Fritz Grosse: Image der Macht. Das Bild hinter den Bildern bei Ottheinrich von der Pfalz (1502-1559), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2003, 304 S., ISBN 978-3-937251-17-2, EUR 49,90
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Der Bildpolitik Pfalzgraf Ottheinrichs - über die Devise "Mit der Zeyt" historischer Prototyp des aussitzenden Pfälzers - hat Fritz Grosse die hier angezeigte, reich bebilderte Studie gewidmet. 2002 lag sie der Universität Halle-Wittenberg als Promotionsschrift vor. Dabei handelt die Arbeit nicht von Ottheinrichs nur dreijähriger Kurfürstenzeit in Heidelberg. Ihr Interesse gilt vielmehr den Neuburger Jahren, und hier zumal der Zeit nach dem Reformationsmandat vom Juni 1542. Unmittelbar bevor also die Landstände 1544 die Regierung übernahmen und den bankrotten Pfalzgrafen ins Exil schickten. Devise und Eckdaten deuten so bereits an, dass Ottheinrichs Magnifizenz nicht unverschattet blieb: Das Junge der 1505 geschaffenen 'Jungen Pfalz', ihre vorübergehende Teilung zwischen den Brüdern Ottheinrich und Philipp, sodann die 1544 zunächst verpasste Kurwürde - hieraus ergeben sich zahlreiche Haftpunkte für eine Untersuchung, die, was der Titel andeutet, zum 'eigentlichen', womöglich krisengeschüttelten Bild eines Regenten gelangen will.
So arbeitet Grosse gleich zu Beginn als strukturbiografische Faktoren (11-14) die starken pfälzischen Bindungen Ottheinrichs heraus und betont dessen kommunikative Distanz gegenüber den Wittelsbacher Vettern in München und Landshut. Die Kunstbemühungen des Pfalzgrafen, so die These, wollten in diesem Gefüge einerseits Herrschaft nach innen hin kommunizieren und so den "politischen Würgegriff der bayerischen Herzöge" (39) lockern helfen. Zum anderen fußten sie auf Ottheinrichs Königsambitionen und unterstrichen anspruchsvoll die erwartete Kurwürde als Voraussetzung einer aussichtsreichen Teilhabe an den reichspolitischen Planspielen der großen Dynastien.
Beobachtet wird dies in drei Kapiteln: Am Beginn steht die als 'capella palatina' und 'capella regia' umfassend gewürdigte Neuburger Schlosskapelle (15-164). Es folgen drei, dem Schlachtengedenken der Pfalzgrafenbrüder gewidmete Teppiche (165-190). Der letzte Abschnitt gilt einem Ensemble weiterer Tapisserien, nun mit Ottheinrich, seiner Gattin Susanna von Bayern und Philipp in Ganzfigur (191-236). Die gewählte Abfolge lässt sich zugleich als eine zunehmende Konkretisierung des Herrschers lesen, dessen Amt in der Kapelle zunächst gleichnishaft ausgedeutet ist, sodann über seine und seiner Vorväter Taten kenntlich wird, bis er schließlich selbst im 'Personalbildnis' (Daniel Spanke) erscheint.
Nicht alle Bilder sind - man siehe die schwankenden Kapitellängen - von gleicher Wertigkeit für den Landesvater. Doch liegt der geografische Punkt Pfalz-Neuburgs deutlich in der Schlosskapelle: Das hohe Anspruchsniveau, das Ottheinrich hier erreichte, wird von Grosse zumal gegen die Georgenkapelle der Münchner Residenz veranschlagt (20, 83-87, 161). Die eigenen Landstände bekamen das fertig ausgemalte Innere wohl im Herbst 1543 und damit zu einem Zeitpunkt zu Gesicht, als das Schicksal des Pfalzgrafen in ihren geldgebenden Händen lag.
