Heinz Krieg: Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung (= Vorträge und Forschungen; 50), Ostfildern: Thorbecke 2003, 403 S., ISBN 978-3-7995-6760-2, EUR 54,00
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Drei Jahre nach dem Erscheinen von K. Görichs "Die Ehre Friedrich Barbarossas", das inzwischen völlig zu Recht als paradigmatisches Werk der aktuellen mediävistischen Diskussion verstanden wird, rückt das hier anzuzeigende Buch von H. Krieg noch einmal die Analyse zentraler Begriffe der Herrschaftspolitik des ersten Stauferkaisers in den Mittelpunkt einer umfangreichen Untersuchung. Es geht Krieg indessen nicht wie Görich um die Herrschaftspraxis, nicht um das - mit einem Begriff wie eben dem honor in Relation gesetzte - politische Handeln in bestimmten, zumeist konflikthaft aufgeladenen Situationen. Es geht Krieg allein um die Herrscherdarstellung, um die Abbildung des Herrschers in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung sowie in den urkundlichen Erzeugnissen der Stauferkanzlei. Dabei wird vom Autor vorausgesetzt, dass sich diese Herrscherdarstellung im hohen Mittelalter einem "Wandel" (11) unterzogen habe. Diesen Wandel will Krieg genauer untersuchen.
Für eine Verortung des Krieg'schen Buches im längerfristigen wissenschaftlichen Diskurs des Faches müssen also, vom Autor in der Einleitung zu Recht hervorgehoben, die Arbeiten von G. Althoff und H. Keller über Königsherrschaft und Herrscherbild in der ottonischen und salischen Zeit und vor allem auch das (in einzelnen Punkten sicherlich zu zeitgebundene, als ganzes aber immer noch wertvolle) Werk von G. Koch von 1971 "Auf dem Wege zum Sacrum Imperium" als wichtige Vorgängerstudien in Betracht gezogen werden. Indessen handelt es sich hier wirklich nur um Vorgänger. Denn während sich Althoff und Keller ja ohnehin einer sehr viel früheren Zeit zuwenden und Koch ganz überwiegend den "Weg" schildert, also der Frage nachgeht, wo der Wurzelgrund des in der Barbarossazeit verwendeten Ideenbestandes zu suchen ist, ist Krieg in seiner Studie beim "Sacrum imperium" selbst (einem Begriff, der freilich nur noch stark relativ verwendet werden kann) angelangt.
Nach Einleitung (I) und Erörterung des Quellenmaterials (II) gliedert sich der Stoff in drei Hauptabschnitte: Der Herrscher als Kriegsheld (III), Ehre und Ruhm als laienadlige Leitvorstellungen (IV), Herrscherheil, Glück und Herrscherheiligung (V). Die Vorgehensweise des Autors ist dabei stets so, dass anhand prägnanter, in den Quellen immer wieder vorkommender Schlüsselbegriffe (fortitudo, virtus, honor, felicitas und so weiter) zunächst die historiografische, dann die urkundliche Überlieferung einer Prüfung unterzogen wird. Die synchrone Untersuchung historiografischer und diplomatischer Zeugnisse birgt natürlich ein gewisses Risiko: Die Unterschiede beider Quellengattungen sind evident. Doch gerade sie geben der Arbeit eine gewisse Spannung, ermöglichen Vergleiche. So zeigt sich, dass es, beim Blick auf diese Bereiche, durchaus beides gibt, Parallelen ebenso wie Inkongruenzen.
