Torsten Cumberland Jacobsen: The Gothic War. Rome's Final Conflict in the West, Yardley, PA: Westholme 2009, X + 370 S., ISBN 978-1-59416-084-4, USD 26,00
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Ein merkwürdiges Buch. Der Verfasser kündigt bereits im Vorwort an, dass es ihm um "military events" gehe (IX). Thema seiner Monographie sei "the conflict on an operational and tactical level" (X) - näherhin geht es um den oströmisch-gotischen Krieg 535, in dem es den Truppen des Kaisers Justinian (527-565) gelang, in einem überaus zähen Ringen noch einmal kurzfristig die römische Kontrolle über Italien wiederherzustellen; die Ereignisse werden aus einer militärgeschichtlichen Perspektive dargestellt: Jacobsens Buch bietet klassische Kriegs- und Ereignishistoriographie. Das ist zunächst einmal ein Ansatz, der naheliegen mag, da gerade die so genannten Gotenkriege des 6. Jahrhunderts aufgrund ihrer umfangreichen Dokumentation in den Werken Prokops, Agathias' und anderer Historiographen einen dankbaren Gegenstand bieten. Den Historiker enthebt dies allerdings nicht der Verpflichtung, sein Untersuchungsobjekt in größere historische, kultur-, mentalitäts, ereignis-, ja wenigstens überhaupt irgendwelche Zusammenhänge einzubetten; und es befreit ihn auch nicht von den basalen Erfordernissen der Quellenkritik. Jacobsen hingegen geht einen anderen Weg: In 15 weitgehend chronologisch angeordneten Kapiteln erobert er die Apenninhalbinsel von den Goten zurück, ein Parforceritt, der keinerlei Zeit für Seitenblicke jeglicher Art lässt: Gern hätte man wenigstens irgendetwas über Justinian erfahren (außer einem knappen biographischen Gerüst), vielleicht ein paar Hinweise zu seiner Repräsentation erhalten, zu den historischen Entwicklungen, die zum Krieg führten (Jacobsen bemüht unhinterfragt das sattsam bekannte Erklärungsmodell, wonach der Kaiser seit dem Beginn seiner Herrschaft einer territorialen Wiederherstellung des Imperium Romanum entgegengefiebert habe; z.B. 3), oder überhaupt schlicht zu den politischen Rahmenbedingungen im frühen 6. Jahrhundert. Stattdessen wird der Leser sogleich in den Perserkrieg, den Justinian von seinem Vorgänger Justin (518-527) geerbt hatte, hineingeworfen, darf auf knapp 2 Seiten und ohne jegliche Überlegungen zu den historischen Verortungen einige Blicke auf den Nika-Aufstand (Januar 532) richten, wird rasch durch den Vandalenkrieg dirigiert und findet sich nach dem Genuss eines ausführlichen Exkurses zur Geschichte der Ostgoten (für den Verfasser eine "barbarian nation"; z.B. IX, 24: "the Goths as a nation") unversehens mit Belisar auf dem Weg zur Invasion Italiens wieder.
Jacobsen erzählt im Wesentlichen Prokop (und mitunter auch andere antike Historiographen) nach. Quellenkritik ist, wie angedeutet, seine Sache nicht. Prokops Darstellung wird ohne Diskussionen übernommen, längere Zitate aus seinem Geschichtswerk lockern den Text auf, Reden werden mitunter wörtlich zitiert - eingeführt mit "XY said" und ohne Kommentare (z.B. 141, 182, 244f.). Damit nicht genug: Aus der vom Autor bevorzugten Arbeitsweise resultiert die Übernahme von Wertungen und Gewichtungen, die häufig mit traditionellen Stereotypen über 'Römer', 'Germanen', 'Hunnen' sowie die beteiligten Akteure durchsetzt werden. Freilich kann man dies tun, wenn man wie der Autor davon ausgeht, dass "Procopius can still be seen as a fairly objective historian who tried to recount both the good and the bad" (X). Da verwundert es dann nicht mehr, dass die Hunnen natürlich permanent betrunken sind (11) und sich bei Plünderungen durch besondere Grausamkeit hervortun (91, 257), dass Goten primitiv und undiszipliniert sind (53; Franken im Übrigen auch: 175) - wenngleich sie im Kampf "desperate courage" zeigen (67) -, dass Theoderich "perhaps the most civilized barbarian the former Western Roman Empire would ever see" (73) war usw. Die Goten "originally worshipped a number of traditional Germanic gods, such as Nerthus and Freyr, gods of agriculture; Wodan, the god of war; and similar deities" (38). Bereits für das 4. Jahrhundert begegnet man im Römischen Reich "a host of heresies, such as the Monophysite, Dyophysite, Donatist, Manichee, and so on" (40) - hier gerät alles vollends durcheinander.
Darstellungen wie diejenige Jacobsens, die im Wesentlichen antike Geschichtsschreibung nacherzählen, handeln naturgemäß von Helden und Bösewichtern, von "almost fairy-tale heroes and villains" (X). Auch das ist nicht grundsätzlich verwerflich, doch wiederum erfährt man nichts Überraschendes. Vom Intriganten Narses ("only trained in the intrigues of politics at the imperial court", 157) über das gedemütigte Feldherrngenie Belisar, den fiesen und unentschlossenen Theodahat, den "brave and mighty warrior" Hildebad (189) bis hin zu den gotischen Heldenkönigen Totila und Teia ist das aus Felix Dahn bekannte Personal, versehen mit den ebenfalls geläufigen Etiketten, versammelt. Jacobsen spitzt seine personalisierende Sichtweise sogar derart zu, dass er sich zu der Behauptung versteigt, Justinian hätte den Krieg gegen die Goten nicht geführt, wenn er nicht auf Belisar hätte zurückgreifen können (260).
All das hätte gut in einen historischen Roman gepasst, und man fragt sich, warum der Autor nicht die nötige Konsequenz besessen hat, um für seine Darstellung dieses Genre zu wählen. Als historiographischer Versuch vermag sein Buch jedenfalls nicht zu überzeugen. Für alles weitere haben wir bereits Felix Dahn.
Mischa Meier