Bereits insofern liegt es nahe, einer "politischen Legitimationskraft der religiösen Bilder" (57) nachzugehen. Abweichend von der bisherigen Forschung, die zumal die Inventorenschaft des Nürnberger Reformators Andreas Osiander betonte, akzentuiert Grosse die beziehungsreiche 'Bilderpredigt' der Kapelle als Rede an und über den Herrscher, der von Gottes Heilsplan vorgesehen, darin selbst Garant politischer Heilsgeschichte würde. Über dem Gedanken einer gelockerten 'halb-' beziehungsweise 'außerbiblischen Typologie' (Friedrich Ohly) wird das Innere zum 'Zeitenraum', in dem himmlisch-weltlicher Ordo als Relation von 'oben' und 'unten' anschaulich ist (63-71). War dies so bereits von Reinhold Wex über die Torgauer Schlosskapelle zu erfahren [1], drängt Grosse indes auf die "lichtmystische Anlage" der Kapelle (98, 133) und eine atmosphärische Beglaubigung: Eine Trias von Altar, Deckenfresko und dem Tafelbild des Jüngsten Gerichts - 1613 "ob der porkirche" erwähnt (147 f.) - teilte sich in die Betrachteransprache. Dabei war die politische Botschaft in der christlichen Ikonografie gewissermaßen entgrenzt vorhanden und legte sich erlebend nahe.
Als Verteiler und Brennspiegel der Deutungen fungiert der von Martin Hering 1540 geschaffene Altar (Kapitel 2.8). Er besitzt kein Retabel im eigentlichen Sinne, sondern zeigt als Skulpturengruppe eine verknappte Golgatha-Szene, die von einem neugotischen Fenster hinterfangen wird. Die Analyse der hineinspielenden Funktionsformen arbeitet zunächst die 'Gesetz und Gnade'-Thematik heraus. Grosse spitzt sie auf den Bauherrn zu, dessen Titulatur dem Rahmenbogen eingearbeitet ist. Ottheinrichs Name korrespondiere so in der Bedeutung des 'Werkzeugs Christi' mit den Arma Christi in der Gewölbetonne der Altarnische (74). Zumal in Morgenliturgie und sonntäglichem Gottesdienst würde dies akzentuiert, indem das einfallende Gegenlicht die Gnadenerkenntnis des Herrschers in eine Erleuchtungsmetapher übertrug (82). Grosse differenziert deren Rezeption mittels der Kategorien von Andachts- und Memorialbild, um so zwischen Individual- und Gruppenansprache zu unterscheiden (114-120). Was darin zugleich den Fortbestand von Wahrnehmungstraditionen unterstreicht, bleibt hinsichtlich der protestantischen Verschiebungen im Imitatio Christi-Gedanken und der Meditationspraxis allerdings etwas unentschieden (115). Hier, wie in der Studie insgesamt, ist Kontinuität nicht ein Programm der Artefakte selbst, sondern konstituiert ebenso deren Beobachtung.
Dies prägt auch einen ideengeschichtlich komplexen Abschnitt (83-113), in dem Grosse darlegt, wie die universalgeschichtliche Konstruktion nationalen Eigenwerts (translatio imperii), chiliastische Denkanteile (Weltherrscherprophetie) und eine zumal am Heidelberger Hof gepflegte Vergil-Lektüre (4. Ekloge) ein Hoffnungsbild des Fürsten schufen, das Ottheinrich sodann zum integrativen Bestandteil seines Lobes machte. Gegenwartsdeutung und Zukunftsprogramm der Hofkapelle lauten demzufolge, "daß nach der Person Christi das wichtigste Subjekt der Heilsgeschichte ein 'Sonnenkaiser' [sein] wird, der mit einer antiken Sol invictus-Gestalt Kaiser Konstantins identifiziert werden konnte oder mit der Erlösungsgestalt Pfalzgraf Ottheinrichs" selbst (95). Hier allerdings überrascht, dass Grosse das Altarretabel nicht auf jene Kreuzesvision von 312 bezieht, die das Verhältnis von Staat und Kirche durchgreifend neu ordnete. So berichtet ja die Legenda Aurea, darin Laktanz ausschöpfend, Konstantin sei "gen Sonnenaufgang das Kreuzeszeichen in feurigem Glanz" erschienen. Mag man zwar Ottheinrich nach 1541 kaum mehr unter die Leser dieses Handbuchs rechnen, muss ihn die gegebene Inszenierung an das 'hoc signo vincitur' aber doch unmittelbar erinnert haben: Nicht nur lag der Herrschaftstand dem Altar gegenüber (147), auch hob die "Gegenlichtregie" (83) ja tatsächlich die Umrisse des Kreuzes hervor und sorgte für eine Gloriole mit einem Siegeszeichen. [2] Zu dieser 'Imitatio Constantini', wie sie vom Kreuzaltar ausgeht, verhalten sich die Ausführungen zur Partizipation des Herrschers am göttlichen Glanz (96-98) und zur "Rex-Imago-Die" (100-106) auf doppelte Weise atmosphärisch. Sie legen dar, wie der Herrscher sich selbst symbolisch gegenüber seiner Umwelt erfuhr und machen dies zur Einsicht des gesamten Raumes. Dabei sieht auch Grosse, dass sich das typologische System von Obergaden und Decke erst vom Kreuzaltar her erschließt (153). Mit ihm war ein Vorzeichen gegeben, über das Ottheinrichs Biografie sich christologisch ausspielte - dies sowohl in ihren leidenden wie in ihren Herrscheranteilen.
