Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift. Bearb. von Jan Hirschbiegel und Jörg Wettlaufer (= Residenzenforschung; Bd. 15. III), Ostfildern: Thorbecke 2007, 693 S., 15 Abb., 14 Farbtafeln, ISBN 978-3-7995-4522-8, EUR 97,00
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Schon die ersten beiden Bände des Residenzenhandbuches, bestehend aus jeweils zwei Teilbänden, waren in rekordverdächtiger Geschwindigkeit erschienen. Auch für den dritten Band konnte diese hohe Schlagzahl beibehalten werden. Mit den ersten Bänden hat dieser ebenso gemeinsam, dass die Qualität unter dem Tempo nicht gelitten hat. 43 Autoren, alle ausgewiesene Kenner ihres Fachs, haben insgesamt 53 Artikel aus über- und untergeordneten Kategorien verfasst, schwungvoll eingeleitet von Werner Paravicini, der sich mehr oder minder ironische Seitenhiebe gegen aktuelle Tendenzen im Wissenschaftsbetrieb und vor allem der Wissenschaftspolitik auch diesmal nicht verkneifen konnte.
Des Weiteren sind den eigentlichen Lemmata zwei längere Abhandlungen zum Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der Vormoderne sowie zur pragmatischen Schriftlichkeit vorangestellt, die der allgemeinen Einführung in die Probleme der Schriftkultur allgemein und der höfischen Schriftkultur im Besonderen dienen.
Hier wird aufgegriffen und weitergeführt, was sich schon im Inhaltsverzeichnis als ausgesprochen nützlich für den schnellen Überblick des Lesers erwiesen hat, nämlich die Querverweise. Fast wie auf einer Internetseite sind Inhaltsverzeichnis und einführende Aufsätze mit den betreffenden Artikeln "verlinkt". Dies gilt im Übrigen auch für die Fachartikel. Ein schnelles Navigieren zwischen den Artikeln zu den Informationen, die man benötigt, wird dadurch ermöglicht - sicher "hätte man auch anders ordnen können" (9). Durch die zahlreichen Querverweise dürfte aber auch der Benutzer des Handbuchs, der selbst vielleicht eine andere Anordnung vorgenommen hätte, zügig zu dem von ihm Gesuchten geführt werden. Der raschen und einfachen Navigation dienen ebenfalls das Sachregister und eine chronologische Liste der abgedruckten Quellen mit einem Hinweis auf den dazugehörenden Artikel.
Das Stichwort Navigation legt natürlich den Gedanken an eine internet-basierte Datenbank nahe. In der Tat findet sich auf der Seite der Residenzenkommission (http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/index.php) eine Beta-Version, die allerdings erst die ersten beiden Teilbände umfasst. Angesichts der stupenden Leistung, die einzelnen Bände in derart kurzen Zeiträumen zu veröffentlichen, verbietet sich hier Ungeduld, einzig gespannte Vorfreude ist angebracht. Eine noch bessere Verknüpfung, auch der einzelnen Bände untereinander, ist mit einer vollständigen Version dann sicher möglich.
Die einzelnen Artikel selbst gliedern sich in drei Teile. Der erste führt den Leser mit einleitenden Informationen zur behandelten Quellengattung: In welchem Kontext sind derartige Quellen entstanden, welchen Quellenwert haben sie und wie ist es um die Überlieferungssituation bestellt? Dies sind Fragen, die hier unter anderem beantwortet werden. Im zweiten Abschnitt werden eine oder mehrere dieser Quellen im Originalwortlaut vorgestellt. Den dritten und letzten Teil bilden weiterführende Angaben zu weiteren gedruckten Quellen dieser Gattung und zur Literatur. Die Stichworte reichen dabei von "Anschläge" über "Höfische Dichtung", "Hofgeschichtsschreibung" und "Leichenpredigten" bis hin zu "Testamenten" und "Wappenbüchern". Damit dürften in der Tat alle im Zusammenhang mit dem Hof stehenden Textsorten erfasst sein.
Gelungen ist dem Herausgeber und seinen beiden Bearbeitern, Jan Hirschbiegel und Jörg Wettlaufer, ein Nachschlagewerk und eine Quellenkunde des höfischen Schrifttums, das in Aufbau und Struktur sowie Benutzbarkeit bestmöglich an den Interessen des Lesers ausgerichtet ist. Die wissenschaftliche Qualität dürfte ohnehin außer Frage stehen. Es ist ein exzellenter quellenseitiger Einstieg in die Beschäftigung mit einem Thema der Hofforschung und für jeden Neuling auf diesem Gebiet eigentlich ein Muss. Aber auch fortgeschrittene Hofforscher werden die schnelle Zugänglichkeit der Information zu schätzen lernen.
Christian Hillen