Nur die Ausführungen des Autors über den Begriff honor sollen an dieser Stelle etwas genauer berücksichtigt werden. Übergangen werden müssen die wertvollen Beobachtungen über die vorrangige Verwendung des Begriffs fortitudo im Zusammenhang mit einer Verherrlichung der heroischen Gesinnung des Herrschers in der Historiografie bei gleichzeitiger Fassung der kriegerischen Tüchtigkeit des Herrschers im virtus-Begriff in den Arengen der Urkunden; und übergangen werden müssen auch die Ausführungen über Herrscherheil, Glück und Herrscherheiligung mit einer detaillierten Herkunfts- und Anwendungsbeschreibung unter anderem der Begriffe felicitas und fortuna sowie der Attribute sacer und sanctus. Der Begriff honor, schillernd wie nur Weniges und doch im Bedeutungsfeld Ehre-Ansehen wohl am tiefsten verankert, wird von Krieg in einen Zusammenhang mit der Vokabel gloria gebracht und gemeinsam mit dieser abgehandelt. Als "laienadlige Leitvorstellungen" könne, so Krieg, die Bedeutung dieser Begriffe gleichermaßen in der Geschichtsschreibung wie in der Urkundensprache erfasst werden. Dem bei sämtlichen Historiografen bezeugten ausgeprägten Ruhm- und Ehrstreben des Kaisers entspreche die große Empfindlichkeit bei Verletzungen des herrscherlichen honor. Besonders hervorhebenswert ist die Verbindung mit den fideles: Ehre und Ruhm des Herrschers und des Reiches werden, vor allem bei Rahewin und beim Ligurinus, mit Ehre und Ruhm der fideles verknüpft; die dem honor imperii verpflichtete Kampfgemeinschaft erhöhe nicht nur diesen selbst, sondern den honor aller Beteiligten. Zu den Urkunden: Hier beleuchtet Krieg, anders als H. Appelt, weniger den rechtlichen Gehalt des honor von Kaiser und Reich; er untersucht den Begriff vor dem Hintergrund der adeligen Denk- und Handlungsmuster "Ehre" und "Ansehen". Im Ganzen sieht Krieg im Gebrauch des Begriffs honor (wie auch des Begriffs gloria) ein "verstärktes Eindringen weltlicher Motive in die traditionell stark geistlich geprägte Sprache der Herrscherarengen" (298).
Von großer Wichtigkeit, nicht nur bei honor und gloria, sondern fast überall (und von Krieg zu Recht mit einem eigenen Kapitel bedacht): Es gibt in Geschichtsschreibung wie in den Urkunden verschiedene Phasen in der Intensität der Verwendung bestimmter Begriffe. In vielen Fällen markiert hier das 1167 mit der bekannten Katastrophe vor Rom und dem vorläufigen Rückzug des Kaisertums aus Italien einen Wendepunkt, zeigen sich die Projektionen der Fünfziger- und Sechzigerjahre als getragen von geradezu euphorischem Schwung, ja großer Feierlichkeit, der eine sehr viel größere Nüchternheit folgte. Erst die Achtzigerjahre bringen vielfach einen neuerlichen Aufschwung.
Natürlich wird die Nagelprobe der ungemein gründlich und solide angelegten Arbeit darin bestehen müssen, herauszufinden, inwiefern all die "Bedeutsamkeit", die "Signifikanz" und so weiter, die Krieg den meisten der von ihm untersuchten Begriffe und den auf diesen aufgebauten Phänomenen unterstellt (und die er durchaus glaubhaft zu machen versteht), sich im Vergleich mit anderen Herrschern des hohen Mittelalters als wirklich spezifisch, als typisch für die Barbarossazeit erweisen. Niemand anders hat das deutlicher ausgesprochen als der Autor selbst (359). Aber nicht nur, wie man ergänzend hinzufügen möchte, andere Herrscher des römisch-deutschen Reiches, wie zum Beispiel bei Heinrich V., Heinrich VI. oder auch Friedrich II., müssten in diesen nächsten, umfassenden Schritt der Erkenntnisbildung einbezogen werden. Untersucht werden müsste vor allem auch die Rezeption dieser Begriffe beziehungsweise - was durchaus ein Unterschied ist - das ersatzweise verwendete Vokabular bei anderen, mit dem Kaisertum kooperierenden oder konkurrierenden Mächten, sozialen Gemeinschaften oder intellektuellen Gruppen, wie zum Beispiel bei den westeuropäischen Monarchien, der römischen Kurie, den oberitalienischen Kommunen oder auch bei den Kanonisten und so weiter. Denn es ist an der Zeit, hier endlich gewisse Scheuklappen abzulegen und in die Rekonstruktion der ideengeschichtlichen Grundlagen der staufischen Epoche stärker als bisher die rezeptiven und interaktiven Elemente einzubeziehen - auch über den klassischen Gegensatz östliches-westliches Kaisertum hinaus. Kein soziales Gebilde ist aus sich selbst heraus verständlich, auch das Stauferreich nicht. Manches ist hier schon geleistet und in die richtige Richtung gebracht worden. [1] Doch ein weites Feld für lohnende Forschungen liegt in der Tat noch offen. Hier hat Krieg wichtige Grundlagen geschaffen.
Anmerkung:
[1] Vgl. etwa Andrea Sommerlechner: Stupor mundi? Kaiser Friedrich II. und die mittelalterliche Geschichtsschreibung, Wien 1999.
Jörg Schwarz