch immer nicht überholtem - Debütwerk 'A Study of Cassius Dio' (Oxford 1964) und gewann scharfe Konturen im maßgeblich von ihm selbst verfassten 4. Band der Fischer-Weltgeschichte (Die Mittelmeerwelt im Altertum, Frankfurt am Main 1966). Eine beeindruckende Zahl von Schriften Fergus Millars widmete sich seitdem dem mediterranen Osten. Aus ihnen ragt 'The Roman Near East. 31 BC-AD 337' (Cambridge, Ma. 1993) heraus.
[2] Francis Fukuyama: The End of History?, Washington 1989.
Michael Sommer