Raymond Hylton: Ireland's Hugenots and their Refuge, 1662-1745. An Unlikely Haven, Brighton: Sussex Academic Press 2005, 226 S., ISBN 978-1-90221-079-7, GBP 55,00
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Die Verfolgung von Kalvinisten in Frankreich, in den 1550er Jahren beginnend, kulminierte 1681 in den Dragonnaden und dann vor allem nach 1685 mit der Revokation des Edikts von Nantes. Zwischen 150.000 und 200.000 französische Protestanten verließen Frankreich, um sich in den Vereinigten Provinzen der Niederlande, England und seinen Kolonien, der Schweiz, den protestantischen (vor allem kalvinistischen) deutschen Territorien, Südafrika und Skandinavien anzusiedeln. Der hier zu besprechende Band widmet sich dem so genannten Refuge der Hugenotten in Irland, das, in Personalunion mit England verbunden, quasi kolonialen Status hatte.
In Ireland's Huguenots and their Refuge, 1662-1745 erzählt Raymond Hylton die Geschichte der Ankunft und Ansiedlung von Hugenotten im katholischen Irland. Hylton beginnt mit dem so genannten pre-Ormondite settlement, d.h. mit der Ansiedlung von Hugenotten in Irland zwischen 1569 und 1661. Während zu diesem Zeitpunkt nur einige hugenottische Familien in Irland nachweisbar waren, geriet unter James Butler, dem ersten Herzog von Ormonde, ab 1661 Lord Lieutenant in Irland, die Ansiedlung von Protestanten vom europäischen Kontinent zum Prestigeobjekt. Bis dato waren vorzugsweise anglikanische Engländer und presbyterianische Schotten in den Provinzen Ulster und Leinster angesiedelt worden. Ab den 1660er Jahren wurde auch um französische Protestanten geworben. 1662 erließ das Parlament in Dublin ein Gesetz, wonach für sieben Jahre neu in Irland ankommende Protestanten naturalisiert werden und die Privilegien der anglikanischen Führungsschicht in Irland genießen sollten. Bedingung war, dass sie den Supremats- und Treueeid leisteten.
Diese privilegierte Situation wurde durch das Vizekönigtum des Earl of Tyrconnell beendet, der unter der Herrschaft des Katholiken Jakob II. (1685-1688) das Gesetz von 1662 annullierte und den Pastor der französisch-reformierten Gemeinde, die in der Kathedrale St. Patrick ihre Andachten abhielt, verhaftete. Infolge der Glorious Revolution, zur Regierungszeit des niederländischen Kalvinisten Wilhelms III. von Oranien, wurden französische Protestanten, die in Wilhelms Kriegen gegen Jakob II. am Boyne und bei Aughrim in Irland gedient hatten, mit neuen Privilegien ausgestattet. Henri Massue de Ruvigny wurde zum Earl of Galway gemacht und mit Land in Portarlington ausgestattet, wo er französische Offiziere ansiedelte. In einem Gesetz von 1692 bot das irische Parlament ausländischen Protestanten erneut die Naturalisierung an, unter der Bedingung, dass sich die Neusiedler als Bollwerk gegen jakobitische Invasionen in Irland erweisen und die Wirtschaftskraft des Landes fördern würden.
Während die ältere Hugenottenforschung in Irland, wie C.N. de la Cherois Purdon, Samuel Smiles, Albert Carré, Grace Lawless Lee oder David Carnegie Agnew, die schnelle Integration der französischen Protestanten, deren Verschmelzung mit der Anglo-Irish Ascendancy betont hat, gelingt es Hylton zu zeigen, dass sich gerade nach 1692 französisch-reformierte Kongregationen in Irland herausbildeten, die bis ins 19. Jahrhundert Integration und Assimilierung - vor allem in Bezug auf den von der Church of Ireland erwünschten religiösen Konformismus - verweigerten. Dieses "unfulfilled refuge" (173) ist auch von anderen Spezialisten des irischen Refuge wie etwa von Ruth Whelan bestätigt worden. [1] Allerdings fehlen bei Hylton minutiöse Analysen, die diese These nachhaltig stützen. Der empirische Nachweis dieser "Verweigerungshaltung" ist mangels einer breiten Basis von Quellen zwar nur sehr schwierig zu führen, wäre aber in etlichen Bereichen wie beispielsweise der Loyalität gegenüber der non-konformistischen Kirche, wie sie in Testamenten zum Ausdruck kommt, möglich und wünschenswert gewesen.
