Ingeborg Eismann: Franz Xaver Winterhalter (1805-1873). Der Fürstenmaler Europas, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007, 80 S., 47 Abb., ISBN 978-3-86568-203-1, EUR 29,95
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Zu seiner Zeit war Franz Xaver Winterhalter (1805-1873) einer der berühmtesten und bestbezahlten Porträtisten - heute kennen ihn fast nur noch Kenner und Kunsthändler. [1]
Ingeborg Eismanns schön gestaltetes, großformatiges Buch mit Farbabbildungen, welche die malerische Qualität Winterhalters adäquat wiedergeben, gliedert sich in 22 Kapitel auf 80 Seiten, wobei die 47 Abbildungen beträchtlichen Raum einnehmen, doch ist es nur ein kleiner Teil des wohl um die 1.000 Werke umfassenden Œuvres des Künstlers (6), das hier abgebildet wird. Zuerst an der Biografie des Malers orientiert, später dann an Auftraggebern und einzelnen Bildern, handelt es sich um ein Coffee-Table-Book im allerbesten Sinne.
Da Winterhalter zu den weitgehend Vergessenen gehört, rechtfertigen das Engagement der Autorin und der Mut des Verlages durchaus eine Rezension an dieser Stelle. Nicht zuletzt, da die letzte publikumswirksame Ausstellung - und Publikation - derweil auch schon über 20 Jahre zurückliegt. [2]
Beschäftigt man sich mit Winterhalter, so fällt auf, dass der Künstler, der aus einfachsten Verhältnissen im Schwarzwald stammte und seine Ausbildung zuerst in Freiburg und dann in München erhielt (8), später an den europäischen Fürstenhöfen ein- und ausging.
Die Porträts, die Eismann vorstellt, lesen sich wie ein Who-is-Who des europäischen (Hoch-)Adels der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ob es das französische Königs- und spätere Kaiserhaus ist, das englische Königshaus oder das Württembergische, der russische Zar, Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth sind - sie alle ließen sich von Winterhalter, oft mehrfach, porträtieren.
Meisterhaft stellt der Maler die Roben, die Spitzen- und Tüllkaskaden der Damen dar, und zudem gelingt es ihm, Idealisierungen der Gemalten vorzunehmen, welche dennoch lebensnah bleiben. Selbst Queen Victoria, die nach der Geburt ihrer vielen Kinder die Kontrolle über ihr Gewicht einbüßte, stellt er als attraktive Frau dar. Ja, er geht noch weiter, wenn er die Königin als verführerische Frau mit offenem, losem Haar zeigt (38). Dieses Bild ist alles - nur nicht prüde. Prinzgemahl Albert, dem es die Queen zum Geschenk gemacht hatte, stellte es in seinem Arbeitszimmer in Schloss Windsor auf (38).
Winterhalters Mobilität war ungeheuer. Seit 1834 in Paris lebend, reist er 1841 zum ersten Mal nach England, wo er nahe seiner Auftraggeberin, der Queen, im Buckingham Palace wohnte. Nahezu jedes Jahr bis 1864 wird er nun einige Monate in England verbringen. Daneben begibt er sich in die badische Heimat, nach Belgien, in die Schweiz (8-10). Ein solches Leben war nur möglich geworden durch die rasante Verbesserung der Infrastruktur in Mitteleuropa, deren Bedeutung auch für die Kunstproduktion sich hier nachdrücklich spiegelt. Außerdem beherrschte der Maler wohl eine zeitsparende Malweise, die ohne viele Vorzeichnungen und Studien auskam und die hohe Zahl seiner Werke erst ermöglichte.
Leider versäumt es Eismann, in der Besprechung der Gemälde Winterhalters, welcher neben Porträts auch reizvolle Genre- und Historienbilder schuf (60-71), näher auf die Ikonografien einzugehen und die vielfältigen, unterschiedlichen Funktionen der Bilder zu untersuchen.
Besonders fällt dies bei "The First of May" von 1851 auf (Windsor Castle) (43). Drei Ereignisse werden in diesem Bild verewigt: Die Eröffnung der Londoner Weltausstellung (der Kristallpalast ist im Hintergrund zu sehen), der Geburtstag des Herzogs von Wellington und der Geburtstag des siebten Kindes der Queen Victoria, Arthur (40). Was Eismann nicht schreibt ist, dass dieses Bild - fast schon blasphemisch - die Anbetung Christi durch die Heiligen Drei Könige paraphrasiert. Die Queen sitzt mariengleich da, den 1851 geborenen Sohn Arthur haltend, der Wellington einen Strauß Maiglöckchen darreicht. Wellington, der 82-Jährige, kniet (!) am Boden und reicht dem Knaben eine goldene, mit Edelgestein geschmückte Kassette, ganz wie einer der Heiligen Drei Könige. Vater Albert steht, ähnlich Sankt Joseph, etwas abseits. Das ist mehr als eine formal-ikonografische Parallele. Hier wird die englische königliche Familie als Heilige Familie - mit allem was dazugehört - inszeniert!
Eismann widersteht über große Strecken des Buches in den Jargon der Regenbogenpresse zu verfallen, was bei diesem Thema über die Reichen, Schönen und Mächtigen vergangener Tage wohl schwer fällt. Allerdings ist auch sie nicht frei von Plattitüden. So konstatiert sie beim Porträt der Gräfin Katarzyna Branicka Potocka von 1854 (Nationalmuseum Warschau) "slawische Melancholie" (48). Die Gräfin posiert in "orientalischem Kostüm", mit Perlenketten reich behängt. Das entlockt Eismann: "Die große Menge Schmuck, mit der sie sich behängt hat, gibt ihr eher das Aussehen einer Zigeunerin, als einer Dame des Adels." (48) Hier - wie auch an einer Reihe anderer Stellen - wäre ein sorgfältigeres Lektorat zu wünschen gewesen, das zudem etliche orthografische Fehler hätte tilgen können.
Als Winterhalter 1873 in Frankfurt am Main, wohin er sich nach dem deutsch-französischen Krieg zurückgezogen hatte und die Ehefrauen der Frankfurter Bankiers malte, während einer Typhus-Epidemie starb, schrieb Queen Victoria an ihre Tochter Victoria, die kaiserliche Kronprinzessin in Berlin: "Seine Arbeiten aber werden in späteren Zeiten mit denen von van Dyck konkurrieren. " (76) So weit wird es wohl nie kommen, doch möge das Buch dazu beitragen, die Beschäftigung mit Winterhalter und anderen Porträtisten des 19. Jahrhunderts, die nicht geradewegs zur Moderne führen, wieder aufleben zu lassen.
Anmerkungen:
[1] Das Land Baden-Württemberg zahlte für ein Porträt der Königin Olga (heute Landesmuseum Stuttgart) 1,57 Millionen Euro (6).
[2] Richard Ormond / Carol Blackett-Ord: Franz Xaver Winterhalter and the Courts of Europe 1830-70. Ausst-Kat. National Portrait Gallery London 30.10.1987-10.01.1988 and Musée du Petit Palais, Paris, 11.02.-7.5.1988. London 1987.
Thomas Blisniewski