Monika Schaupp: Die Landstände in den zollerischen Fürstentümern Ansbach und Kulmbach im 16. Jahrhundert (= Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte; Bd. XXI), München: Bayerische Akademie der Wissenschaften 2004, 499 S., ISBN 978-3-7696-6871-1, EUR 36,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Hannes Ziegler: Trauen und Glauben. Vertrauen in der politischen Kultur des Alten Reiches im Konfessionellen Zeitalter, Affalterbach: Didymos-Verlag 2017
Michael Kaiser / Michael Rohrschneider (Hgg.): Membra unius capitis. Studien zu Herrschaftsauffassungen und Regierungspraxis in Kurbrandenburg (1640-1688), Berlin: Duncker & Humblot 2005
Die Geschichte der Landstände in den Territorien des römisch-deutschen Reiches von ihrer Entwicklung im Spätmittelalter bis zum Ende des Ancien Régime ist ein nach wie vor faszinierender Gegenstand. Die Faszination geht aus von der Dynamik der ständisch-fürstlichen Beziehungen und von den vielen Spielarten ständisch-politischer Partizipation. So ist die vorliegende, bei Helmut Neuhaus entstandene Dissertation zu den Landständen in den fränkischen Fürstentümern Ansbach und Kulmbach im 16. Jahrhundert sehr willkommen.
Monika Schaupp vermittelt nicht nur die Faszination des Stoffes. Sie bietet auch denjenigen Lesern, die nicht näher mit der fränkischen Landesgeschichte vertraut, aber allgemein an den fürstlich-ständischen Beziehungen in Alteuropa interessiert sind, wesentliche Information und Orientierungshilfe. Aufgrund einer durchdachten systematischen Gliederung gelingt es der Verfasserin die Entwicklung der landständischen Verfassung und Partizipation im 16. Jahrhundert darzustellen, zu analysieren und zu deuten. Dafür benötigt sie einschließlich des Einleitungskapitels (das die Fragestellung enthält, ferner Ausführungen zur Quellen- und Forschungslage sowie eine kurze Vorstellung der beiden fränkischen Territorien) nicht mehr als knapp 180 Seiten in einer präzisen und nüchternen Sprache - und das verdient Anerkennung.
Wer ausgehend von dieser konzentrierten Zusammenschau mehr wissen will, dem bietet die Verfasserin hervorragend aufbereitetes Material: etwa eine tabellarische Zusammenstellung der landständischen Versammlungen in den fränkischen Markgraftümern, Verzeichnisse der beteiligten Stände, eine Übersicht der geforderten und bewilligten Geldhilfen. Der Anhang von 300 Seiten besteht ferner aus einer Übersicht aller Land- und Ausschusstage des Zeitraums samt jeweiliger Kurzzusammenfassung der Verhandlungsgegenstände und -ergebnisse. Dieser Anhang wird auf lange Zeit hinaus wertvoll sein - vornehmlich für die fränkische Landesgeschichte, aber auch darüber hinaus, erlaubt er doch durch den seriellen Charakter Einblicke in fürstlich-ständische Beziehungen, die z.T. bis in die Argumente beider Seiten hinein erhellt werden.
Was sind die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit? Um 1500 bildeten sich die Landstände in Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach heraus, veränderten ihre Zusammensetzung aber bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entscheidend: Die Prälaten verschwanden nach und nach durch die der Reformation in den beiden Schwesterterritorien folgende Säkularisierung, der Adel erreichte reichsritterschaftlichen Status und schied damit ebenfalls als Landstand aus. Übrig blieben die Städte. Sie wurden vor allem bei Geldforderungen des Fürsten einberufen, nahmen aber auch in der Verwaltung des Landes über weite Strecken des 16. Jahrhunderts hinweg eine wichtige Rolle ein: Für die innere Stabilisierung der fränkischen Territorien nach einer Krise um 1550 (bedingt durch Schulden sowie die aggressiv-tollkühnen Aktionen Markgraf Albrecht Alkibiades') waren die administrativen und finanziellen Leistungen der Städte wesentlich. Sie hielten durch ihre effektive Zuarbeit dem fähigen und lange regierenden (1556/57-1603) Landesherrn Georg Friedrich nicht zuletzt den Rücken frei für eine erfolgreiche antiständische Politik im fernen Herzogtum Preußen, wo er als Vormund amtierte.
Diese administrative und finanzielle Stabilisierung in Ansbach und Kulmbach, sowie die im Zuge der Türkensteuererhebung abgeschöpften Gelder erlaubten es Georg Friedrich, die Stände gegen Ende des 16. Jahrhunderts nurmehr selten einzuberufen; und wenn er dies doch tat, dann nicht mehr den Gesamtlandtag, sondern den kleinen, effektiven (und für den Fürsten leichter lenkbaren) Ausschusslandtag. In den 1590er Jahren zeigte sich, dass das ständische Steuerbewilligungsrecht massiv ausgehöhlt war. In gewissen Grenzen liegt das Urteil nahe, dass die ständischen Partizipationsrechte der ansbachischen und kulmbachischen Städte mittelfristig gerade der kompetenten und loyalen Zusammenarbeit mit dem Fürsten zum Opfer fielen.
Wie ist das alles einzuordnen? Schaupp geht hier differenziert vor, hält das grobe Schema eines fürstlich-ständischen Dualismus' zu Recht für ungeeignet, um die Verhältnisse zu deuten. Sie bezeichnet Georg Friedrichs Regierungsweise, auch unter Einbeziehung seiner Politik in Preußen, als "frühabsolutistisch". Was das ist, wird nicht erläutert. Jedenfalls sieht Schaupp diese "absolutistische Regierungsweise" (175) durch das Fortbestehen traditioneller Elemente gemildert, also durch eine christlich-patriarchalische Regierungsauffassung lutherischer Prägung. Es ging Georg Friedrich nicht um eine Ausschaltung der Stände an sich, sondern um eine solide territoriale Basis für seine Politik in Preußen wie auf der Bühne des Reiches. Darum blieb auch die landschaftliche Steuerverwaltung und damit die Existenz der Stände stets und unangefochten erhalten.
Ähnliche Verhältnisse - das sei hier angefügt - lassen sich auch anderswo antreffen. Landesherrliche Politik gegenüber den Ständen zielte vom 15. bis 17. Jahrhundert offenbar vor allem darauf, dem Fürsten das (in seinen Augen) angemessene Handeln nach außen zu ermöglichen, richtete sich aber nicht gegen die Landstände per se. Dass der Begriff "frühabsolutistisch" hier zu einem präzisen Verständnis hilft, glaubt der Rezensent nicht (ohne aber einen besseren und griffigeren Terminus vorschlagen zu können). Allein schon, dass dieser Terminus weitere Phasen eines Absolutismus und eine unumkehrbare Entwicklung impliziert, wird der historischen Wirklichkeit nicht gerecht. In Preußen, wo Georg Friedrich so erfolgreich agierte, hatte ein knappes Jahrhundert später nach einer Schwächephase der Landesherrschaft der brandenburgische Große Kurfürst bekanntlich massive Probleme mit den Landständen. Die stärkere Beachtung der wechselnden Phasen starker und schwacher fürstlicher Autorität in einem Territorium könnte in der Zukunft auch in vergleichender Ständeforschung nützlich sein.
Bei solchen künftigen Vergleichen werden die beiden fränkischen Fürstentümer dank der ausgezeichneten Untersuchung Monika Schaupps mit Gewinn berücksichtigt werden können.
Volker Seresse