Frank Göse: Otto Christoph Freiherr von Sparr 1605-1668. Der erste brandenburg-preußische Generalfeldmarschall (= Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission; Bd. IX), Berlin: Lukas Verlag 2006, 183 S., ISBN 978-3-936872-76-7, EUR 16,90
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Wer sich mit der brandenburgischen Geschichte des 17. Jahrhunderts beschäftigt, stößt schnell auf Otto Christoph Freiherr von Sparr, dessen Name mit dem Aufbau der brandenburgischen Kriegsmacht unter Kurfürst Friedrich Wilhelm verbunden ist. Um so erstaunlicher ist es, dass, von einigen kleineren Arbeiten abgesehen, der letzte biographische Versuch zu Sparr 145 Jahre zurückliegt. [1] Der Versuch, eine neue biographische Skizze vorzulegen, ist also naheliegend. Mit Frank Göse nimmt sich nun ein Fachmann des Themas an, der sich vor allem als Spezialist für den brandenburgischen Adel dieser Epoche einen Namen gemacht hat. Er will Sparr, der aus einer alteingesessenen adligen Familie in der Mark Brandenburg stammte, als "Modellfall eines Offiziers der Übergangsepoche vom Söldnerheer zum miles perpetuus" darstellen (8).
Eine kurze Skizze dieser adligen Lebenswelt, die an der Schwelle zum 17. Jahrhundert durch die schwere Krise der Kreditwirtschaft erschüttert wurde, stellt den Auftakt zur Biographie dar. Gleich hier wird jedoch ein Grundproblem der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sparrs Leben deutlich, für das es über weite Strecken eine nur sehr lückenhafte Überlieferung gibt. Gerade für die Kindheit und Jugend gibt es kaum Zeugnisse, überhaupt fehlen reflexive Dokumente, die die Motivationen und die Gedankenwelt des Protagonisten erhellen könnten. Die Biographie Sparrs erschließt sich über seine Handlungen, und so muss sich der Autor in weiten Teilen darauf beschränken, Kriegsgeschichte zu betreiben. Denn Sparr verfolgte, wie es viele junge Adlige in dieser Zeit taten, eine militärische Karriere.
Seine Laufbahn lässt sich bis in die 1630er Jahre zurückverfolgen, als Sparr zunächst in die kaiserliche Armee eintrat, dann auch für die Belange des Kurfürsten von Köln zu Felde zog. Das Ende des Dreißigjährigen Kriegs bedeutete für ihn keineswegs ein Karriereende, denn der Kurfürst von Brandenburg suchte ausgewiesene Militärs. 1649 wechselte Sparr in den Dienst Friedrich Wilhelms. Dieser benötigte ihn vorerst am Niederrhein, einer Gegend, die der Brandenburger Sparr bereits in den letzten Kriegsjahren kennengelernt hatte. Unter anderem befehligte Sparr dort die brandenburgischen Einheiten im sog. "Kuhkrieg" 1651. Der Aufstieg zum Kommandeur über die kurfürstlichen Truppen, zum "Capo der Armee" also, erfolgte im Nordischen Krieg; Höhepunkt und in dieser Studie ausführlich dargelegt ist die Schlacht bei Warschau, als Ende Juli 1656 die vereinigten schwedisch-brandenburgischenTruppen das polnische Aufgebot besiegten. Die Jahre danach sahen Sparr mit militärischen Verwaltungsaufgaben beschäftigt, 1664 folgte seine Teilnahme am Türkenkrieg, als er brandenburgische Kontingente in der Schlacht bei St. Gotthard / Mogersdorf kommandierte (152-157), 1666 setzte er die brandenburgische Anwartschaft auf Magdeburg mit militärischer Macht durch. Zwei Jahre später starb Sparr auf seinen Gütern im Barnim, im sog. "Sparrenland".
