Rezension über:

Stephen Mitchell / Constantina Katsari (eds.): Patterns in the Economy of Roman Asia Minor, Swansea: The Classical Press of Wales 2005, xxxii + 335 S., ISBN 978-1-905125-02-9, GBP 50,00
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Rezension von:
Peter Herz
Institut für Geschichte, Universität Regensburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Peter Herz: Rezension von: Stephen Mitchell / Constantina Katsari (eds.): Patterns in the Economy of Roman Asia Minor, Swansea: The Classical Press of Wales 2005, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 10 [15.10.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/10/13772.html


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Stephen Mitchell / Constantina Katsari (eds.): Patterns in the Economy of Roman Asia Minor

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Der Sammelband vereint insgesamt 13 Beiträge, die fünf größere Themenkreise (Römische Landwirtschaft, Handel und Austausch, Wirtschaft von Städten und Heiligtümern, Geldwirtschaft, Bevölkerungsverschiebungen) behandeln. Die Präsentation ist solide, die Positionierung der Anmerkungen hinter den Text ist nicht gerade benutzerfreundlich. Dafür wird man durch solide Bibliografien im jeweiligen Anhang entschädigt, obwohl manche Autoren bei Beiträgen aus Sammelwerken auf die Angabe von Seitenzahlen verzichten. Der Gesamtindex (319-335) ist brauchbar.

Die ungewöhnlich lange Einleitung der beiden Herausgeber (xiii-xxxii) hat fast programmatischen Charakter, da sie nicht wie oft üblich nur für Danksagungen genutzt wird, sondern auch eine recht deutliche und vor allem gut dokumentierte Stellungnahme in der fast epischen Schlacht um den rechten Weg liefert, wie man antike Wirtschaftsgeschichte betreiben soll. Unter den präsentierten Beiträgen scheinen die folgenden einer speziellen Betrachtung wert zu sein.

Stephen Mitchell, "Olive cultivation in the economy of Roman Asia Minor" (83-114). Dieser Beitrag ist neben seinem Informationsgehalt vor allem unter methodischen Gesichtspunkten beachtenswert, da Mitchell bei seinen Untersuchungen nicht nur die literarischen und epigrafischen Zeugnisse voll auswertet, sondern auch die ganze Bandbreite der übrigen relevanten Wissenschaften sinnvoll heranzieht. Geografische Untersuchungen werden ebenso berücksichtigt wie Arbeiten zur Botanik Kleinasiens oder aktuelle Pollenanalysen. Zusätzlich gewinnt der Beitrag durch das Heranziehen der einschlägigen Untersuchungsergebnisse aus anderen Regionen des Mittelmeergebietes. [1] In der Breite des methodischen Zugriffs ein exemplarischer Beitrag.

Beate Dignas, "Sacred revenues in Roman hands: the economic dimensions of sanctuaries in Western Asia Minor" (207-224), liefert einen solide dokumentierten Überblick zu den Problemen der einheimischen Tempel und ihres Eigentums unter der römischen Herrschaft. Die Tempel hatten gerade in den chaotischen Zeiten der späten Republik unter Plünderungen ihrer Schätze, aber auch unter Versuchen der publicani zu leiden, die ständig versuchten, ihren exempten Landbesitz einer Besteuerung zu unterwerfen. [2] Was hier noch etwas deutlicher herausgearbeitet werden müsste, ist die Differenzierung zwischen dem Asylbezirk eines Tempels und seinem wirtschaftlich nutzbaren Landbesitz, der ge hiera. Auch ein weiterer Punkt müsste noch etwas klarer angesprochen werden: Wer hatte letztendlich die Verfügungsgewalt über die finanziellen Ressourcen der Tempel? Der Tempel selbst bzw. seine autonomen Priester oder die Gemeinde, auf deren Territorium das Heiligtum lag, denn in Ephesos scheint die Finanzverwaltung vom Stadtrat ausgeübt worden zu sein.

Der Beitrag von Margherita Facella, "Coinage and the economy of Commagene (first century BC-first century AD)" (225-250), ermöglicht einen guten Einblick in die wirtschaftlichen Grundstrukturen dieses kleinen, aber reichen Landes am oberen Euphrat, wobei die Behandlung der Münzprägung (235-239) einen gewissen thematischen Schwerpunkt liefert. Die Quellen des Reichtums (Ackerbau, Transithandel) werden zutreffend angesprochen, doch dies gilt nicht für die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die kommagenischen Könige erst so reich werden konnten. Wahrscheinlich war der größte Teil Kommagenes ge basilike und die Bauern arbeiteten in erster Linie für die Herrscher.

