Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, Frankfurt/M.: Städel Museum 2008, 419 S., ISBN 978-3-935647-40-3, EUR 68,00
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Andreas Thielemann / Stefan Gronert (Hgg.): Adam Elsheimer in Rom. Werk - Wirkung - Kontext. Akten des Internationalen Studientages der Bibliotheca Hertziana. Rom, 26.-27. Februar 2004 (= Römische Studien der Bibliotheca Hertziana; Bd. 23), München: Hirmer 2008, 256 S., 16 Tafeln, ISBN 978-3-7774-4255-6, EUR 85,00
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Berühmt war Adam Elsheimer immer, doch im Gegensatz zu seinem Ruhm steht die relative Kenntnis seines Werks. Seine Schaffenszeit war kurz und das hinterlassene Œuvre ist klein, doch birgt es nach wie vor Fragen, die vor allem Elsheimers Rolle im Spannungsfeld der europäischen Kunstentwicklung um 1600 jenseits und diesseits der Alpen betreffen. Erstaunlich ist deshalb, nachdem Keith Andrews 1977 (erweiterte deutsche Fassung 1985) das bis heute gültige Werkverzeichnis vorgelegt hatte [1], dass das Interesse an seinem Werk erst in letzter Zeit wiederbelebt wurde. Nach der Ausstellung in München, die Elsheimers Kunst in einen naturwissenschaftlichen Kontext stellte [2], und der großen Werkschau in seiner Geburtsstadt Frankfurt [3] sind zuletzt die beiden hier vorgestellten Bände erschienen, die sich unterschiedlichen Bereichen in Elsheimers Werk widmen.
Während Joachim Jacoby erstmals einen kritischen Katalog der Arbeiten auf Papier vorlegt, wirft der von Andreas Thielemann und Stefan Gronert herausgegebene Band einen Blick auf Elsheimer im Kontext der europäischen Kunst um 1600. Letzterer vereinigt die Beiträge eines internationalen Studientages, den die Bibliotheca Hertziana in Rom im Februar 2004 veranstaltet hat. Das Hauptwerk Elsheimers entstand in Rom, doch hat er dort nie das Interesse erzeugt, das beispielsweise seine Zeitgenossen Caravaggio oder auch der römische Aufenthalt von Peter Paul Rubens gefunden haben. Umso verdienstvoller ist das von der Bibliotheca Hertziana veranstaltete Kolloquium, mit dem die Forschung auch Elsheimers wichtigste Wirkungsstätte erreicht hat.
Wie bei Kongressbeiträgen nicht anders zu erwarten, behandeln die Beiträge verschiedene Aspekte in Elsheimers Werk, die den Maler in seinem künstlerischen und intellektuell-sozialen Umfeld verankern. Sie stellen Elsheimer nicht als deutschen Sonderling vor, sondern als vernetzten und an den aktuellen Diskussionen interessierten Künstler. Diese Erkenntnis ist zwar nicht wirklich neu, doch lag eine ikonologische und kulturhistorische Einordnung nicht in Andrews Absicht und ist auch im Katalog der Frankfurter Ausstellung 2006 nur vereinzelt verfolgt worden. Exemplarisch für ein solches Vorgehen steht Arnold Wittes Analyse von Elsheimers Il Contento in Edinburgh, das er als Auftragswerk für Kardinal Odoardo Farnese interpretiert und davon ausgehend den literarischen und künstlerischen Hintergrund des Gemäldes analysiert. Dem Selbstverständnis als Künstler und seinem sozialen Status - ein für Elsheimer zentrales Thema - sind die Beiträge von Andreas Thielemann und Anna Schreurs-Moret gewidmet, die Sandrarts Mondscheinlandschaft mit Amor und Venus pudica als Hommage an Elsheimer interpretiert und damit auf dessen Bedeutung für den Status des Künstlers hinweist. In einem anderen Beitrag untersucht Thielemann Elsheimers besondere Leistung auf dem Gebiet der Naturdarstellung und geht dabei der Frage nach seinen Verbindungen zu den Naturwissenschaften und besonders den optischen Wissenschaften nach.
Andere Beiträge behandeln Fragen von Einfluss und Wirkung - Louisa Wood Ruby betont die Bedeutung von Paul Bril für Elsheimers Landschaften, Mirjam Neumeister verankerte Elsheimer als Nachfolger und Vorbereiter einer deutsch-niederländischen Tradition des Nachtstücks, für das er zwei wegweisende Typen ausbildete: den von mehreren Lichtquellen beleuchteten Innenraum und die durch Fackeln erleuchtete Außendarstellung. Christian Tico Seifert schließlich hebt Elsheimers besondere Bedeutung für die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts am Beispiel von Pieter Lastman, Rembrandts Lehrer, hervor.
Die Frage nach Einfluss und Wirkung, Elsheimers Stellung zwischen Nord und Süd betrifft in besonderem Maße dessen Arbeiten auf Papier, deren Catalogue Raisonnè Joachim Jacoby vorgelegt hat. Jacoby hat im Titel zwar den Begriff Zeichnung gewählt, doch bevorzugt der Rezensent in diesem Fall den Begriff Arbeiten auf Papier, weil in Elsheimers schmalem Zeichnungsœuvre sich immerhin fünf Gouachen befinden, die historisch betrachtet auch der Malerei zugerechnet wurden, wie Jacoby in einem Exkurs zur Begriffsgeschichte der Gouache aufzeigt (89-94).