Demgegenüber verfolgt der letzte Abschnitt des Kapellen-Kapitels den Blickwechsel zwischen Regent und Hofstaat: Die thematische Klammer lautet hierfür auf "Treu und Glauben", wofür eine erste Übersicht die Bindekräfte bemisst, wie sie zwischen Kirchenregiment und Territorialisierung entstanden (120-129). Von hier aus geht der Blick zum Deckengemälde mit der Himmelfahrt Christi, das darin auch den Adventus Ottheinrichs meine und die darunter Versammelten zu 'Viri Galilaei' aufwertet und zugleich verpflichtet. Bereits zuvor wurden als wichtigste Adressaten die Räte und die Gesandten der Landstände kenntlich (120). Zumal an ihre administrative Erfahrung wende sich das Deckenfresko; darin unterstützt vom Jüngsten Gericht auf der Empore, das in seiner ikonografischen Nähe zur Eidtafel den Eidbruch in seinen schrecklichen Folgen konkretisierte (137-152). Das christliche Bekenntnis, wie es Taufe und Abendmahl im Deckenprogramm aussprachen, würde so ergänzt um das unverbrüchliche 'Bekenntnis' zum Landesherrn, das darin sakramentale Dimension gewänne. Im vielgestaltigen Erleben dieser Bezüge begründet sich für Grosse die "Unentrinnbarkeit der Untertanen" (118). Ob allerdings dieser ikonologische Umschlag vom Programm zur Programmierung tatsächlich als 'Sozialdisziplinierung' figurieren kann, bleibt zustimmungsfähig in dem Maße, wie die begriffliche Ausweitung dieses dereinst gegen 'Absolutismus' gesetzten Forschungskonzeptes akzeptiert wird.
Das ikonologische Fahrwasser beruhigt sich in den beiden nachfolgenden Kapiteln zu den Tapisserien nur wenig: Bei den Schlachtenteppichen drängt Grosse vor allem darauf, wie Ottheinrich formal und inhaltlich kurpfälzische Tradition fortschrieb und sich insbesondere vor Friedrich dem Siegreichen verbeugte. Aus dem Berchtesgadener Teppich, der zwei Scharmützel vor Wissembourg erinnernd zusammenschließt, lässt sich allerdings nur bei gutem Willen die "Wiederholung paradigmatischer (Ur-)Kämpfe des Hauses Pfalz" herauslesen (189). Einem Pfalzgrafen mit Königsallüren mochte das sicher leicht fallen. Bezeichnend will aber scheinen, dass sich gerade hier eine politische Wirkung eben nicht wie selbstverständlich ergibt, sondern Grosse auch das Scheitern von Kommunikation über allzu inhaltsreicher Repräsentation zumindest andeutet. "Bildstörung" (188) meint dabei auch, dass Ottheinrich 'Reformation unter Waffengewalt' hier zwar aussprach, ihm die Ikonografie in ihrer semantischen Weite aber recht eigentlich entglitt.
