Caroline Ford: Divided Houses: Religion and Gender in Modern France, Ithaca / London: Cornell University Press 2005, 170 S., ISBN 978-0-8014-4367-1, GBP 18,50
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Das vorliegende Buch rezipiert vor allem zwei Forschungsthesen zum 19. Jahrhundert: Zum einen geht die Studie von einer "Feminisierung des Katholizismus" aus, die sowohl in ihrem quantitativen Aspekt (Auszug der Männer aus dem kirchlichen Leben) als auch in ihrem qualitativen Aspekt (spezifisch weibliche Frömmigkeitsformen) für das Frankreich von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg belegt werden. Zum anderen fand in diesem Zeitraum auch der Prozess einer "Säkularisierung" mit der Formierung des Prinzips der laïcité statt, welches, so Ford, noch bis in unsere Tage im französischen Diskurs über religiöse und politische Identität nachwirke. Während in der deutschen Forschung die Beschäftigung mit ultramontaner Frömmigkeit - diesen Ausdruck verwendet auch Ford -, aber auch mit Okkultismus und Magnetismus zur These einer "Entzauberung der Moderne" geführt hat, beleuchtet Ford die beiden gegenläufigen Thesen der Feminisierung und der Säkularisierung in ihren Konflikten und Parallelen. Beide Entwicklungslinien erfahren durch die Herausforderungen der anderen Seite wichtige Impulse, die sie eher bestärken als relativieren. Dies führt Ford an fünf Beispielen aus.
Das erste Kapitel behandelt den bereits im 17. Jahrhundert entstandenen Diskurs über den angeblich natürlichen Hang von Frauen zur Religion. Dieser war einerseits negativ mit Begriffen wie "Fanatismus" und "Hysterie" verbunden, andererseits mit dem unbestimmten Begriff des "frommen Geschlechts" ("le sexe dévot") gewürdigt worden. Ford sieht die Feminisierung des religiösen Personals als Folge der Gegenreformation in einer longue durée. Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert betont Ford eine Kontinuitätslinie im Prozess der Feminisierung, die quer zu dem bekannten Niedergang des Religiösen in der Aufklärung liege. Doch in der Französischen Revolution habe eine weitere Verknüpfung zwischen den Bereichen des Weiblichen und des Religiösen stattgefunden, z. B. durch die Konstruktion der "femme fanatique" (23), die an Diskurse aus dem 17. und 18. Jahrhundert anknüpfe. Die Folge: Bereits 1808 lässt sich eine Wiederbelebung weiblicher religiöser Gemeinschaften in Frankreich belegen, als das napoleonische Ministerium für Religiöse Angelegenheiten bereits 12.000 "religieuses" und "congréganistes" in Frankreich zählte, nur wenige davon echte Neugründungen (33). Napoleon förderte sie, wenn sie sich sozial nützlich machten.
Das zweite Kapitel analysiert den Fall Loveday. Nach der Konversion seiner ältesten Tochter Emily zum Katholizismus protestierte der englische Protestant Douglas Charles Loveday 1821 bei der französischen Regierung dagegen. Die anschließenden Debatten über diesen Fall zeigen die Konflikte um weibliche religiöse Berufungen in der postnapoleonischen Zeit. Einerseits hatten Frauen nach der Revolution ein Recht auf religiöse Berufung und Meinungsfreiheit. Andererseits tangierte die Frage, ob ein 21-jähriges Mädchen das Haus verlassen konnte, um zu leben, wie sie wollte, die paternale Autorität. Die Eltern erschienen als Opfer der Kirche, die wiederum Frauen an ihrer schwachen Stelle packte, um sie geradezu zu "entführen". Die Loveday Story wurde literarisch ausgestaltet, als sei die Flucht vom Elternhaus in einen Konvent die Geschichte einer Einkerkerung gewesen und die extrem schöne Emily ein Opfer weiblicher Liebe - auch wenn es sich hier statt um einen Liebhaber um Gott handelte. Weitere Fälle wie die der Emily Kelson oder der Pauline Gerstlé bestätigen die diskursiven Muster aufseiten von Kritikern und Verteidigern weiblicher Religiosität. Die Debatten führten 1824 zu einem Gesetzesvorschlag der Wiedereinsetzung von religiösen Frauenkongregationen. 1825 wurde präzisiert, dass Nonnen ihre Gelübde nur für fünf Jahre ablegen könnten, und zwar sowohl vor zivilen wie vor kirchlichen Autoritäten. Damit sollten paternale Rechte geschützt und der Einfluss von Religion auf die Gesellschaft beschränkt werden. Gleichzeitig wurden die Schwestern geschützt, da sie ihren zivilen Status nicht mehr verloren. Dieses Gesetz war ein erster wichtiger Baustein im laizistischen Frankreich.
