Rezension über:

Dagmar Eichberger (ed.): Women of Distinction. Margaret of York / Margaret of Austria, Turnhout: Brepols 2005, 367 S., ISBN 978-2-503-51917-3, EUR 60,00
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Rezension von:
Sigrid Ruby
Institut für Kunstgeschichte, Justus-Liebig-Universität, Gießen
Redaktionelle Betreuung:
Ulrich Fürst
Empfohlene Zitierweise:
Sigrid Ruby: Rezension von: Dagmar Eichberger (ed.): Women of Distinction. Margaret of York / Margaret of Austria, Turnhout: Brepols 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 1 [15.01.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/01/9748.html


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Dagmar Eichberger (ed.): Women of Distinction

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Nach ihrer profunden Studie zur Kunst am Hof der Margarete von Österreich [1] gelang es Dagmar Eichberger, in Mechelen eine reich bestückte und fast alle künstlerischen Medien einschließende Ausstellung auf die Beine zu stellen, die dem Wirken von gleich zwei "Frauen von Rang und Namen" in dieser Stadt gewidmet war: Margarete von York (1446-1503) und Margarete von Österreich (1480-1530). Die üppig bebilderte und sorgfältig edierte Publikation zur Ausstellung ist als "catalogue-handbook" (19) angelegt. Neben kurzen, durchweg sehr informativen und kenntnisreichen Texten zu den mehr als 150 Exponaten gibt es sechzehn Aufsätze, die einzelne Aspekte des Ausstellungsthemas überblicksartig behandeln. [2] Dieser Anspruch, einen Ein- oder Überblick auch hinsichtlich der jeweiligen Forschungslage zu geben, macht den Band tatsächlich zu einer Art Handbuch, ohne dass er deshalb ein handliches Format hätte.

Die Aufsätze und auch die Katalogeinträge sind fünf größeren Kapiteln zugeordnet, was sinnvoll ist, aber gelegentlich auch etwas Mühe bereitet. Manchmal wünschte man sich eine stärker medien- oder gattungsorientierte Sortierung der Katalognummern, zum Beispiel, um die Porträts der Margarete von Österreich besser vergleichen zu können oder um einen kompakten Eindruck von der Buchmalerei der Zeit zu bekommen. Doch um solche Zugänge geht es der Herausgeberin eben nicht, sondern um eine differenzierte Aufbereitung der kulturgeschichtlichen Kontexte, innerhalb deren die beiden Margareten am Ausgang des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts agierten - jede auf ihre Art.

Das erste Kapitel führt ein in die historische Situation und macht mit den Biografien der beide Frauen bekannt. Walter Prevenier stellt Mechelen vor, die Stadt, die Karl der Kühne 1473 zum politischen Zentrum der Burgundischen Niederlande bestimmte und die nach dessen Tod 1477 für viele Jahrzehnte lang eine "city in female hands" war. Karls Witwe Margarete von York regierte für einige Monate an der Seite ihrer Stieftochter Maria von Burgund. Nach deren Heirat mit Maximilian von Österreich zog sie sich nach Mechelen zurück, wo sie als Sammlerin und Auftraggeberin von illuminierten Handschriften vornehmlich religiösen Gehalts hervortrat und sich zudem um die Kinder der jung verstorbenen Maria kümmerte: um Philip und Margarete von Österreich. Letztere wurde 1507, nach drei gescheiterten bzw. mit dem Tod des Gemahls früh beendeten Ehen, zur Generalstatthalterin und 1509 zur Regentin der Niederlande ernannt. Von Mechelen aus regierte Margarete von Österreich die Niederlande, mit einer nur kurzen Unterbrechung (1515-1517), bis zu ihrem Tod. Sie trug in dieser Zeit eine sehr umfangreiche Sammlung höchst qualitätsvoller Artefakte und auch Naturalia zusammen, beschäftigte zahlreiche Hofkünstler und wusste das repräsentative Potenzial der Künste und der Kunstförderung für sich und ihre Familie zu nutzen.

Wenn das Engagement der beiden Frauen im Bereich der Künste recht unterschiedlich ausgeprägt war und Margarete von Österreich diesbezüglich deutlich profilierter erscheint, so sind doch einige markante biografische Parallelen gegeben, die eine gemeinsame Betrachtung per se interessant machen. Eine dieser Parallelen ist, dass beide kinderlos blieben, also der wichtigsten Aufgabe ihres weiblichen Geschlechts, der Zeugung von Nachfahren zur Sicherung der Dynastie, nicht nachkamen. Und beide waren Witwen. Witwenschaft und Kinderlosigkeit führten wohl dazu, dass die beiden Margaretes über den strategischen Einsatz der Künste ihre familiären Verbindungen besonders hervorhoben - sowohl die zur Herkunftsfamilie (York und Habsburg) als auch die zur Familie der Ehemänner (Burgund und Savoyen). Dass zudem die Eine in der Obhut der Anderen aufwuchs und beide von Mechelen aus agierten, gibt Anlass, über eine in den Künsten manifeste weibliche Genealogie der Herrschaft zu spekulieren. Ein solcher Zusammenhang scheint allerdings kaum bestanden zu haben. Margarete von Österreich ging in vieler Hinsicht neue, eigene Wege und knüpfte wohl nur bedingt an die Vorlagen ihrer Stiefgroßmutter an.

