Rezension über:

Rosaria Pilone / Bartolommeo Capasso (a cura di): Historia diplomatica Regni Siciliae ab anno 1250 ad annum 1266. Ristampa riveduta, correta ed ampliata dell'edizione del 1874, Battipalglia: Laveglia & Carlone 2009, XXVIII + 803 S., ISBN 978-88-88773-43-8, EUR 60,00
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Rezension von:
Christian Friedl
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Georg Vogeler
Empfohlene Zitierweise:
Christian Friedl: Rezension von: Rosaria Pilone / Bartolommeo Capasso (a cura di): Historia diplomatica Regni Siciliae ab anno 1250 ad annum 1266. Ristampa riveduta, correta ed ampliata dell'edizione del 1874, Battipalglia: Laveglia & Carlone 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 6 [15.06.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/06/17419.html


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Rosaria Pilone / Bartolommeo Capasso (a cura di): Historia diplomatica Regni Siciliae ab anno 1250 ad annum 1266

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Das hier zu rezensierende Buch ist ein Neudruck der Ausgabe von 1874, den Rosaria Pilone durchgesehen, verbessert und um ein Literaturverzeichnis sowie ein ausführliches Register erweitert hat. Laut "Karlsruher Virtueller Katalog" besitzen lediglich acht Bibliotheken in Deutschland die Erstausgabe, und auch der Italienische Verbundkatalog weist den Band nur in zwölf Bibliotheken nach, so dass von wissenschaftlicher Seite die Neuauflage von Capassos Werken [1] ausdrücklich zu begrüßen ist.

Capassos "Historia" ist ein Urkunden- und Regestenwerk zur Geschichte des Königreichs Sizilien vom Tod Friedrichs II. (1250) bis zum Tod seines Sohnes Manfred in der Schlacht von Benevent (1266). Sie ist damit in diplomatischer Hinsicht die wichtigste Quellensammlung für die Zeit nach dem Tod des großen Stauferkaisers bis zum Übergang der Herrschaft im Regnum Siciliae an die Anjou. Eine Zeit, die von deutscher Seite mit den Arbeiten von August Karst, Karl Hampe und Arnold Bergmann vom Anfang des 20. Jahrhunderts intensiv untersucht, seitdem aber eher stiefmütterlich behandelt wurde. Von italienischer Seite ist diese Zeit vor allem von Pier Fausto Palumbo in den sechziger und siebziger Jahren, von Enrico Pispisa bis in unsere Zeit behandelt worden.

Der Neapolitaner Gelehrte Capasso ordnete die Urkunden chronologisch an, nicht nach Ausstellern, was ereignisgeschichtliche Analysen erleichtert. Ein Spezifikum stellen die zahlreichen ausführlichen Regesten dar, welche nach dem gleichen chronologischen Prinzip den Urkunden beigeordnet sind: Capasso blieb hier meist ganz nahe am eigentlichen Urkundentext (der ihm also vorgelegen haben musste), den er lediglich durch die Ersetzung der subjektiven ersten Person durch die objektive dritte Person veränderte. Die Einträge, die aufgenommen wurden, spiegeln die heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Päpsten und den sizilischen Herrschern in eindringlicher Weise wider. So verwundert es nicht, dass in überwiegendem Maß die Urkunden bzw. Regesten der vier Päpste Innozenz IV., Alexander IV., Urban IV. und Clemens IV. einerseits und jene von Friedrichs II. Söhnen Manfred und Konrad IV. sowie dessen Sohn Konradin vertreten sind. Es findet sich jedoch auch so einiges privaturkundliches im Material, soweit es die politischen Geschicke des Königreichs Sizilien in besonderer Weise betroffen hat. Capasso hat die einzelnen Urkunden zum Teil ausführlich in den Anmerkungen lateinisch kommentiert und stets die Gewährsmänner seiner Quellen angegeben.

Von keinem der genannten Aussteller enthält Capassos Werk allerdings so viel Material wie von Manfred. Lässt man die Deperdita außer Acht, so finden sich etwa 60% der uns bekannten Urkunden von Manfred als Druck oder ausführliches Regest aufgeführt. Dies gilt vor allem für die Drucke der Urkunden, die sich mit Ausnahme bekannterer Stücke wie etwa dem Manifest an die Römer entweder nur in der "Historia" oder verstreut in weit älteren Werken zur Geschichte Süditaliens oder der Päpste finden. Lediglich in Winkelmanns "Acta imperii inedita" [2] findet sich noch ein nennenswerter Prozentsatz von Urkunden, welche aus der Zeit von 1250 bis 1266 stammen und das Regnum Siciliae betreffen und nicht bei Capasso aufgenommen sind. Auch wenn die wohl berühmteste Urkunde aus Manfreds Herrschaftszeit, welche die Gründung von Manfredonia behandelt, von Capasso nur als Regest aufgenommen ist, so ist seine "Historia" für Manfred auch heute noch das, was Huillard-Bréholles mit seiner "Historica diplomatica" für Friedrich II. ist: die reichste Quelle an Urkunden bis zur Fertigstellung einer modernen Edition im Rahmen der Diplomata-Bände der Monumenta Germaniae Historica.