Das dritte Kapitel behandelt den Fall der Jeanne-Françoise Le Monnier, einer Nonne aus dem Kloster Saint Sacrament in Bayeux, die 1845 erfolgreich gegen ihre Inhaftierung im Kloster vor einem Gericht klagte. Selbst nach dem Gesetz von 1825 waren Konflikte zwischen Staat und Kirche in vielen Bereichen ungeregelt. Viele Frauenkongregationen existierten immer noch an den Rändern des Rechts. Dies führte in Konfliktfällen wie hier zu einer extrem melodramatischen, moralisch polaren Sprache. Hintergrundsfolie war eine Klausurliteratur, die zwischen 1760 und den 1840ern produziert worden war und klaustrophobe Fantasien erzeugte.
Das vierte Kapitel zeigt exemplarisch am Kult der heiligen Philomena, welche Bedeutung eine Heilige im Kontext ultramontaner Frömmigkeit besaß. Ihr Kult ergänzte den der Jungfrau Maria und führte zu einem spezifisch weiblichen Modell von Märtyrern. Wie die anderen aus römischen Katakomben geborgenen frühchristlichen Heiligen Agnes, Agatha und Angelika wurde aus Philomena eine Märtyrerin, deren Leiden mit sexuellem Widerstand verknüpft war. Im Kontext der Revolution wurden die Heiligen Symbole für die Opfer von säkularen Autoritäten. Ende des 19. Jahrhunderts wurden nicht nur die Reliquientransfers aus Rom von Papst Leo XIII. (1881) verboten, sondern auch diese Heiligen von einem anderen Typus abgelöst, wobei hier v. a. der Kult der Jeanne d'Arc (1909 selig, 1920 heilig) und die Verehrung der Therese von Lisieux (1923 selig, 1925 heilig) prägend wurden. Beide verkörperten Märtyrerinnen eines neuen Typs. Die eher androgyne Figur der Jeanne d'Arc passte zudem besser zur Maskulinisierung vor dem Ersten Weltkrieg.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem Konflikt zwischen Madame de Guerry bzw. Schwester Esther und ihrem Orden der Ewigen Anbetung der Heiligen Herzen Jesu und Marien, besser bekannt als Picpus. Schwester Esther hatte den Papst 1853 gebeten, Picpus verlassen und eine neue religiöse Gemeinschaft gründen zu dürfen. Der Papst erlaubte ihr die Gründung, installierte aber ein Tribunal, um über ihr Eigentum zu entscheiden. Als Esther ihr Eigentum nach zwei Jahren noch nicht erhalten hatte, entschloss sie sich, die Sache vor ein französisches Gericht zu bringen. Der Papst befahl ihr daraufhin, nach Picpus zurückzukehren, was sie schlichtweg ablehnte. Der Konflikt spaltete die kirchliche Hierarchie, die aus einem gallikanischen und einem ultramontanen Lager bestand. Esther gewann ihren Fall. Sie bekam ihr Geld und gründete mit anderen "renegade nuns" eine Schule. Der Fall Guerry zeigt, wie weibliche Religiosität die männliche Hierarchie bedrohen konnte. Sowohl die Kirche als auch der Staat mussten sich wegen solcher Frauen Gedanken über deren Rechte machen, auch wenn die ideologische Basis ihrer Argumente nicht verschiedener hätte sein können. Auch führte dieser Fall zu einer größeren Regulierung religiöser Orden im Staat, diesmal bezüglich der Frage des Eigentums.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass weibliche Religiosität im 19. Jahrhundert die Autorität der Familie, der Kirche und des Staates auf eine Weise herausforderte, die für nichtreligiöse Frauen unvorstellbar war. Die Studie ist innovativ, indem sie den Beitrag der ultramontanen Frömmigkeit für die Säkularisierung aufzeigt.
Nicole Priesching