Harriet I. Flower (ed.): The Cambridge Companion to the Roman Republic, Cambridge: Cambridge University Press 2004, XV + 405 S., ISBN 978-0-521-00390-2, GBP 19,99
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Joachim Szidat: Usurpator tanti nominis. Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337-476 n. Chr.), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010
Mancherlei neue Farben hat das Bild der römischen Republik in den letzten Jahren erhalten, und mitunter ähnelt es nicht einmal mehr in den Umrissen dem früher gezeichneten. Ein einschlägiges Studienbuch ist daher willkommen, wenn es die immer breiter werdende Kluft zwischen der Forschung auf der einen und Studenten sowie breiterer Leserschaft auf der anderen Seite zu überbrücken vermag. Der Cambridge Companion verzichtet auf eine fortlaufende Erzählung der Hauptereignisse, stattdessen wählt er den ambitionierteren Weg, in systematischen Kapiteln zentrale Themenkomplexe zu präsentieren. Die Reihenfolge ließe sich dabei, wie Harriet I. Flower erläutert, zuweilen ohne Weiteres variieren, eine strikte inhaltliche Abgrenzung der Beiträge voneinander ist vernünftigerweise nicht versucht worden.
Nach einer eher locker assoziierenden Einleitung (1-11) stellt Stephen P. Oakley "The Early Republic" bis etwa 264 v. Chr. vor und gibt damit eine notwendige Hinführung zu den anderen Beiträgen, die sich im Wesentlichen mit den letzten zwei Jahrhunderten der Republik befassen. Er beschreibt die inneren Auseinandersetzungen und den äußeren Aufstieg, stellt dabei aber mit Recht klar, wie hypothetisch jede Rekonstruktion angesichts der schmalen Quellengrundlage bleiben muss (15-30). T. Corey Brennan widmet sich "Power and Process under the Republican 'Constitution'''. Vernünftigerweise geht er von der Magistratur aus, doch leider bleibt er auch bei ihr stehen. Brennan trägt scharfsinnige Beobachtungen vor, die wesentlich aus seinem grundlegenden Werk "The Praetorship in the Roman Republic" (Oxford 2000) stammen. Aber allzu sehr verliert er sich in Details wie der Einholung der lex curiata und in einer langwierigen Erörterung des imperium. Zu knapp, nur hinsichtlich der Kontrolle der Magistrate geht Brennan dagegen auf den Senat ein. Die zentrale Körperschaft der res publica erfährt in der Konsequenz im ganzen Band keine ausreichende Würdigung. Fast völlig ausgeblendet bleibt das Volk, was angesichts der seit über zwanzig Jahren intensiv geführten Debatte um seine politische Rolle nur überrascht. Die tabellarische Auflistung der verschiedenen formalen Institutionen der res publica (auch der Volksversammlungen) in einem Appendix vermag da keine Abhilfe zu schaffen (31-65). Auf die Behandlung von Heer und Flotte durch David Potter (66-88) folgt von Jürgen von Ungern-Sternberg ein souveräner Überblick über "The Crisis of the Republic", der freilich gerade die Art von Erzählung der Hauptereignisse darstellt, auf welche der Band verzichten will (89-109).
Karl-Joachim Hölkeskamp geht in seinem luziden Beitrag über römische Familienstrukturen von familia, domus und gens aus. Von idealisierten Vorstellungen wie derjenigen des pater familias, der bis zum Tode als Autokrat über seinen Haushalt herrscht, grenzt er die Realitäten ab: souveräne Entscheidungen erwachsener Söhne und zunehmend auch der Frauen, Zweit-, Dritt- und Viertehen, Scheidungen, vorzeitige Todesfälle, die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen über die weibliche Linie - all das sorgte für ein enges Geflecht von Verbindungen, das weite Teile der Oberschicht in der späten Republik zusammenhielt. Gleichzeitig hebt Hölkeskamp die Bedeutung des Hauses als privater wie öffentlicher Treffpunkt hervor, seine Rolle als Schatzhaus des familiären symbolischen Kapitals in Form von Kriegstrophäen, Stammbäumen und Ahnenmasken. Die Untrennbarkeit von politischer und familiärer Sphäre wird in wünschenswerter Deutlichkeit hervorgehoben ("Under Roman Roofs: Family, House, and Household", 113-138). Einen kenntnisreichen und spannenden Einblick in die Situation der Frauen, der sich keineswegs auf die Eliten beschränkt, gibt Phyllis Culham (139-159). Anhand von juristischen Texten (gewöhnlich Gesetzen), die als Quellengattung noch am besten fassbar sind, erläutert Jean-Jacques Aubert ausgewählte Aspekte der Wirtschaft: "The Republican Economy and Roman Law: Regulation, Promotion, or Reflection?" (160-178). Von Jörg Rüpke stammt ein gedankenvoller, aber auch (zu) viel voraussetzender Essay über römische Religion, verstanden als Konglomerat aus verschiedenen sozialen Praktiken (179-195).
