Stiftung Museum Schloss Moyland (Hg.): Anholter-Moyländer Kräuterbuch. Das Kräuterbuch von Johannes Hartlieb in einer um 1470 entstandenen Abschrift aus der Fürstlich Salm-Salm'schen Bibliothek der Wasserburg Anholt FSSB Ms. 46. Faksimile-Ausgabe, Bedburg-Hau: Museum Schloss Moyland 2004, 214 S., 371 Farbabb., ISBN 978-3-935166-20-1, EUR 49,90
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Irmgard Müller / Michael Martin / Peter Wiehl (Hgg.): Anholter-Moyländer Kräuterbuch. Das Kräuterbuch von Johannes Hartlieb in einer um 1470 entstandenen Abschrift aus der Fürstlich Salm-Salm'schen Bibliothek der Wasserburg Anholt FSSB Ms. 46. Faksimile-Ausgabe. Wissenschaftlicher Begleitband zur Faksimile-Ausgabe, Bedburg-Hau: Museum Schloss Moyland 2004, 260 S., ISBN 978-3-935166-21-8, EUR 19,00
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Stiftung Museum Schloss Moyland (Hg.): Pflanzenkunde im Mittelalter. Das Kräuterbuch von 1470 der Wasserburgen Anholt und Moyland. Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum und der Universitäts- und Landesbibliothek der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Bedburg-Hau: Museum Schloss Moyland 2004, 187 S., ISBN 978-3-935166-22-5, EUR 28,00
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Mariacarla Gadebusch Bondio: Medizinische Ästhetik. Kosmetik und plastische Chirurgie zwischen Antike und früher Neuzeit, München: Wilhelm Fink 2005
Michael Hau: The Cult of Health and Beauty in Germany. A Social History, 1890-1930, Chicago: University of Chicago Press 2003
Maria Wittmer-Butsch / Constanze Rendtel: Miracula - Wunderheilungen im Mittelalter. Eine historisch-psychologische Annäherung, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003
Marion Baschin: Ärztliche Praxis im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Der Homöopath Dr. Friedrich Paul von Bönninghausen (1828-1910), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014
Mischa Meier (Hg.): Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart: Klett-Cotta 2005
In der Fürstlich Salm-Salm'schen Bibliothek auf der Münsterländischen Wasserburg Anholt (Kreis Borken) wird das um 1470 entstandene so genannte Anholter-Moyländer Kräuterbuch aufbewahrt. Es handelt sich dabei um eine von insgesamt fünf überlieferten Bilderhandschriften des Kräuterbuchs von Johannes Hartlieb (gestorben 1468), das dieser Mitte des 15. Jahrhunderts verfasst hatte. Der Anholter-Moyländer Kodex ist ein wahres Pretiosum, denn er stellt das einzige mittelalterliche, durchgängig illustrierte Herbarium in deutscher Sprache vor der Einführung des Buchdrucks dar. Außerdem besitzt allein dieses Werk innerhalb der bekannten mittelalterlichen Literatur zusätzliche hebräische Texte. Die Gegenüberstellung von ganzseitiger Abbildung und Text wird für die Entstehungszeit als ein Novum gewertet. Die Texte enthalten vornehmlich medizinisch-pharmazeutische Informationen zu den jeweils beschriebenen Drogen. Nach Einschätzung von Irmgard Müller und Michael Martin war das Werk offensichtlich für den praktischen heilkundlichen Gebrauch gedacht, wobei botanische Kenntnisse, die in den Monografien kaum Berücksichtigung finden, wohl vorausgesetzt wurden. [1]
Als Ergebnis eines interdisziplinären wissenschaftlichen Projekts wurde dieser wertvolle, einzigartige Kodex als Faksimile herausgegeben, transkribiert, ins moderne Deutsch übertragen und von Fachleuten bearbeitet und kommentiert. Die Früchte dieses komplexen Unternehmens wurden der Öffentlichkeit in drei Büchern und einer Ausstellung präsentiert.
Das Katalogbuch "Pflanzenkunde im Mittelalter" wendet sich an den Besucher der Ausstellung, insbesondere an den interessierten Laien. In acht Beiträgen analysieren und beurteilen Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen wie Medizingeschichte, Kunstgeschichte, Jiddistik und Mediävistik unter Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte und Einordnung des Kodex in den gesamthistorischen Kontext seine Bedeutung für die jeweilige Disziplin. So skizziert beispielsweise Michael Martin, "Das Anholter-Moyländer Kräuterbuch und die Pflanzenkunde im Mittelalter" (15-26), die Verbindung des Werkes mit der mittelalterlichen Pflanzenkunde; Irmgard Müller, "Krankheit und Heilmittel im Anholter-Moyländer Kräuterbuch" (27-38), erklärt erwähnte Krankheiten und Heilmittel innerhalb des zeitgenössischen Krankheits- und Therapiekonzepts; Peter Wiehl, "Merkwürdiges aus der Schreibstube - Zu Schreiber, Schrift und Sprache" (39-53) unterzieht es einer detaillierten philologischen Betrachtung, während sich Susanne Wittekind "Das Anholter-Moyländer Kräuterbuch des Johannes Hartlieb - Überlegungen zu Ausstattung und Anspruch der Handschrift" (54-62) auf eine kunsthistorische Beurteilung konzentriert.
