Sebastian Gleixner: Sprachrohr Kaiserlichen Willens. Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II. (1226-1236) (= Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde; Beiheft 11), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, XII + 580 S., ISBN 978-3-412-03906-6, EUR 69,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Johannes Laudage: Die Salier. Das erste deutsche Königshaus, München: C.H.Beck 2006
Andreas Ranft (Hg.): Der Hoftag von Quedlinburg. Von den historischen Wurzeln zum Neuen Europa, Berlin: Akademie Verlag 2006
Jörg Rogge (Hg.): Religiöse Ordnungsvorstellungen und Frömmigkeitspraxis im Hoch- und Spätmittelalter, Affalterbach: Didymos-Verlag 2008
Man müsste lügen, wollte man behaupten, dass historische Hilfswissenschaften derzeit einen Boom erleben. Sie gelten als trocken, langweilig, als eine Disziplin für verknöcherte Pedanten und Erbsenzähler.
Umso mutiger ist es, wenn ein junger Historiker sich in dieses Feld vorwagt, auf dem es heutzutage wenig Ruhm und viel bemitleidenswertes Lächeln zu ernten gibt. Sebastian Gleixner ist einer von diesen Unverzagten, dessen gründliche Arbeit Grundlagen für weitere Forschungen legt. Gewiss, die Geschichte der Staufer muss nicht umgeschrieben werden. Aber Gleixner hat in geduldiger, zäher Klein- und Kleinstarbeit die Struktur der Kanzlei unter Friedrich II. zumindest für die Jahre 1226 bis 1236 herausgearbeitet. Immerhin nicht ganz unwichtig, will man den Aufbau der zentralen kaiserlichen "Verwaltung" kennen lernen. Auf diesen Erkenntnissen können dann ganz andere Forschungen aufbauen.
Dies ist aber nicht Gleixners Thema. Er betreibt Diplomatik, die zwar in ihrem Äußeren ganz klassisch erscheint, es bei einem genauen Blick in die Werkstatt des Diplomatikers, den Gleixner in seinem Einführungskapitel erlaubt, aber gar nicht ist. Um zu einer ihm sinnvoll erscheinenden Gliederung des von ihm zu untersuchenden Urkundencorpus von 540 Stück zu kommen, ging er zunächst nach inneren Kriterien vor, um sich dann den äußeren zuzuwenden. Die Diplomatiker-Regel, die den umgekehrten Weg vorsieht, durchbrach Gleixner damit. (6) Die moderne EDV-Technik leistete ihm dabei Hilfestellung, indem eine leistungsstarke Datenbank früher nur schwer mögliche Querverbindungen zwischen einzelnen Urkunden aufzeigte. Ein neuer Weg, den zu gehen sich ausgezahlt hat.
Die Darstellung der Ergebnisse folgt dann allerdings wieder der klassischen Richtung von außen nach innen. Gleixner teilt die Kanzleigeschichte in vier separate Phasen ein: 1226 bis 1228 (die Zeit vor dem Kreuzzug), 1228 bis 1229 (der Kreuzzug), 1229 bis 1233 (Verwaltungskonsolidierung) und 1234-1236 (Rückkehr aus Sizilien und Zug nach Deutschland). Für diese vier Phasen beschreibt er nach einem ereignisgeschichtlichen Überblick über jede Phase zunächst die Schreiber und ihre Hände. Zum Glück für den Leser sind den Ausführungen zahlreiche Abbildungen beigefügt, die das Beschriebene am Faksimile nachvollziehbar machen. Meistens überzeugt Gleixners Argumentation, dem es durch seine Akribie gelingt, die Urkunden den einzelnen Händen zuzuordnen. Seine blumige aber durchaus zutreffend beschreibende Sprache lassen den Leser gelegentlich schmunzeln. Manchmal, in einer kleinen Zahl von Fällen, ist man jedoch geneigt, die Schlussfolgerungen für überinterpretiert zu halten. Menschen schreiben nun mal nicht immer gleich.
Im zweiten Schritt widmet sich Gleixner den inneren Urkundenmerkmalen. Er diskutiert dabei die einzelnen Urkundenbestandteile in der Reihenfolge ihres Auftretens in einem Diplom: Zunächst das Protokoll mit seinen Teilen, dann den Kontext und schließlich das Eschatokoll. Abschließend nimmt er noch die inneren Merkmale, die allen Urkundenabschnitten eigen sind, wie z.B. Musikalität oder Ideologie, genauer unter die Lupe.
Am Ende entsteht ein sehr umfassendes und farbiges Bild von der Kanzlei Friedrichs II. Das Personal und sogar der Kanzleigang können überzeugend rekonstruiert werden. Damit ist es nun an Anderen, mit dem Material zu arbeiten, das Sebastian Gleixner für sie aufbereitet hat: Wahrlich Grundlagenforschung!
Christian Hillen