Capassos Ausgabe von 1874 schließt mit einem kleinen Kapitel über Fälschungen ("Documenta suspecta vel omnino supposita") und einem Auszug aus dem so genannten "Liber inquisitionum" Karls I. von Anjou, das Auskunft gibt über die Lehensvergaben unter Manfred bzw. Konrad IV.

Das besondere Verdienst von Rosaria Pilone ist nun die Erschließung des Werkes von Capasso. Zunächst ist der Benutzer dankbar für ihr ausführliches Verzeichnis der in der alten Ausgabe häufig stark gekürzten Literaturangaben. Wahrhaft umfangreich ist das von ihr erstellte Register (323-802): mit 479 Seiten ist der "Indice analitico" gegenüber der eigentlichen Edition von 321 Seiten zumindest in quantitativer Hinsicht bombastisch. Ein Urkunden- bzw. Regestenwerk erschließt sich erst durch eine Reihe von Registern, und gerade ihr weitgehendes Fehlen war einer der wirklich bedeutenden Mängel der Ausgabe von 1874. Pilones Register ist allerdings nicht in ein Wort- und ein Namenregister aufgeteilt, was die Benutzung grundsätzlich erschwert. Auch stiftet die Aufspaltung der einzelnen Lemmata in zahlreiche Phrasen bzw. Unterbegriffe zusätzlich Verwirrung. Unter dem Lemma "dominus" (461-470) findet sich beispielsweise dreimal hintereinander eine jeweils alphabetische Auflistung nach unterschiedlichen Kriterien. Daran schließt sich ein ähnliches Procedere mit "dominus noster" unter dem unveränderten Lemma an. Die alphabetische Ordnung wird also innerhalb eines Lemmas mehrfach angewandt, und zwar aufgeteilt nach titularbezogenen, toponymischen und sonstigen Attributen, die im Text jeweils beim Lemma stehen: ein ungewöhnliches Phänomen, das dem Sinn eines Registers eher zuwider läuft. Die Kriterien für solche mehrfach alphabetisch geordneten Auflistungen - sie gelten für alle Lemmata - erschließen sich dem Benutzer keineswegs von selbst und so tut man gut daran, die Hinweise in der Einleitung (X f.) zu lesen. Was die ausführlichen Verweise innerhalb eines Lemmas anbelangt, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch hier ein wenig zuviel des Guten getan worden ist. Ob beispielsweise zwei Spalten Verweise im Unterbegriff "rex Siciliae" des Lemmas "Manfredus" (589 f.) zu anderen Lemmata tatsächlich Nutzungsgewinn garantieren, ist fraglich.

Der Neudruck von Capassos "Historia" könnte also zu dem äußerst positiven Ergebnis führen, dass dieses wohl wichtigste urkundliche Werk zur Geschichte des Regnum Siciliae für die Zeit zwischen Friedrichs II. Tod und Karl I. von Anjou nun flächendeckender in den Bibliotheken verfügbar sein wird. Für die Forschungsarbeit am "Mezzogiorno im 13. Jahrhundert" schließt sich damit eine fühlbare Lücke. Die Erschließung seines Werkes mit Hilfe eines Registers ist ebenfalls eine kaum überschätzbare Hilfestellung, auch wenn Aufbau und Struktur dieses Registers gewöhnungsbedürftig sind.


Anmerkungen:

[1] Auf gleiche Weise ist 2008 Capassos dreibändiges Werk "Monumenta ad Neapolitani ducatus historiam pertinentia quae partim nunc primum, partim iterum typis vulgantur" von Rosaria Pilone neu aufgelegt worden.

[2] Eduard Winkelmann: Acta imperii inedita saeculi XIII et XIV. Urkunden und Briefe zur Geschichte des Kaiserreichs und des Königreichs Sicilien in den Jahren 1198-1400, 2 Bde (ND Aalen 1964), Innsbruck 1880-1885.

Christian Friedl