Rezension über:

Walter Rupp: Ignatius von Loyola. Mystiker, Ordensgründer, Reformator, Würzburg: Echter Verlag 2006, Audio-CD, ISBN 978-3-429-02780-3, EUR 12,00
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Rezension von:
Michael Müller
Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Michael Müller: Rezension von: Walter Rupp: Ignatius von Loyola. Mystiker, Ordensgründer, Reformator, Würzburg: Echter Verlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 5 [15.05.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/05/12606.html


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Walter Rupp: Ignatius von Loyola

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Die vorliegende, ausgesprochen gelungene Hörbuch-CD-Rom schildert in vier sehr ansprechenden und allgemein verständlich gehaltenen Texten Leben und Spiritualität des Ordensgründers der Gesellschaft Jesu (Jesuiten), des Hl. Ignatius von Loyola. Nach einer biographischen Skizze von Josef Sudbrack (Teil I) bieten die Teile II bis IV (von Walter Rupp) einen knappen Überblick über die fast fünf Jahrhunderte äußerst wechselvoller Geschichte der Jesuiten von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Über mehrfache Aufhebungen, Krisen und massive äußere Anfeindungen, aber auch innere Blütephasen und weltweites Wachstum hinweg hat der Jesuitenorden, wie Rupp es treffend ausdrückt, Geschichte in Bewegung gebracht und selbst eine bewegte Geschichte hinter sich.

Sudbrack beschreibt den Lebensweg des baskischen Heiligen seit seiner religiösen Lebenswende von 1521/22 als einen Prozess "christlicher Selbstfindung" (Teil I) mit dem Ziel der "Gottesfindung" (Teil I), d.h. durch Jesus Christus zu Gott zu finden. Dass auch ein Ignatius einen langen Weg bis zu diesem Ziel hinter sich zu bringen hatte, macht er selbst im ersten Satz seines Berichts des Pilgers deutlich: "Bis zum Alter von sechsundzwanzig Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch und vergnügte sich hauptsächlich an Waffenübung, mit einem großen und eitlen Verlangen, Ehre zu gewinnen." [1] Mit diesen Worten begann Ignatius seine in der Dritten Person erzählte Lebensgeschichte, die er 1553 bis 1555 vor seinem Tod am 31. Juli 1556 in Rom einem seiner Mitarbeiter diktierte.

Das zentrale Instrument jesuitischer Spiritualität waren und sind bis heute die Geistlichen Übungen, deren Darstellung in den zu besprechenden Texten zu Recht einen breiten Raum einnimmt, offenbaren sie doch den innersten Wesenskern jesuitischer Identität. Dabei hebt Sudbrack besonders hervor, dass es sich bei diesen eher dürren und kargen ignatianischen Exerzitien, die stellenweise eher an eine "Gebrauchsanweisung" (Teil I) erinnern, nicht um einen literarisch elaborierten, sondern um einen aus der spirituellen Praxis erwachsenen Text handelt. Die Exerzitien wollen Anleitung zu innerer Reflexion wie auch zu praktischem Handeln sein, beides bildet eine untrennbare Einheit. Sie spiegeln die persönliche geistliche Erfahrungswelt des Hl. Ignatius während der zehn Monate dauernden Einsamkeit in Manresa wider. Damals wurde aus dem Offizier ein Pilger, der die Heiligen nachahmen wollte. Zunächst führte er ein extremes, vermeintlich gottgefälliges Büßerleben, erbettelte Almosen, fastete streng und vernachlässigte seine äußere Erscheinung. Täglich betete er bis zu sieben Stunden auf den Knien. Diese Einsiedelei durchbrach er nur, wenn er im Krankenhaus in Manresa arbeitete, da er erkannte, dass nicht ein weltabgewandtes Eremitentum, sondern die Hinwendung zum hilfsbedürftigen Nächsten seiner persönlichen Heiligung dienen konnte. Sudbrack sieht in den Geistlichen Übungen die "mystische Schau der Einheit" (Teil I) angelegt, die den Menschen befähigt, sich und sein Leben immer wieder neu auf Gott hin auszurichten.