So betritt das letzte Kapitel ein für alle Beteiligten doch sichereres Terrain, wenn der Pfalzgraf hier als Ganzfigur, in 'politischer Landschaft' (Martin Warnke) erscheint. Ottheinrichs Hofmaler Peter Gertner, auf den die hier behandelte Trias von Porträtteppichen zurückgeht, umgibt die Dargestellten mit paradiesischer Menagerie und heraldischer Flora. Den Hintergrund bilden Topografien von historisch-biografischem oder prospektiv-dynastischem Interesse (198-210). Grosse sieht darin zugleich das Wunschbild vom Goldenen Zeitalter chiffriert, das in den drei Herrschern selbst vertreten sei (223-231). Dürfen dabei nochmals Motive Vergils greifen, geben sie zumal den Teppichen des Ehepaars eine spezifisch antihabsburgische Stoßrichtung: Für Ottheinrichs Haus-, Religions- und Territorialpolitik wäre so eine "Staffel von Zielen" (229) ausformuliert; funktional wird eine Stellvertreterrolle im diplomatischen Verkehr erwogen (196).
Das knappe Schlusswort (237) drängt auf die Medialität von Herrschaft und macht darüber geltend, dass sich erst im sozialen Umfeld die verfolgten politischen Ansprüche aufdecken lassen. Allerdings intendiert die vorliegende Studie hier vielleicht weniger eine Sozialgeschichte höfischer Kunst als vielmehr eine Kunstgeschichte unter kommunikativen Aspekten. Zumal die Ausführungen zur "Bildstörung", so kurz sie sein mögen, deuten hierauf hin. Doch gibt es überhaupt Nichtgewolltes im Kunstwollen des Pfalzgrafen? Grosse scheint es zu verneinen, und der mediale Ansatz erweist sich darin nicht ganz im Reinen mit der politischen Ikonologie, die er vertritt. Legt man nämlich das kunsthistorisch eingeübte Ikonologie-Verständnis Panofskys zu Grunde, so bliebe die Dechiffrierung noch so komplexer Bildprogramme letztlich noch immer Ikonografie. Erst die (geistesgeschichtliche) Historisierung der Artefakte zu Zeitdokumenten verlässt diese Stufe. Grosse deutet hier zwar an, dass die Polyvalenz der Bildsinne ein Symptom epochenspezifischer Komplexitätssteigerung sein könnte und erwähnt auch einmal das Deutungskonzept der 'Konfessionalisierung' (141). Was aber hinter den politischen Programmen steht und darin Architekturen und Bilder zu seinen Agenten macht, es bedürfte in seiner ikonologischen Dimensionierung eigentlich der Umschau, zumal der Gegenprobe bei anderen Reformationsfürsten, Reichsständen oder Fällen politischen Scheiterns auf derselben Zeitebene. Dies wäre auch notwendig, um dem sich einstellenden, mechanistischen Moment zu begegnen, politisches beziehungsweise dynastisches Handeln hätte seine eigengesetzlichen Interessen, die mit dem Glaubenswechsel nur deshalb ihre Bilderhülle austauschten, um Wirkungsquantität und -qualität zu optimieren. [3]
Mit dem Anspruch, ein 'Dahinter' ikonologisch aufzuspüren, verordnet sich Grosse so eine nachhaltige Historisierung wirkungsästhetischer Bezüge - insbesondere auf die 'Wahrheit' des landesherrlichen Glaubenswechsels hin. Hier bleibt das "Bild hinter den Bildern" noch profilierungsfähig, wenngleich sich das "Image der Macht" in souveräner Belesenheit formt. Dass Grosse dabei den Leser bisweilen etwas zu selbstverständlich auf demselben Wissensstand über Pfalz-Neuburg im Allgemeinen und Ottheinrich im Speziellen annimmt, man kann es als ein fortgesetztes Gelingen dieser Imagebildung betrachten.
Anmerkungen:
[1] Reinhold Wex: Ordnung und Unfriede. Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland, Marburg 1984, 147-175.
[2] Für diese Zusammenhänge, bis herauf zur Bewertung von Konstantins Vision durch die Magdeburger Zenturionen, jetzt Klaus Schreiner: "sygzeichen". Symbolische Kommunikationsmedien in kriegerischen Konflikten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Ute Frevert/Wolfgang Braungart (Hrsg.): Sprachen des Politischen. Medien und Medialität in der Geschichte, Göttingen 2004, 20-94, hier 22-41.
[3] Zum Hin und Her der Bilder in Pfalz-Neuburg bliebe nachzutragen: Franz Josef Merkl: Kunst und Konfessionalisierung. Das Herzogtum Pfalz-Neuburg 1542-1650, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 32 (1998), 188-211.
Thomas Packeiser