Neben fehlenden Fallstudien zu einzelnen Aspekten des Refuge bzw. einer konsequenten systematischen Auswertung der Daten zu einzelnen hugenottischen Familien, erweist sich Hyltons Arbeit insofern als sehr problematisch, als sie wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt. Hylton offeriert seinem Leser am Ende jedes Kapitels einen Überblick über das benutzte Quellenmaterial und die Sekundärliteratur, ohne seine einzelnen Ergebnisse zu annotieren. Der fehlende wissenschaftliche Apparat macht es dem Leser unmöglich, nachzuvollziehen, wo Hylton auf Quellen und wo er auf anekdotische Literatur zurückgreift. Dazu kommt, dass Hylton wichtige Quellen und Literatur, wie den Nachlass Antoine Courts, Quellen zur Ansiedlung in Irland in der Bibliothèque de la Société de l'Histoire du Protestantisme Français in Paris oder die Arbeiten Philip Benedicts, Philippe Joutards oder Pauline Duley-Haours [2], nicht zur Kenntnis genommen hat und somit - vor allem wenn es um die Ansiedlungsprojekte in den 1690er und den 1750er Jahren geht, aber auch bezüglich der Interpretation von Integration und Assimilierung - zu Fehleinschätzungen kommt.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Hylton zufolge sollen die ab den 1660er Jahren aus der Normandie kommenden Hugenotten in Irland anpassungswilliger gewesen sein als die nach 1685 aus Südfrankreich stammenden und nach Irland einwandernden französischen Protestanten. Die hugenottischen Gemeinden nördlich der Loire seien nach den Verfolgungen des 16. Jahrhunderts zu Diplomatie und Anpassungsfähigkeit und Loyalität gegenüber lokalen und nationalen Autoritäten gezwungen gewesen (41). Dieser These widersprechen die Ergebnisse der Arbeiten Philip Benedicts und Philippe Joutards, die auf der Basis von fundierten empirischen Studien argumentieren, dass Protestanten in Nordfrankreich gegen Ende des 17. Jahrhunderts wesentlich weniger anpassungswillig waren als ihre Glaubensbrüder in einigen Teilen Südfrankreichs. [3] Leider hat Hylton diese Forschungsergebnisse nicht zur Kenntnis genommen.
Dass nach 1685 in den Ländern des Refuge französische Kalvinisten größeren Widerstand gegen religiösen Konformismus leisteten als dies bei den in den 1660er Jahren ausgewanderten Glaubensgenossen der Fall war, hängt indessen vielleicht weniger von deren geographischen Herkunft ab als von der größeren und brutaleren Verfolgung, denen Hugenotten südlich der Loire während der Dragonnaden ausgesetzt waren. Die Réfugiés der Jahre zwischen 1598 und 1681 kannten diese Verfolgungen nicht.
So bleibt Hyltons Studie in vielen Bereichen der unwissenschaftlichen hugenottischen Geschichtsschreibung des späten 18. und 19. Jahrhunderts verhaftet, sowohl im Umgang mit Quellen und Sekundärliteratur als auch bezüglich der Kenntnisnahme und Auswertung von Quellen, die sich außerhalb der Britischen Inseln befinden. Die Analyse einer supranationalen Migrantengruppe aus nationalhistoriographischer Perspektive in sehr weit gehender Ignoranz der Forschung anderer Länder erweist sich damit einmal mehr als wenig brauchbarer Ansatz.
Anmerkungen:
[1] Siehe u.a. Ruth Whelan: The Huguenots, the Crown and the Clergy, Ireland, 1704, Proceedings of the Huguenot Society XXVI/5 (1997), 601-610.Vergleiche hierzu auch u.a. Susanne Lachenicht: Differing perceptions of the refuge? Huguenots in Ireland and Great Britain and their attitudes towards the governments' religious policy, in: Anne Dunan-Page (ed.): "Thou tallest my wanderings": The Religious Culture of the Huguenots from 1660 to 1789, Aldershot: Ashgate 2006, 45-56 und Susanne Lachenicht: "Huguenot Immigrants and the Formation of National Identities", in: The Historical Journal 50/2 (2007), 309-331.
[2] Siehe Pauline Duley-Haour : Le Réseau Européen d'Antoine Court. Moteur financier de l'Emigration de 1752, in : Hubert Bost / Claude Loriol (éds.): Entre Désert et Europe, Le Pasteur Antoine Court (1695-1760), Paris: Champion 1998, 363-377.
[3] Philippe Joutard: The Revocation of the Edict of Nantes: End or Renewal of French Protestantism? in: Menna Prestwich (ed.): International Calvinism 1541-1715, Oxford: Clarendon Press, 343-344 und Philip Benedict: The Huguenot population of France, 1660-1685. The Demographic Fate and Customs of a religious Minority, Philadelphia: American Philosophical Society 1994.
Susanne Lachenicht