Zbigniew Mazur (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten (= Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund; Bd. 34), Wiesbaden: Harrassowitz 2003, 296 S., ISBN 978-3-447-04800-2, EUR 27,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der Band enthält die Übersetzung von 15 der 20 Beiträge des von Mazur 1997 im Verlag des Posener "Instytut Zachodni" herausgegebenen Bandes "Wokół niemieckiego dziedzictwa kulturowega na Ziemiach Zachodnich i Północnych" (vergleiche die Besprechung von Beate Störtkuhl in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 48, 1999, 111-112). "Die Übersetzung der Aufsätze aus dem Polnischen ins Deutsche", so die Information auf der Rückseite des Titelblattes, "erledigte Theo Mechtenberg". Die ausführliche Einführung des Originalbandes wurde vom Übersetzer, so der Hinweis des Reihenherausgebers Johannes Hoffmann (15), "in der vorliegenden Weise [um mehr als die Hälfte] gekürzt und so dem Anliegen dieses Bandes angeglichen", ohne dass das Anliegen der Herausgeber oder der Grund für das Fortlassen der Belegstellen in den Fußnoten sowie die Kriterien für die Kürzung oder die Auswahl der Beiträge an irgendeiner Stelle genannt würden.
Die Reihenfolge der Beiträge des Originalbandes wurde beibehalten, die Zwischenüberschriften, die dem Ganzen eine sinnvolle Gliederung geben, wurden allerdings ebenso fortgelassen wie die illustrativen Abbildungen und das nützliche Ortsregister des Originals. Die Übersetzung ist überwiegend korrekt, an manchen Stellen allerdings sinnentstellend: Wieso wird die "niedobra przeszłość" (XXV) als "verzerrende Vergangenheit" wiedergegeben (15), dafür aber der Hinweis auf das Erbe der "Kulturbodentheorie" gestrichen? Auch wenn ein Teilaspekt des betroffenen Beitrags es vielleicht inhaltlich rechtfertigt, wird die Überschrift "Przesiedleńcy wobec wyzwań lat dziewięćdziesiątych. Polityka i kultura" [Die Haltung der Aussiedler (gemeint sind aber die deutschen 'wysiedleńcy', die Vertriebenen) zu den Herausforderungen der 90er Jahre (Politik und Kultur)] nun wirklich nicht durch "Die Zusammenarbeit der polnischen Bevölkerung mit deutschen Aussiedlern beim Schutz des kulturellen Erbes in den polnischen West- und Nordgebieten" (278) angemessen wiedergegeben, wobei man vom Übersetzer zumindest die Annotation erwartet hätte, dass die deutschen Vertriebenen gemeint sind. Die "Aktualizacja bitwy legnickiej (1241)" (49) ist - auch wenn es inhaltlich zutrifft - nicht "Zur Rezeptionsgeschichte der Schlacht bei Liegnitz" (16), und der "unvoreingenommene deutsche Gelehrte Günther Stöckel" (39) ist wenigstens im polnischen Text richtig "Stökl" geschrieben.
Mit Themen wie dem Umgang mit der Geschichte, den lokalen Traditionen, der Aneignung der Kulturlandschaft, den Baudenkmälern (mit besonders offener Selbstkritik von Seiten der polnischen Denkmalpflege), den Denkmälern, Orts- und Straßennamen sowie Schulbüchern und - leider hier nicht übersetzt - Schöner Literatur spricht der Originalband sensible Bereiche des durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs "gemeinsamen Kulturerbes" von Deutschen und Polen an, die eigentlich eines sorgfältigeren Umgangs bei der Übersetzung bedurft hätten, und vermittelt der des Polnischen nicht kundigen Leserschaft in Deutschland neue Aspekte und Einsichten.
Gerade deshalb ist es ärgerlich, dass Kürzungen und Abweichungen, wenn schon nicht im Einzelfall kenntlich gemacht, überhaupt nicht angesprochen werden, dass Leserinnen und Leser mit der Teilübersetzung eines sieben Jahre zuvor für ein polnisches Publikum gedruckten Bandes konfrontiert werden, ohne dass sie durch eine spezielle Einführung in den Problemzusammenhang eingeführt würden oder erführen, dass Zbigniew Mazur im Jahre 2000 ebenfalls im Verlag des Posener Westinstituts mit "Wspólne dziedzictwo?" [Gemeinsames Erbe?] einen weiteren Band - dieses Mal mit zwei Beiträgen von Autoren aus Deutschland (Andreas Kossert und Eduard Mühle) - zu diesem Problemkreis herausgegeben hat. Manche dem polnischen Leser vielleicht selbstverständlichen Begriffe und Passagen, wie die vom "historischen Teil von Großpolen, der sich im Rahmen des Lebuser Landes befand" (13), bedürften für seinen deutschen Gegenpart sicherlich eines erläuternden Hinweises. Und vielleicht wären kurze biografische Angaben zu den Autor(inn)en ebenso nützlich und interessant gewesen wie ein Eingehen auf Rezeption und Kritik des Bandes in Polen. Der deutschsprachige Leser wird jedenfalls allein gelassen mit diesen für den Diskurs in Polen und in Deutschland wichtigen Texten, die größere editorische Sorgfalt und eine aufmerksame Kommentierung verdient gehabt hätten.
Wolfgang Kessler