Claudia Horbas (Hg.): Gartenlust und Blumenliebe. Hamburgs Gartenkultur vom Barock bis ins 20. Jahrhundert, Ostfildern: Hatje Cantz 2006, 256 S., 212 Farb-, 74 s/w-Abb., ISBN 978-3-7757-1693-2, EUR 39,80
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Hamburg zählt zu jenen Metropolen Deutschlands, die eher mit Wirtschaft als mit Kultur in Verbindung gebracht werden - zu Unrecht. Nicht nur in der Gegenwart, auch in der Vergangenheit verfügte die Hansestadt über einen großen kulturellen Reichtum. Einen wichtigen Teilaspekt, nämlich den der Gartenkunst, macht der anzuzeigende Band einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Dabei offenbart sich, dass wirtschaftlicher Aufschwung und kulturelle Blüte Hand in Hand gingen. Nach ersten Anfängen 1549 wurde die Stadt bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu der Gartenstadt Deutschlands und konnte diese Stellung bis in das 19. Jahrhundert hinein halten. Hamburgs Gärten wurden mit den Gärten der Fürsten als beispielhaft gleichgesetzt.
Der eigene, aufwändig gestaltete Garten war für das Patriziat, für die reichen Kaufleute sowie die Gebildeten ein unverzichtbares Statussymbol. Gärten waren seit dem 17. bis ins 19. Jahrhundert dem gesitteten Publikum geöffnet. Die Gartenbegeisterung der Hamburger riss bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts viele Zeitgenossen zu euphorischen Bemerkungen hin. Hamburg wurde zu einem Zentrum des Gartenhandels. Und es wurde nicht nur erfolgreich geplant und gestaltet, sondern ebenso erfolgreich geforscht und gezüchtet. Die Pflanzenlisten der Hamburger Bürgergärten erschienen bereits um 1700 im Druck.
Das vorliegende Werk ist ein Sammelband, der bereits 2006 anlässlich der Ausstellung "Die unaufhörliche Gartenlust. Hamburger Gartenkultur vom Barock bis ins 20. Jahrhundert" im Museum für Hamburgische Geschichte erschienen ist. Es handelt sich um keinen Katalog, sondern eine ausnehmend lesenswerte und überaus breit gefächerte Sammlung von Aufsätzen von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen nicht nur zur Hamburger Gartenkultur, sondern zur Garten(kunst)geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts überhaupt.
Auf eine zusammenfassende Einführung von Claudia Horbas zu Hamburgs Gärten seit dem 17. Jahrhundert folgt ein Beitrag von Ingrid A. Schubert, die die frühe Hamburger Lustgartenkultur anhand der erhaltenen Quellen vorstellt. Bemerkenswert in ihrem großen Detailreichtum ist etwa die Ansicht des Gartens von Ratsherr Caspar Anckelmann durch Hans Simon Holtzbecker - die einzige Abbildung in Farbe, die einen Bürgergarten des 17. Jahrhunderts zeigt. Hier sind alle für die damalige Gartenkultur wichtigen Aspekte vertreten wie die Bepflanzung mit einzelnen Sorten sowie Skulpturenprogramme. Sogar ein Lusthaus/Pflanzenhaus gibt es, ein Vorläufer der Orangerie.
Giesela Jaacks weist nach, dass die Gartenlust der Hamburger sich nicht auf das Anlegen von Gärten beschränkte, sondern ihren Niederschlag auch in Literatur und Musik fand. Gerade der Garten hatte als Metapher eine hohe Bedeutung, was sich etwa in den Monatsgesprächen Johann Rists von 1663 offenbart, der die antiken Gartendeutungen in christlichem Sinn neu formulierte.
Dietrich Roth stellt das Blumenalbum Hans Simon Holtzbeckers für den Kaufmann und Ratsherrn Eberhard Anckelmann vor und vergleicht es mit anderen Florilegien - auch aus Hamburg. Martina Sitt berichtet über den Künstler Franz Werner Tamm und seine Blumendarstellungen - einen Maler zwischen Wien und Hamburg an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert.
Claudia Horbas beschreibt gedruckte Florilegien als Vorbilder für dekorative Darstellungen von Gartenpflanzen im Kunsthandwerk. Gerade die Kenntnis von und die Beschäftigung mit Pflanzen führte zum Erscheinen von Florilegien seit dem späten 16. Jahrhundert. Diese waren Voraussetzungen für viele Stillleben, aber auch kunsthandwerkliche Arbeiten und Stoffe. Dass auch die gedeckte Tafel als Gartenanlage en miniature gestaltet werden konnte, weist Claudia Kanowski nach. Nicht nur Gemüse und Früchte in Keramik zierten die Tafel, die gesamte Fläche konnte der Gestaltung eines Gartens folgen, insbesondere bei Desserttafeln. Hinzu kamen Tafelaufsätze mit dem ganzen Gartenprogramm inklusive lustwandelnder Personen. Auch die Räumlichkeiten zum Speisen waren oft mit Gartenszenen ausgestattet.