Auch Walter Rupp sieht in Ignatius einen überragenden Mystiker, Ordensgründer und Reformator zugleich. Als spirituelle Fundamente hebt er die Indifferenz sowie die Lehre von der Unterscheidung der Geister (Teil II) hervor, mit denen er bis heute die jesuitische Spiritualität prägt. Ziel war die Einheit von Selbsterkenntnis und aktiver Gottesbegegnung. In einfachen und nüchternen Worten beschrieb Ignatius dies in seinem Bericht des Pilgers als seine eigene religiöse Lebenswende (Teil II). Sehr anschaulich und in enger Anlehnung an die Autobiographie des Ignatius beschreibt Rupp in den Teilen II und III mit vielen Zitaten die einzelnen Stationen des Lebensweges des Ordensgründers und die Gründungsgeschichte der Jesuiten. Nach der Genesung von seiner schweren Kriegsverwundung entschloss er sich zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem und ging in das Benediktinerkloster von Montserrat. Dort legte er eine Lebensbeichte ab und verbrachte eine Nachtwache vor dem Gnadenbild der Muttergottes. Am Cardoner erlebte er eine eindrucksvolle Gotteserfahrung, die ihn für sein ganzes Leben prägte. Über diese Vision sagte er kurz vor seinem Tod, dass wenn er alles, was er in seinem Leben gelernt habe, zusammenzähle, dann sei dies immer noch weniger als das, was er am Cardoner sah. In Rom erlangte er vom Papst die Erlaubnis zur Reise ins Heilige Land. Dort wollte er für immer an den Heiligen Stätten bleiben und Muslime bekehren. Aber der Franziskaner-Guardian von Jerusalem als der für die Pilgerstätten zuständige Kustos verwehrte ihm dies und forderte ihn zur Heimkehr auf, da er Auseinandersetzungen mit den Muslimen befürchtete (Teil II). Nach seiner erzwungenen Rückkehr ging Ignatius bzw. Iñigo, wie er damals noch mit baskischem Taufnamen hieß, 1524 nach Barcelona. Wichtige Voraussetzung für das Theologiestudium und die Priesterweihe war das Philosophiestudium, das er 1526 in Alcalá de Henares und 1527 in Salamanca begann. Seine Ungeduld, "den Seelen zu helfen" [2], ließ ihn bereits während dieser Zeit die Geistlichen Übungen (Exerzitien) geben, obwohl er als Student und Noch-Laie dazu nach den Vorstellungen der Kirche nicht berufen war. Sein Verhalten rückte ihn für die Inquisition in die Nähe spiritualistischer Bewegungen. Mehrfach wurde er als Illuminat, Schwarmgeist oder Sektierer inhaftiert, jedoch stets freigesprochen. Dies illustriert ein längerer Auszug aus den Prozessprotokollen im Teil III der CD. Sowohl in Alcalá wie in Salamanca verbrachte er einige Wochen im Kerker. Es gelang jedoch nicht, ihm ein Vergehen nachzuweisen. Das Urteil verbot ihm lediglich, als Laie seelsorglich tätig zu sein. Er hat nach eigenen Angaben insgesamt acht Inquisitionsprozesse überstanden, ohne je einen Anwalt zu benötigen.

Um das Studium fortzusetzen, ging er in das Zentrum der Wissenschaften, die Universität Sorbonne in Paris, wo er die ersten Gefährten um sich sammelte, die er an die Geistlichen Übungen heranführte und mit denen zusammen er sich später zu einer Ordensgründung entschloss - doch bevor es soweit war, vergingen noch weitere Jahre des Suchens, Fragens und Zweifelns. Gesellschaft Jesu - dieser Name entsprang, wie Rupp in Teil IV ausführt, dem Gelübde, keinem anderen Herrn als Jesus Christus zu dienen. Während einer Klausur 1539 in Rom entschieden sie sich einstimmig, einen religiösen Orden zu gründen, der sich dem Papst mit einem besonderen Gehorsam zur Verfügung stellte. An dessen Spitze sollte ein Generaloberer stehen. Sie legten Papst Paul III 1539 die Formula Instituti, einen ersten Entwurf der Ordensgründung zur Bestätigung vor. Diese erfolgte 1540 mit der Bulle Regimini militantis Ecclesiae. 1541 wurde Ignatius einstimmig zum ersten Generaloberen gewählt. Am Karfreitag dem 22. April 1541 legten die Gefährten ihre Gelübde ab. Von da ab fungierte Ignatius bis 1556 als Generaloberer, wobei ihm, wie Rupp hervorhebt, die frühere militärische Ausbildung in Fragen der Organisation und Menschenführung zugute kam.

Ignatius wurde 1609 durch Papst Paul V. selig- und 1622 durch Papst Gregor XV. heilig gesprochen - letzteres zeitgleich mit Franz Xaver. Festtag des Ignatius ist der 31. Juli, sein Todestag. Papst Pius XI. erhob ihn 1922 zum Patron der Geistlichen Übungen und rief die gesamte Kirche zur weltweiten Verbreitung der Exerzitien auf.

Es gelingt den Autoren Sudbrack und Rupp sehr überzeugend, das Anliegen des Ignatius auch nach 450 Jahren lebendig werden zu lassen und es in eine für den heutigen Zuhörer verständliche Sprache zu übersetzen - keine ganz leichte Aufgabe, bedenkt man, wie fremd die militärisch anmutende Spiritualität eines Ignatius (etwa seine Zwei-Banner-Lehre!) auf den ersten Blick wirkt. Dieses Hörbuch richtet sich nicht an Ordenshistorikern, denen es vielleicht nur wenig Neues zu bieten vermag, aber stattdessen an Menschen, die wie auch schon Ignatius auf der Gottessuche sind - diese Menschen an ignatianische Spiritualität heranzuführen und sie für die Geistlichen Übungen zu interessieren, ist die Intention dieser Betrachtungen, die in der vorliegenden Form auch das 'Zeug' dazu haben, dieser Aufgabe gerecht werden zu können.


Anmerkungen:

[1] Ignatius von Loyola: Bericht des Pilgers. Übersetzt und kommentiert von Peter Knauer. Würzburg 2002; 2. Auflage 2005, Nr. 1, 37f.

[2] Ebd., Nr. 50, 96.

Michael Müller