In seiner Einleitung (11-87) gibt Jacoby nicht nur ein konzises Stück Forschungsgeschichte zum Zeichner Elsheimer, die ihre entscheidenden Impulse 1923 durch Weizsäckers Publikation des Frankfurter Klebebandes und die große Elsheimer-Ausstellung 1966 in Frankfurt erhielt; er beschreibt auch Elsheimers Entwicklung als Zeichner in der Tradition des 16. Jahrhunderts ausgehend von Philipp Uffenbach und betont zu Recht den Einfluss der Familie Bassano auf den Zeichner Elsheimer, als dieser sich in Venedig aufhielt. Schließlich geht er vor allem der Frage nach Wirkung und Einfluss von Elsheimers Zeichenkunst nach. Auffallend ist dabei, dass sie in Italien bis auf Ausnahmen wie Agostino Tassi kaum rezipiert wurde - für den Venezianer Carlo Saraceni nahmen Elsheimers Gemälde beispielsweise eine vorbildhafte Funktion ein, dessen Zeichnungen haben ihn indessen nicht interessiert -, im Norden hingegen bis hin zu Rembrandt und seinem Kreis auf eine breite Resonanz traf. Den Gründen für diese unterschiedliche Resonanz nachzugehen, wäre sicher lohnend. Ob dabei klassisch bzw. akademisch geprägte Tendenzen gegen ein unklassisches Verständnis stehen oder eine unterschiedliche Auffassung von Kontur bzw. der Linie vorherrscht, wäre näher zu untersuchen.
Neben David Teniers dem Älteren, Martin Faber oder Johann König sind es besonders die bereits von Sandrart genannten Pieter Lastman, Jan Pynas, Jacob Ernst Thoman von Hagelstein und nicht zuletzt Hendrick Goudt, die zu Elsheimers Zeichenkunst in einem engen Verhältnis standen. Die Analyse ihrer Zeichnungen dient Jacoby zur Abgrenzung gegenüber Elsheimers Zeichnungen. In einem methodisch stringenten Verfahren hat Jacoby insgesamt 27 Blätter als eigenhändig anerkannt. Dabei ist auffallend, dass es im gesamten Œuvre nur eine einzige Zeichnung gibt, die sich als reine Landschaft bezeichnen lässt (Nr. 16) - erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Elsheimers Ruhm und Wirkung auf seiner Landschaftskunst beruht.
Auf Andrews fußend, der seinerzeit 26 Zeichnungen zusammengetragen hatte, konnte Jacoby diesem noch unbekannte Blätter in Malibu (Nr. 12), München (Nr. 13), Amsterdam (Nr. 14) und in Warschau (Nr. 19) hinzufügen, die in den letzten 30 Jahren auftauchten. Auf Ablehnung stießen zu Recht dagegen die beiden Berliner Blätter (Andrews Nr. 46 und 47), die Jacoby in einen eigenen Katalog der abgelehnten Zuschreibungen aufgenommen hat. In ihm finden sich auch einige zuletzt für Elsheimer in Anspruch genommene Blätter in Privatbesitz (Nr. A 5, A 8 - A10) und in New York (Nr. A 6 und A7) sowie in Rom (Nr. A 11). Ergänzt wird diese Zusammenstellung fälschlicher Zuschreibungen durch einen sorgfältigen, sehr nützlichen Katalog der gezeichneten Kopien nach Werken von Elsheimer. [4] Deshalb wird in Zukunft Jacobys Katalog unverzichtbar für die weitere Erforschung von Elsheimers Zeichnungen und seines Umfeldes sein.
Anmerkungen:
[1] Keith Andrews: Adam Elsheimer. Paintings, drawings, prints, Oxford 1977; deutsche Ausgabe: Adam Elsheimer. Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen und Radierungen, München 1985.
[2] Marcus Dekiert: "...ein Werk, das in allen Theilen zugleich und in einem jeden besonderlich ganz unvergleichlich ist ...". Adam Elsheimers Flucht nach Ägypten - Werk und Wirkung, in: Von neuen Sternen: Adam Elsheimers Flucht nach Ägypten, hg. von Reinhold Baumstark (Ausstellungskatalog München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen München 2005/06), München 2005, 20-49.
[3] Rüdiger Klessmann (Hg.): Im Detail die Welt entdecken. Adam Elsheimer 1578-1610. Mit Beitr. von Emilie E. S. Gordenker / Christian Tico Seifert (Ausstellungskatalog Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut 2006), Wolfratshausen 2006.
[4] Zu ihnen zählt auch das Blatt, das Andrews in der 1985 erschienenen deutschen Ausgabe seines Werkverzeichnisses noch als Vorzeichnung für eine der Tafeln des Frankfurter Kreuzaltars ansah (Nr. GK 7b).
Peter Prange