Diesem Teil folgen 60 Farbtafeln mit erläuterndem Text. Sie zeigen einzelne Illustrationen aus dem Anholter-Moyländer Kräuterbuch und Abbildungen aus medizin- und pharmaziehistorischen Werken, die für die Positionierung und Bewertung des Kodex relevant sind. Bilder zur mittelalterlichen Apothekenpraxis und zur Pflanzensymbolik erweitern den Blick auf das historische Umfeld. Ein Katalog der ausgestellten Handschriften, Bücher und Apothecaria samt einem Literaturverzeichnis vervollständigen das Buch.
Die Synthese der einzelnen Beiträge samt dem Abbildungs- und Katalogteil vermittelt dem Leser ein in sich geschlossenes und zugleich vielseitiges Gesamtbild von Inhalt und Wert des mittelalterlichen Kräuterbuchs. Die Texte sind so gehalten, dass sie auch für den Laien gut verständlich und lesbar sind. Aus der Sicht der Rezensentin erscheint allerdings der Aufsatz von Iris Kwiatkowski, "Die Herrschaft Anholt-Moyland im späten Mittelalter und die Familie von Bronckhorst-Batenburg" (75-90), zu ausführlich, zumal dieses Thema, soweit es für die Überlieferungsgeschichte der Handschrift relevant war, bereits im vorhergehenden Beitrag besprochen wurde.
Die Faksimile-Ausgabe des Kräuterbuchs bildet einen eigenen Band. In 172 Monografien werden überwiegend heilkräftige Pflanzen, aber auch einige Tiere wie Hirsch, Wolf und Bieber, Mineralien wie Weinstein und Siegelerde, zwei Tiersekrete (Ambra und Biebergeil) und eine pflanzliche Zubereitung (Firnis) alphabetisch nach ihren lateinischen Bezeichnungen geordnet, wobei die Reihenfolge wegen Bindungsfehler nicht stringent eingehalten wurde. Es erscheint auf der linken Seite (verso) jeweils eine ganzseitige Abbildung (Federzeichnung in brauner Tinte, Wasserfarbenmalerei), während auf der gegenüberliegenden rechten Seite (recto) der lateinische und deutsche Name der Droge, deren Qualitäten entsprechend der galenischen Qualitäten- und Humoralpathologie samt heilkräftiger Wirkung mit Angaben zur Herstellung von Medikamenten und Applikationsformen angegeben sind. Botanische Ausführungen sind spärlich. Das Faksimile ist von hoher Qualität und eignet sich sehr gut für wissenschaftliche Untersuchungen.
Der wissenschaftliche Begleitband zur Faksimile-Ausgabe ist von professioneller Wissenschaftlichkeit geprägt. Er gliedert sich in drei Abschnitte. Der einleitende Teil besteht aus drei Beiträgen, von denen der erste, "Die Handschrift 'Ms. 46' der Fürstlich Salm-Salm'schen Bibliothek der Wasserburg Anholt - Kräuterbuch des Johannes Hartlieb" (9-15) von Irmgard Müller und Michael Martin, der Geschichte des Anholter-Moyländer Kräuterbuchs gewidmet ist. Der zweite Aufsatz, "Philologische Erkundungen zu Schreiber, Schrift und Sprache" (16-31) von Peter Wiehl, untersucht und bewertet es unter philologischem Aspekt, während der dritte, "Die hebräischschriftlichen Texte im Anholter-Moyländer Kräuterbuch" (32-36) von Mirjam Gutschow, schließlich Stellung zu den hebräischschriftlichen Textzusätzen nimmt. Der Leser wird so gezielt auf das Studium der nachfolgenden Texte vorbereitet. Diese sind transkribiert und ins moderne Deutsch übertragen worden. Ein vorbildlicher wissenschaftlicher Apparat mit Textvarianten in anderen Handschriften, einschlägigen Verzeichnissen und der Identifizierung der Pflanzen- und Tiernamen samt einem angemessenen Literaturverzeichnis schließen den Band ab.
Insgesamt ist diese Trilogie in vielerlei Hinsicht ein gelungenes Werk. Form, Konzept und Inhalt sind so gestaltet, dass sie nicht nur Wissenschaftlern eine wertvolle, sorgfältig bearbeitete mittelalterliche Quelle zur Verfügung stellt, sondern sich mit einem gut verständlichen Band auch an den interessierten Laien richtet. Damit wird Geschichte in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und ein unersetzliches Werk in die Gegenwart getragen. Zudem sind die drei Bücher als vorbildliches Beispiel für eine fachübergreifende Kooperation zu werten. Sehr erfreulich ist schließlich, dass der Preis von 89 Euro für alle drei Publikation zusammen im moderaten Rahmen geblieben ist.
Anmerkung:
[1] Irmgard Müller / Michael Martin: Die Handschrift 'Ms. 46' der Fürstlich Salm-Salm'schen Bibliothek der Wasserburg Anholt - Kräuterbuch des Johannes Hartlieb, in: Wissenschaftlicher Begleitband zur Faksimile-Ausgabe, 9-15.
Sabine Anagnostou