Myles Lavan / Richard E. Payne / John Weisweiler (eds.): Cosmopolitanism and Empire. Universal Rulers, Local Elites, and Cultural Integration in the Ancient Near East and Mediterranean (= Oxford Studies in Early Empires), Oxford: Oxford University Press 2016, XIII + 282 S., ISBN 978-0-19-046566-7, GBP 55,00
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"This is a book about empire and difference." So sagen es treffend die Herausgeber selbst, im ersten Satz ihrer Einleitung. Imperien haben sozusagen Konjunktur: In einem Zeitalter, in dem der Nationalstaat vielerorts, vom Balkan über den Kaukasus bis in den Nahen Osten, seine Dysfunktionalität unter Beweis gestellt hat, drängen sich Imperien als vermeintlich pragmatische Alternativen auf: Was leisteten Imperien, auch die der Antike, was moderne Staaten nicht können? Diversität aushalten, Unterschiede überbrücken, Verschiedenheit integrieren - in diesen Disziplinen ist die Leistungsbilanz vormoderner Imperien allemal besser als die moderner Nationalstaaten, die sich im Prinzip ohne Ausnahme dem zentralen Leitsatz der Französischen Revolution verpflichtet fühlen müssen: la nation une et indivisible. Imperien dagegen könnten, mit einem Wort des Historikers Jürgen Osterhammel, "strukturelle Toleranz" üben. Die sei nicht zu verwechseln mit gesinnungsmäßiger Toleranz, sondern habe ihre Wurzel schlicht in der Unfähigkeit und im mangelnden Willen der Imperien, dort zu homogenisieren, wo Vielfalt herrsche.
Grund genug also, sich Gedanken darüber zu machen, wie Imperien die Integration lokaler Gesellschaften bewältigten. Längst wissen wir, dass der Gedanke, große Reiche seien allein durch Gewalt zusammengehalten worden, zu kurz greift. Obwohl sie alle ihr Entstehen gewaltsamer Eroberung verdankten, mussten sich Imperien früher oder später Gedanken darübermachen, was sie ihrer Peripherie zu bieten hatten, wollten sie nicht gleich wieder, wie eine Supernova, verglühen. Es ist die alte, von Reg in Monty Pythons Life of Brian gestellte Frage: "What have the Romans ever done for us?" Im Fall der Römer besteht kein Zweifel daran, dass das Angebot ideeller, sozialer und zivilisatorischer Teilhabe, welches das Imperium vor allem für die lokalen Eliten bereithielt, eine gewichtige Rolle bei der Integration spielte.
"Cosmopolitan politics" nennen die Herausgeber den Werkzeugkasten, der Imperien zur Integration ihrer Peripherien zur Verfügung steht. Sie unterscheiden zwischen zwei Wegen dahin: "Assimilation" ebne die kulturellen Differenzen zwischen Zentrum und Peripherie ein, "subordination" erkenne diese Unterschiede an, zementiere und organisiere sie. Interessant an dieser Begrifflichkeit ist die Rückkehr zu einem top-down-Ansatz bei der Analyse imperialer Gesellschaften. Während die kontinentale Altertumswissenschaft Konzepte wie "Romanisierung" und "Hellenisierung" so umdefiniert hat, dass sie längst bilaterale Aushandlungsprozesse kultureller Standards bezeichnen, sind in der angelsächsischen Forschung solche Paradigmen seit geraumer Zeit dem Kolonialismus-Verdacht ausgesetzt und wurden füglich auf dem Friedhof der analytischen Instrumente entsorgt. Stattdessen spricht man neuerdings gerne von "Globalisierung", wobei die asymmetrischen Machtbeziehungen, die für imperiale Gesellschaften konstitutiv sind, in einem solchen Begriff gerade ausgeblendet bleiben.
Jetzt also Kosmopolitanismus. In neun Fallstudien rücken die Verfasser imperialen Systemen des alten Vorderen Orients und der klassischen Antike zu Leibe, mit vier Schwerpunkten: Neuassyrisches Reich (Seth Richardson), Hellenismus (Seleukiden: Kathryn Stevens und Johannes Haubold; Ptolemäer: Christelle Fischer-Bovet; Intellektuelle: Tamara T. Chin), Rom (Myles Lavan, Clifford Ando, John Weisweiler) und Iran (Richard E. Payne). So kommen, in unterschiedlichen Konstellationen und Konzentrationen, immer wieder dieselben Herrschaftspraktiken zur Sprache: harte Instrumente wie Deportation, Geiselnahme, Anwendung oder Androhung militärischer Gewalt einer- und weiche wie Rituale, Herrscherkulte, Schaffung verbindender Narrative. Die Zusammenschau ist durchaus interessant, doch wieviel davon durch das analytische Prisma des Kosmopolitanismus wirklich plastischer sichtbar wird, ist dem Rezensenten nicht ganz ersichtlich. Dem Ansatz haftet etwas von altem Wein in neuen Schläuchen an, auch wenn man viele der Beiträge mit Gewinn zur Hand nehmen wird.
Michael Sommer