Dietrich Roth thematisiert den Gelehrten Joachim Jungius als Gärtner, der in ein umfassendes Netzwerk eingebunden war. Carsten Prange betont die leider noch immer weitgehend unbekannte zentrale Stellung Hamburgs im Gartenhandel des 17. und 18. Jahrhunderts. Baumschulen und Plantagen und vor allem die Aktivitäten von James Booth aus Schottland Ende des 18. Jahrhunderts begründeten letztlich das bis heute größte deutsche Baumschulengebiet im Westen Hamburgs. Stephan Kaiser stellt besondere hamburgische Gemüsesorten vor wie die Türkische Erbse (eine Stangenbohne, die für das in Norddeutschland beliebte Gericht Birnen, Bohnen und Speck unverzichtbar ist) oder etwa Vierländer Melonen oder Wilhelmsburger Rosenkohl. Die Sorten werden zum Teil noch heute gezogen.
Hans-Helmut Poppendieck bringt das Hamburger "Orchideenfieber" des 19. Jahrhunderts wieder ins Bewusstsein. Heute erinnert den Fachmann noch die "Phalaenopsis schilleriana" an jene Zeit. Die Orchideensammlung des Hamburgers Gustav Wilhelm Schiller war weit berühmt. Doch betätigten sich viele Hanseaten im 19. Jahrhundert privat als Pflanzenzüchter im eigenen Garten oder Treibhaus.
Der Wandsbecker Schlosspark Heinrich von Schimmelmanns und seine Ausstattung werden von Joachim W. Frank anhand von Plänen, Zeichnungen und schriftlichen Quellen rekonstruiert. Auch das bekannte Ahrensburg vom selben Bauherrn wird mit betrachtet. Gerhard Hirschfeld zeichnet den Siegeszug des Landschaftsgartens im 18. Jahrhundert im Hamburger Raum in enger Anbindung an englische Vorbilder nach. Die Kaufleute reisten auf die britische Insel und die Stadt war zudem eine Hochburg der Aufklärung in Deutschland. Eine große Bedeutung misst er auch dem Wegbereiter des Landschaftsgartens in Deutschland, Christian Cay Lorenz Hirschfeld, bei. Wichtiges Beispiel in Hamburg war die Ornamented Farm des Caspar Voght. Doch entstanden rund um die Stadt unzählige Parks unterschiedlichster Größe. Dieser Siegeszug des Landschaftsgartens ist zugleich Ursache für den gänzlichen Verlust der formalen Gärten Hamburgs, die daher von allen Autoren rekonstruiert werden müssen.
Heino Grunert stellt die Hamburger Reformgärten in den Rahmen der Volksparkbewegung und Gartenkunstreform des 20. Jahrhunderts. Sie wendeten sich gegen die Minitaturlandschaftsgärten. Einer der Wegbereiter war der Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark. Ordnung und formale Gestaltung wie etwa in Bauerngärten wurden nun gefordert und auch umgesetzt. Aus diesen Ideen entwickelte sich der Reformgarten. Herausragende Beispiele aus Hamburg - wenn auch zum größten Teil verloren - können namhaft gemacht werden wie etwa der Stadtpark oder der Römische Garten. Bemerkenswert war auch der heute zerstörte Garten von Leberecht Migge für Max Emden vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Hamburg war einer der wichtigsten Diskussionsorte der Gartenkunst um 1900 in Deutschland.
Das großzügig bebilderte Buch weist durchweg fachlich fundierte Beiträge auf. Die Interdisziplinarität führt zu einem umfassenden Gesamtbild. Es wäre jedoch zu wünschen gewesen, die Entwicklung in Hamburg stärker in den internationalen Kontext einzubinden. Man denke etwa an die Gärten der Nürnberger Patrizier, die sich selbst mit jenen der Terra ferma gleichsetzten. Doch allein die Fülle des historischen Materials, die hier auch im Bild ausgebreitet wird und die durchweg nicht mehr vorhandene Anlagen erleben lässt, macht den Band zu einem unverzichtbaren Werk für jeden Gartenhistoriker. Und dieser wird auch die größeren Zusammenhänge erkennen.
Heiko Laß