Hugh Elton, "Military supply and the south coast of Anatolia in the third century AD" (289-304), liefert einen recht knappen, aber insgesamt solide recherchierten Beitrag zur Rolle, die vor allem Pamphylien und Kilikien für die Versorgung römischer Heere spielten, die von Syrien aus gegen die Parther und Sasaniden operierten. Das dabei vorgestellte Material dürfte den Spezialisten zwar bekannt sein, aber als schnelle Informationsquelle ist der Beitrag gut zu lesen. [3]

Es ist eine sicherlich sehr anregende Sammlung von Beiträgen, die die Vielfalt der Wirtschaft im römerzeitlichen Kleinasien recht gut beleuchtet und einen Einstieg in diese interessante Thematik ermöglicht. Doch sie hat zumindest für den Rezensenten auch deutlich gemacht, wo noch Defizite in der Erforschung der Wirtschaftsgeschichte Kleinasiens zu sein scheinen.

Zunächst müsste die Viehwirtschaft im weitesten Sinne noch mehr berücksichtigt werden. Dieser Teil der Wirtschaft leidet darunter, dass ihre archäologische Nachweisbarkeit alles andere als einfach ist. [4] Bereits eine flüchtige Lektüre Strabons reicht, Regionen mit einer bedeutenden Schafpopulation zu identifizieren, die die Basis für eine sehr leistungsfähige und exportorientierte Textilproduktion etwa im Maiandros-Tal (Laodikeia, Hierapolis) lieferten (vgl. auch die entsprechenden Einträge im Maximaltarif Diokletians). [5]

Auch die natürlichen Ressourcen Kleinasiens und ihre Nutzung in römischer Zeit würden ein intensiveres Studium verdienen. Nicht nur der kleinasiatische Marmor (Dokimeion, Prokonnesos) wurde exportiert, sondern auch industrielle Grundprodukte wie Alaun oder Galläpfel (Facella, 232), ohne die eine antike Textil- und Lederproduktion kaum denkbar gewesen wäre. Hier scheint noch eine gewisse Betriebsblindheit zu herrschen. [6] Hinzu kommen eine Reihe von wahrscheinlich erst in Kleinasien entwickelten handwerklichen Techniken und auch die spezialisierten Arbeitskräfte, die von dort aus ins gesamte Imperium Romanum wanderten.

So interessant dieser Sammelband auch ist, ein Problem wird wohl auf lange Zeit noch ungelöst bleiben: Wer schreibt eine Wirtschaftsgeschichte des antiken Kleinasien, die wirklich alle Facetten dieses spannenden Landes berücksichtigt?


Anmerkungen:

[1] Vgl. die Arbeiten von David J. Mattingly zur Olivenölproduktion in Nordafrika.

[2] Vgl. auch IG VII 413 = Syll. 747 zum Heiligtum des Amphiaros in Oropos und zur Frage, ob Amphiaros nur ein Heros oder doch ein von Steuern befreiter Gott ist.

[3] Zu ergänzen wären hier noch Theodor K. Kissel: Untersuchungen zur Logistik des römischen Heeres in den Provinzen des griechischen Ostens (27 v.Chr.-235 n.Chr.) (= Pharos; 6), St. Katharinen 1995; Peter Herz: Die Logistik der kaiserzeitlichen Armee. Strukturelle Überlegungen, in: The Roman Army and the Economy, ed. by Paul Erdkamp, Amsterdam 2002, 19-46.

[4] Vgl. aber Christophe Chandezon: L'élevage en Grèce (fin Ve - fin Ier s.av. J.-C.). L'apport des sources épigraphiques, Pessac 2003.

[5] Vgl. auch Marc Kleijwegt: Textile manufacturing for a religious market. Artemis and Diana as tycoons of industry, in: After the past. Essays in ancient history in honour of H. W. Pleket, ed. by Willem Jongman / Marc Kleijwegt, Leiden / Boston / Köln 2002, 81-134.

[6] Vgl. Marble in Antiquity. Collected Papers of John B. Ward-Perkins, ed. by Hazel Dodge / John B. Ward-Perkins, London 1992; Martin Maischberger: Marmor in Rom. Anlieferung, Lager- und Werkplätze in der Kaiserzeit, Wiesbaden 1997.

Peter Herz