Wie es sich für biographische Arbeiten bewährt hat, bestimmt auch hier der chronologische Aufbau das Buch. Dabei sind immer wieder Passagen eingeflochten, die den ereignisgeschichtlichen Ablauf mit strukturellen Hintergrundinformationen anreichern. Auch wichtige biographische Details tauchen hier auf, so die Stationen von Sparrs Karriere wie seine Ernennung zum Generalfeldmarschall (127) oder die Erhebung in den Reichsgrafenstand (158) oder auch Angaben zu Sparrs Güterbesitz und -erwerb (84-87). Gerade in diesen Passagen zeigt sich der besondere Wert dieser Arbeit, die mithilfe neuer Quellen aus Wien, Magdeburg und aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz verlässliche Aussagen zu Sparrs Biographie machen kann.
Etwas schade ist nur, dass diese Befunde innerhalb der Darstellung teilweise schwierig aufzuspüren sind. Es gibt kein Personenregister und kein Stichwortverzeichnis, um beispielsweise die für die Biographie zentrale Information zu finden, dass Sparrs eigene Feldkanzlei, die sog. Kriegsakten, offenbar schon früh verloren ging: Der Hinweis ist mitten in der Darstellung versteckt (109). Ferner finden sich über den gesamten Text Bemerkungen zum zeitgenössischen Artilleriewesen verteilt, in dem sich Sparr besonders engagiert hat und das ein kennzeichnendes Element seiner militärischen Karriere war. Zwar gibt es zu Beginn der Darstellung einen ersten allgemeinen Hinweis darauf (21), doch bleibt die Relevanz dieser Eigenheit Sparrs im Laufe der Biographie nicht immer so deutlich, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Zwei Eigenheiten in der Nachzeichnung von Sparrs Biographie verdienen hervorgehoben zu werden. Zum einen hält sich Göse strikt an die Fakten, die er einigermaßen sicher rekonstruieren kann. Ansonsten glättet er nichts, sondern weist auf Unebenheiten im Geschichtsbild hin und benennt die weißen Flecken in der Überlieferung - so ist das Geburtsjahr Sparrs nicht gesichert, ebenso der Beginn seines militärischen Werdegangs (22) und die Erhebung in den Freiherrenstand (88). Zum anderen handelt es sich in keiner Weise um eine glorios verbrämte Geschichte. Für Sparr selbst wuchsen die Bäume nicht in den Himmel; so musste er beispielsweise ungeachtet aller Leistungen für den Kurfürsten immer wieder Kürzungen seiner Bezüge hinnehmen (vgl. 139). Dies fügt sich in den allgemeinen Duktus der Darstellung, die stets aufs neue deutlich werden lässt, wie limitiert noch in dieser Zeit die militärischen Möglichkeiten Brandenburgs waren - etwa bei den Werbungen, den Soldzahlungen oder bei der Versorgung der Truppen.
So unbeirrt sich Göse auch den wissenschaftlichen Prinzipien verpflichtet weiß, will sich seine Studie ausdrücklich nicht nur an das gelehrte Fachpublikum wenden, sondern auch in der Breite rezipiert werden. Sparr wird als eine historische Persönlichkeit gezeichnet, die dem Autor zufolge auch zum Erbe der brandenburgischen Geschichte gehört. Ob aus diesem Grund das Attribut des "ersten brandenburg-preußischen Generalfeldmarschalls" derart betont werden muss, dass es Sparr bereits im Untertitel zugewiesen wird, sei dahingestellt. Für das Verständnis Sparrs wichtiger ist der Umstand, dass er, wie die Darstellung deutlich erkennen lässt, für die Generation von Militärs steht, die das Kriegshandwerk im Dreißigjährigen Krieg erlernten und diese Erfahrungen dann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einbrachten. Der brandenburgische Feldherr ist somit in einer Linie mit kaiserlichen Militärs wie Melchior von Hatzfeldt und Raimondo Montecuccoli zu sehen. Diese historischen Bezüge sichtbar gemacht zu haben, ist das eigentliche Verdienst des Bändchens.
Anmerkung:
[1] Mörner, Theodor von: Märkische Kriegs-Obersten des siebenzehnten Jahrhunderts. Ernst Georg Sparr, Otto Christof Sparr, Berlin 1861. Die Studie umfasst dabei noch nicht einmal die gesamte Lebensspanne und endet mit Jahr 1654.
Michael Kaiser