Mathias Auclair: France - Bayern : Bayern und Frankreich. Wege und Begegnungen, Waakirchen: Oreos 2006, ISBN 978-3-923657-85-8
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Die internationale Ausrichtung und Vernetzung der Geschichtszunft beschränkt sich längst nicht mehr auf Universitäten und vergleichbare Forschungseinrichtungen. Auch andere Institutionen wie Museen oder Bibliotheken haben sich in dieser Hinsicht positioniert und mit historischen Projekten auf sich aufmerksam gemacht. Von den Archiven hingegen konnte dies lange Zeit nicht behauptet werden. Zwar wurde auch von deren Seite in Veröffentlichungen oder Ausstellungen über den eigenen Sprengel hinausgeblickt, doch nur selten kam dabei eine internationale Vernetzung mit entsprechenden Institutionen zu Stande.
Umso begrüßenswerter ist daher das ambitionierte Ausstellungsprojekt "France - Bayern" der staatlichen Archive Frankreichs und Bayerns sowie der Montgelas-Gesellschaft zur Förderung der bayerisch-französischen Zusammenarbeit, das für den archivischen Bereich Maßstäbe setzt. Die Ausstellung wurde 2006 sowohl in München als auch in Paris über mehrere Monate gezeigt und begleitend dazu wurde der hier zu besprechende, durchweg zweisprachige Katalog vorgelegt.
In elf Kapiteln werden "Wege und Begegnungen" - so der Untertitel des Bandes - zwischen Frankreich und Bayern ausgebreitet. Dabei wird das Mittelalter nur in einem Kapitel thematisiert. Es dominiert die Darstellung der Neuzeit. Entsprechend treten sich beide Protagonisten nur selten auf Augenhöhe gegenüber, handelt es sich doch um die Begegnung des mächtigeren Staates Frankreich mit Bayern als Herzogtum, Kurfürstentum und Reichsstand, als Königreich und schließlich als Freistaat und Bundesland.
Die Einzelkapitel sind überwiegend chronologisch angelegt, in Einzelfällen wie "Wirtschaftsbeziehungen" oder "Kultureller Austausch" folgen sie Zeit übergreifend einem Einzelthema. Diese Kapitel wiederum sind unterteilt in mehrere Aufsätze sowie einen Katalogteil zu den jeweiligen Exponaten. Bemerkenswert erscheint dabei, dass sämtliche aufgeführte Objekte nicht nur beschrieben, sondern auch abgebildet werden. Damit hebt sich der Band wohltuend von anderen Katalogen ab, die nicht selten Ausstellungsobjekte beschreiben, es jedoch der Phantasie des Lesers überlassen, sich ein Bild davon zu machen.
Dargestellt werden in erster Linie - was wenig verwundert - Unterlagen, welche die Archivare in ihren Magazinen gefunden haben, d.h. Schriftstücke (Urkunden, Akten, Druckschriften), Karten und Pläne, zahlreiche Bilder, aber auch einzelne dreidimensionale Objekte, die eher dem musealen Bereich zuzuordnen sind. Hier stößt man auf so manche Überraschung, wie etwa aus französischen Museen die Schlüssel der bayerischen Städte, die zwischen 1792 und 1794 von den Franzosen eingenommen wurden. Die Abbildungen sind großformatig und von guter Qualität.
Insgesamt 25 Aufsätze sind diesen Kapiteln beigegeben. Überblicksdarstellungen zur Epoche wechseln sich mit quellennahen Einzelstudien. Die geographische Bezugsgröße "Bayern" wird dabei unterschiedlich gebraucht - die Beiträge schwanken zwischen der Darstellung einer Entwicklung auf dem gesamten Gebiet des heutigen Bayern (z.B. "Hugenotten in Bayern") einerseits und andererseits in den Grenzen des Kurfürstentums ("Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich"). Dabei dominiert - entsprechend den tatsächlichen Machtverhältnissen nur folgerichtig - der Blick auf den französischen Einfluss in Bayern, der sich nicht nur auf die Politik und Kultur richtet, sondern sich auch Randthemen wie der Landvermessung widmet. Dennoch werden auch bayerische Einflüsse in Frankreich gesucht und durchaus gefunden, etwa im Bereich der Musik, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht in der Gruppe bayerischer Gastarbeiter im 19. Jahrhundert.
Einige Beiträge thematisieren außerdem die bayerisch-französischen Begegnungen anhand von Einzelpersonen, etwa im Verhältnis zwischen Kronprinz Ludwig von Bayern und Napoleon oder - weitaus unbekannter - in der Reise des französischen Wirtschaftsspions Marcel de Serres durch Bayern im Jahr 1810. Zu den spannendsten Beiträgen gehören schließlich jene, die sich mit der "Zeit der Konfrontation" ab 1870 und vor allem mit der Weimarer Zeit beschäftigen. Durch die Reichsgründung hatte Frankreich zwar seinen deutschen Bundesgenossen verloren, dennoch wurden auch nach dem Krieg von 1870/71 besondere Beziehungen fortgeführt. Frankreich suchte Bayern immer wieder als Ansatzpunkt zu gewinnen, um von dort aus eine Destabilisierung des Reiches zu erreichen. Entsprechend wurden auch in den 1920er Jahren die föderalen und separatistischen Tendenzen in Bayern unterstützt und bereits frühzeitig ein Auge auf die Hitlerbewegung geworfen. Schade ist vor diesem Hintergrund, dass kein Beitrag sich näher mit bayerisch-französischen "Begegnungen" in der NS- und Kriegszeit beschäftigt und sich der Katalog hier auf einige wenige Bilder aus der bayerischen Pfalz beschränkt.
Breiteren Raum nimmt hingegen die Nachkriegszeit ein, wobei hier das Hauptaugenmerk den kulturellen Beziehungen gilt. Wie ein erfrischendes 'Schmankerl' wirkt schließlich der Beitrag über Lindau, den einzigen zur französischen Besatzungszone gehörenden bayerischen Landkreis, der bis 1955 das Dasein eines 'possierlichen Wunderlandes' fristete.
Letzten Endes kann man die Ausstellungsmacher und die Herausgeber des Bandes zu ihrem Werk nur beglückwünschen und hoffen, dass ihr Projekt ein Schrittmacher für die Internationalisierung der historischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit durch Archive sein wird.
Harald Stockert