"Italy during the Roman Republic, 338-31 B.C." behandelt Kathryn Lomas in einem gehaltreichen Beitrag, der deutlich macht, welche Ambivalenzen einen Prozess prägten, der mit dem harmonisierenden Begriff 'Romanisierung' recht unzulänglich beschrieben ist (199-224). John F. Lazenby stellt sachkundig die politisch-militärische Geschichte der ersten beiden Punischen Kriege dar. Freilich scheint das Lob der römischen Geschlossenheit und der Staatskunst des Senats etwas übertrieben, angesichts der munter weitergehenden inneren Auseinandersetzungen (225-241). Erich S. Gruen skizziert die Expansion in den griechischen Osten entlang der Gedanken, die er ausführlich in seinem "The Hellenistic World and the Coming of Rome" (Berkeley u. a. 1984) entwickelt hat (242-267).
Elaine Fantham beschäftigt sich mit der lateinischen Literatur und nur mit ihr - griechischschreibende Römer bleiben ausgeblendet. Gewiss kann man noch darüber debattieren, ob eine Aneinanderreihung von Autoren und Werken einen angemessenen Einblick in die ersten Jahrhunderte römischer Literatur vermittelt. Dass in dieser Aneinanderreihung dann aber Varro und vor allem Caesar schlicht fehlen, bleibt ein Rätsel (271-293). Anders verfährt Ann L. Kuttner mit der Kunst während der Republik. Sie definiert sie als "any and all artwork that the peoples of the developed Republic made and displayed at home and abroad" (320), also unter Einschluss der Beutekunst aus dem Osten. Kuttner interessiert die öffentliche Funktion von Kunst für die römische Gesellschaft. Der faszinierte Leser hört von Kunstwerken als Thema des Elitendiskurses, er sieht mit den Augen des Römers die Statuen und die naturalistischen Portraits, er erfährt mehr über die öffentliche Rolle von (dargestellten) Patronen, über die politische Bedeutung der italischen und hellenistischen imitatio römischer Kunst, über die Wechselwirkung zwischen Ritualen und ihrer künstlerischen Verbildlichung und schließlich über die Funktion der Kunst im immer monumentaler werdenden Stadtbild (294-321). Flower arbeitet kundig die gar nicht zu überschätzende Rolle des öffentlichen Raumes für die römische Gesellschaft heraus ("Spectacle and Political Culture in the Roman Republic"). Am Beispiel der ludi, des Triumphs und des nobilitären Begräbnisses zeigt sie, wie sehr die politische Kultur von Ritualen geprägt war, welche gleichzeitig die gemeinsame Identität aller Bürger in der res publica festigten, den Anspruch der Eliten auf politischen und gesellschaftlichen Primat vor Augen führten und den einzelnen Spielgeber, Sieger oder Verstorbenen zum Mittelpunkt der Gemeinschaft machten, und sei es nur für einen Tag. Die Ausrichtung von öffentlichen Gebäuden wie Privathäusern auf öffentliche Rituale thematisiert Flower ebenso wie die Veränderungen, welche der Aufstieg zum Imperium mit sich brachte - ein verbissenes Bemühen, das jeweils großartigste Schauspiel zu geben -, oder die Wechselwirkungen von Kunst und Literatur (322-343). In einem Epilog skizziert Mortimer N. Sellers schließlich die Vorbildwirkung der Republik auf die Amerikanische und die Französische Revolution (347-364).
Fast jeder Beitrag enthält Anmerkungen, die jeweils am Ende des Aufsatzes angeführt sind. Die Auflösung der dort genannten Kurztitel findet man gesammelt im Literaturverzeichnis, das zusammen mit einer zweiseitigen Zeittafel und einem Register den Band beschließt. Unter Umständen sucht man also etwas mühsam an drei Stellen auf einmal, im Text, in den Anmerkungen und in der Bibliografie. Wissenschaftliche Abkürzungen werden manchmal vermieden, öfters aber ohne weiteres benutzt. Doch animieren Zusammensetzungen wie FIRA, IGRR, Sherk 1969 oder Varro, L.L. den als Zielgruppe definierten Studenten oder General reader wirklich zum Nachlesen, oder schrecken sie nicht eher ab?
Ohnehin bleibt fraglich, ob der Band sein gewünschtes Publikum erreicht. Einige Beiträge eignen sich nicht als erster Überblick. Andere wiederum argumentieren auf einer elementaren Ebene, die für der Antike Fernerstehende oder Erstsemester zweifellos angemessen ist. Allerdings gibt es auch im englischsprachigen Bereich genügend Einführungen, die ihr Thema breiter und nachvollziehbarer darstellen als die manchmal angesichts des Platzmangels etwas gehetzt wirkenden Aufsätze im vorliegenden Band; man wird Erstere eher empfehlen als Letztere. Wieder andere Artikel, etwa Hölkeskamp, Kuttner und Flower, zielen auch auf etwas Fortgeschrittenere, neben der Wissensvermittlung überraschen sie den Leser mit der vertrauten Fremdartigkeit römischer Kultur und stimulieren zu eigenem Nachdenken. Auf diese Beiträge wird man im Seminar gern als Diskussionsgrundlage verweisen, und sie machen den Wert des Cambridge Companion aus.
Rene Pfeilschifter