Nils Freytag / Wolfgang Piereth: Kursbuch Geschichte. Tipps und Regeln für wissenschaftliches Arbeiten, 2. Auflage, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, 166 S., ISBN 978-3-8252-2569-8, EUR 8,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Nils Freytag: Das Wilhelminische Kaiserreich 1890-1914, Stuttgart: UTB 2018
Nils Freytag / Diethard Sawicki (Hgg.): Wunderwelten. Religiöse Ekstase und Magie in der Moderne, München: Wilhelm Fink 2006
Nils Freytag: Aberglauben im 19. Jahrhundert. Preußen und seine Rheinprovinz zwischen Tradition und Moderne (1815-1918), Berlin: Duncker & Humblot 2003
Die Nachfrage nach propädeutischen Werken für das geschichtswissenschaftliche Studium scheint in den letzten Jahren deutlich größer geworden zu sein - neue Buchreihen diverser Verlage zeugen davon, dass es sich hier wohl um einen lukrativen Markt zu handeln scheint. Über die Gründe für diese wachsende Nachfrage (oder vielleicht gibt es nur eine wachsende Bereitschaft, der schon lange vorhandenen Nachfrage ein entsprechendes Angebot entgegen zu setzen?) lässt sich nur spekulieren; vielleicht schlägt PISA auch auf das Studium durch, sodass Studierende nicht einfach zentrale Kompetenzen, die für die Studierfähigkeit notwendig sind, von zu Hause bzw. aus der Schule mitbringen, vielleicht ist aber auch angesichts hoher Abbrecherquoten auch und gerade in Geschichtsstudiengängen und der Umstellung der Studienstruktur auf - wie manche kritisieren: deutlich verschultere, man könnte auch sagen: besser strukturierte - Bachelor-/Masterstudiengänge die Bereitschaft gewachsen, hochschuldidaktische Erkenntnisse in den Studienalltag umzusetzen.
Sei es wie es sei: Das größere Angebot ist überaus erfreulich, hilft es den Studierenden doch, das wissenschaftliche und fachspezifische Handwerkszeug des Historikers bzw. der Historikerin möglichst rasch und reibungslos zu lernen, damit Zeit für das Eigentliche bleibt: die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen, Methoden, Fragestellungen und Orientierungsangeboten von Geschichtswissenschaft. Diese Hilfestellung zu leisten ist auch das Ziel des zu rezensierenden Buches, das die Leser durchgehend direkt anspricht ("Der Studienalltag, den Sie an der Universität erleben ..." usw.) und so einen gewissen Aufforderungscharakter enthält (wobei dies sicher nicht jedem Leser entgegen kommt). Nach einer Einleitung über "Voraussetzungen und Chancen eines erfolgreichen Geschichtsstudiums" enthält das Buch neun Kapitel im Umfang von zehn bis gut zwanzig Seiten zu folgenden Themen: "Literatur und Quellen finden" (Publikationsarten, Recherchestrategien und -hilfsmittel), "Literatur und Quellen gewinnbringend lesen", "Nachschlagewerke und Orientierungshilfen" (Enzyklopädien und Lexika, biografische Hilfsmittel, Handbücher zu einzelnen Themengebieten), "Neue Medien und ihr Nutzen für den Historiker" (Vorstellung von Internetportalen und -seiten mit zuverlässigen Informationen), "Zeitschriften, Jahrbücher und ihre Schwerpunkte", "Zentrale Methodenfragen" ("Wie lässt sich Geschichte erfassen?" und "Wie lässt sich historisches Material ordnen und inhaltlich strukturieren?"), "Das Referat" (einschließlich Thesenpapier), "Belegen und Zitieren" und "Die schriftliche Hausarbeit"; im Anhang findet sich darüber hinaus noch ein recht hilfreicher, alphabetisch geordneter "Wegweiser durch Literatur und Onlineressourcen" in Form eines ausführlichen Registers.
Insgesamt liefert das Büchlein durchweg kompetente und kompakte Informationen, hat durchaus Mut zur Lücke, präsentiert also nicht - den Studienanfänger zunächst nur abschreckende und nicht motivierende - lange Listen, was man alles unbedingt gelesen haben sollte. Der ja eher trockene Stoff wird nicht einfach nur mit Spiegelstrichaufzählungen dargestellt, sondern argumentativ; das Kursbuch eignet sich daher auch nur bedingt zum Nachschlagen (wie andere Kursbücher), sondern lädt eher zum arbeitsintensiven Lesen ein. Am besten dürfte das Buch daher für den Einsatz in Tutorien der Studieneingangsphase geeignet sein, wo es gemeinsam gelesen und besprochen werden und das neu gewonnene Wissen durch praxisnahe Aufgabenstellungen erprobt werden könnte (hier wären Anregungen für Tutoren hilfreich, entweder im Buch selbst oder auf einer ergänzenden Internetseite).
Insgesamt wäre eine noch etwas ansprechendere, strukturiertere Gestaltung sinnvoll gewesen - so handelt es sich doch eher um eine Anstrengung des Lesens signalisierende Bleiwüste, die nur wenig durch (nicht immer sehr aussagekräftige) Abbildungen aufgelockert wird - aber das gilt ja auch häufig für das Geschichtsstudium insgesamt. Inhaltlich sinnvoll gewesen wäre auch eine Vorstellung der diversen Einführungen in einzelne Epochen der Geschichte, die es mittlerweile auf dem Buchmarkt gibt, aber das ließe sich ja bei einer zu erwartenden neuen Auflage noch ergänzen. Dass der Rezensent als Geschichtsdidaktiker sich eine stärkere Berücksichtigung der Geschichtstheorie und vor allem Geschichtsdidaktik als wichtigen Bestandteilen des Geschichtsstudiums (übrigens nicht nur für Lehramtsstudierende) gewünscht hätte, mag an seiner professionellen Deformation liegen, dass dieser Wunsch bei der Lektüre aufkommt (sehr sparsame Hinweise gibt es auf den Seiten 76, 79 und 93), ist aber leider auch ein Indiz für den Stellenwert dieser (Teil-)Disziplinen innerhalb der Geschichtswissenschaft. Dieses Monitum schmälert aber keineswegs den Wert des Buches, das auch für den schmalen Geldbeutel von studiengebührengeplagten Studierenden erschwinglich ist und eine sinnvolle fachspezifische Ergänzung von allgemeiner Studieneinführungsliteratur darstellt.
Dietmar von Reeken