In den Beiträgen des Bandes spielt die Frage nach einer weiblichen Traditionsbildung in Mechelen erstaunlich selten eine Rolle. Sie ist präsent in dem noch im ersten einleitenden Kapitel platzierten Beitrag von Krista de Jonge, der sich den Residenzen der beiden Frauen widmet. Margarete von York erwarb ab 1477, als sie Witwe wurde, mit Unterstützung der Stadt Haus- und Bodenbesitz in Mechelen. Sie ließ einen Palast errichten, zu dem auch eine lange Galerie oder Halle gehörte, den sie allerdings 1486 wieder an die Stadt verkaufte, um ihre letzten Lebensjahre in einem bescheideneren Haus direkt gegenüber zu verbringen. Margarete von Österreich wiederum errichtete ihren Palast an eben dieser Stelle, unter Einbezug der letzten Wohnstätte von Margarete von York als dem ältesten Teil und direkt gegenüber von deren ehemaliger Residenz. Eine räumliche Verdichtung der Macht war im Mechelner Residenzbau somit durchaus gegeben, doch lassen sich keine gender-spezifischen Komponenten festmachen.

Das zweite Kapitel ist "Family, Dynasty, and Diplomacy" überschrieben. Hervorzuheben ist hier der Beitrag von Barbara Welzel, der sich mit der Inszenierung des Witwenstandes und ihren politischen Implikationen beschäftigt. [3] Sie untersucht zunächst Darstellungen der alttestamentlichen Judith-Figur in unterschiedlichen Medien, um zu zeigen, dass diese heldenhafte Witwe in der Frühen Neuzeit als ein moralisches Exemplum sowohl für Männer als auch für Frauen galt. Margarete von Österreich war wohl die erste Herrscherin, die sich die so eminent positiv besetzte Rolle der Witwe für ihre Repräsentation zu Eigen machte und damit einen ganz neuen Porträttyp prägte: das Staatsporträt der Regentin-Witwe als politischer Souverän. Welzel weist schlüssig darauf hin, dass Margarete von York eine solche Image-Bildung gar nicht betreiben konnte, denn anders als Margarete von Österreich, war sie "never officially elevated to the status of widowed regent, and as her political role never changed, there was no need for her to commission a 'state portrait' of herself as widow" (109).

Während das dritte Kapitel des Bandes, "Female Concerns and Matters of Gender", in Teilen gut, aber als Ganzes arg disparat erscheint, bietet das Vierte, das sich der Religionsausübung und der literarischen Kultur der beiden Frauen widmet, eine in sich bezugreiche Einheit. Besonders aufschlussreich ist der Aufsatz von Marie-Madeleine Fontaine zu Olivier de la Marche und Jean Lemaire de Belges, zwei innovativen Dichtern und Historiografen im Dienst der Margaretes. Ihre Namen und Werke sind schon länger bekannt, aber ihre besondere Bedeutung - auch als kulturelle Mittler zwischen dem niederländischen und dem französischen Hof - wird nun besser greifbar.

Das vierte Kapitel versammelt Beiträge, die die Kultur des Sammelns und Schenkens thematisieren. Jens Burk stellt Conrad Meit, den bedeutendsten Hofbildhauer von Margarete von Österreich, vor; Joris Capenberghs widmet sich den Artefakten aus der Neuen Welt und den Umständen ihrer Rezeption am Hof in Mechelen. In dem Beitrag von Dagmar Eichberger geht es um die Rolle von Frauen in der frühneuzeitlichen "culture of gifts". Unter den vielen Anlässen und Zusammenhängen, bei denen Margarete von Österreich als Schenkende oder Empfängerin von Gaben auftrat, fallen die auffällig zahlreichen Geschenke an ihren Minister und engen Berater Antoine de Lalaing, Graf von Hoogstraten, auf. Unabhängig von den unter Umständen müßigen Spekulationen über ein etwaiges Liebesverhältnis zwischen Margarete und dem von ihr so ostentativ beschenkten Lalaing, wäre es sicher auch interessant zu fragen, ob die Pflege von Günstlingen nicht ein weiteres typisches Merkmal männlicher Herrschaft war, das Margarete von Österreich als Regentin der Niederlande für sich in Anspruch nahm.


Anmerkungen:

[1] Dagmar Eichberger: Leben mit Kunst - Wirken durch Kunst. Sammelwesen und Hofkunst unter Margarete von Österreich, Regentin der Niederlande. Burgundica V. Turnhout: Brepols 2002. Vgl. die Rezension von Mark Meadow in: sehepunkte 3 (2003), Nr.10 [15.10.2003], URL: http://www.sehepunkte.de/2003/10/2554.html

[2] Weniger Überblick als vielmehr konkrete Einzelanalysen und Problemdiskussionen bot ein wissenschaftliches Symposium, das am 26. und 27. November 2005 anlässlich der Ausstellung in Mechelen stattfand. Vgl. die Tagungsbesprechung von Ariane Mensger zu "Women at the Burgundian Court: Presence and Influence" in: H-ArtHist, 20.12.2005. URL: http://www.arthist.net/download/conf/2005/051220Mensger.pdf

[3] Siehe auch Barbara Welzel: Die Macht der Witwen. Zum Selbstverständnis niederländischer Statthalterinnen, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini, Stuttgart: Thorbecke 2000, 287-309.

Sigrid Ruby