Detlev Kreikenbom / Karl-Uwe Mahler / Patrick Schollmeyer u.a. (Hgg.): Augustus - Der Blick von außen. Die Wahrnehmung des Kaisers in den Provinzen des Reiches und in den Nachbarstaaten. Akten der internationalen Tagung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 12. bis 14. Oktober 2006 (= Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen; Vol. 8), Wiesbaden: Harrassowitz 2008, X + 363 S., ISBN 978-3-447-05715-8, EUR 68,00
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R. Malcolm Errington: A History of the Hellenistic world. 323-30 BC, Oxford: Blackwell 2008
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Peter Pilhofer: Philippi. Band II. Katalog der Inschriften von Philippi, 2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Tübingen: Mohr Siebeck 2009
In diesem Band, der auf eine 2006 in Mainz stattgefundene Tagung zurückgeht, steht Augustus nicht als Handelnder, sondern als Wahrgenommener im Zentrum, damit gleichzeitig auch die Wahrnehmung der römischen Herrschaft innerhalb und außerhalb des Reichsgebietes. Die Beiträge weisen eine große Bandbreite auf, was die behandelten Regionen, Gattungen, Methoden und Betrachtungsweisen angeht. Hier war offensichtlich keine Einheitlichkeit angestrebt, so dass kein Handbuch entstanden ist, sondern eine Sammlung und Untersuchung diverser Aspekte der Römerherrschaft in der Umbruchszeit zwischen Republik und Prinzipat, was das Unternehmen insgesamt weniger enzyklopädisch, sondern vielmehr zu weiterer Beschäftigung anregend erscheinen lässt.
Die ersten beiden Beiträge beschäftigen sich mit Dichtern. Christine Walde zeigt, dass Ovids Exilgedichte keineswegs geeignet sind, sie auf eine Kritik an Augustus und seiner Herrschaft hin zu untersuchen. Vielmehr entwerfe der Dichter durch Transformation der hellenistischen Herrscherpanegyrik ein ebenso realistisches wie ideales Bild von Rom und Augustus und wirkte damit vorbildhaft auf die poetische Haltung späteren Kaisern gegenüber. Als Kontrast dazu stellt Ulrich Schmitzer die Perspektive der östlichen Dichter am Beispiel von Philippos und Antipatros, beide aus Thessalonike, dar, deren Wahrnehmungsparadigma anhand der langen Erfahrungen mit den hellenistischen Monarchien entstand und sich darin grundlegend vom römischen unterscheidet.
Einer weniger beachteten, aber dafür umso vielversprechenderen Spur geht Patrick Schollmeyer nach, wenn er versucht nachzuweisen, dass Augustus zumindest zu Beginn seiner Herrschaft in seiner Selbstdarstellung sehr große Rücksicht auf die spezifischen Sehgewohnheiten der etruskischen Aristokratie genommen habe. Dies zeige sich u.a. in seinem Grabbau und in seinem Haus auf dem Palatin. Christian Witschel diskutiert anhand einer umfangreichen Quellenzusammenstellung vor allem die Rolle der lokalen Eliten der Nordwestprovinzen bei der Einrichtung des Kaiserkults. Diese Eliten führten den rapiden Ausbau der Städte eigenverantwortlich durch und nutzten den Kaiserkult als bevorzugte Form der Kommunikation mit der Macht in Rom. Die augusteischen Bauten und die Kaiserverehrung in verschiedenartigen iberischen Städten untersucht Markus Trunk. Foren und Theater als Szenarien der kaiserlichen Repräsentation werden überall errichtet - von Tarraco, dem zeitweiligen "Herrschersitz" des Augustus, bis nach Segobriga, dem keltiberischen oppidum im Binnenland. Die iberischen Eliten hatten sich offenbar mit der neuen Macht arrangiert.
Wie sehr sich Juba II. von Mauretanien an augusteischen Institutionen und Repräsentationsformen orientierte, zeigt Leonhard Schumacher. Der Beitrag von Luisa Musso untersucht den augusteischen Baubestand auf dem Alten Forum von Lepcis Magna, während Detlev Kreikenbom über die Wahrnehmung des Augustus in ebendieser Stadt anhand der Statuen, Münzen und Inschriften handelt. Die umfassende lokale Inanspruchnahme des Princeps ist ein Phänomen, das im nicht weit entfernt gelegenen Sabratha nicht wahrzunehmen ist. Die Gründe dafür bleiben vorerst ungewiss.
Zwei Beiträge beschäftigen sich mit dem augusteischen Ägypten. Während Rolf Gundlach die Entwicklung der Königstitulatur des Augustus beschreibt, untersucht Ursula Verhoeven die augustuszeitlichen Monumente in den Tempeln Oberägyptens. Bei der Deutung geht sie stets von einer aktiven Mitgestaltung des Princeps aus, so dass alle Beobachtungen als Zeugnisse augusteischer "Religionspolitik" erscheinen (246).
Die folgenden vier Untersuchungen widmen sich dem Einfluss des Augustus auf Herrscher außerhalb des Reichsgebietes. Thomas M. Weber stellt die Reste der Kolossalstatue des Augustus in Caesarea Maritima vor und diskutiert die Panzerstatue aus dem Augusteion von Samaria Sebaste sowie Hinweise auf die statuarische Darstellung Herodes' des Großen. Die Münzprägung der parthischen Könige zur Zeit des Augustus stellt Heike Richter vor; Karl-Uwe Mahler erwägt Zusammenhänge zwischen den Münzbildern des Kushan-Herrschers Kujula Kadphises und denen des Augustus und des Tiberius; Robert Fleischer schlägt vor, den Kopf eines jugendlichen Königs aus Samosata als Antiochos III. von Kommagene zu identifizieren. So unterschiedlich die jeweiligen Beziehungen zu Rom sind, so rekurrieren doch all diese nahen und fernen Nachbarn in verschiedener Weise auf die Herrschaft und auf das Bild des Augustus, um eine Beziehung zur römischen Macht zu definieren.
Die letzten beiden Beiträge sind im griechischen Raum angesiedelt. Ioanna Margerita Felten fragt nach dem Faktor Raum in der süd- und mittelgriechischen Synoikismospolitik des Princeps, der ja durch die Gründungen von Patras und Nikopolis entscheidend in das Siedlungs- und Kultgefüge Achaias, Aitoliens und Akarnaniens eingegriffen hat. Die damit einhergehende Zerstörung der traditionellen sakralen Landschaft wurde allerdings nicht von den Zeitgenossen, sondern erst mit Pausanias als negativer Aspekt der römischen Herrschaftsübernahme gesehen. Renate Bol zeigt, dass der kolossale Torso des Augustus aus Olympia eher vor dem Metroon als im Tempel gestanden hat und dass er als synnaos der Göttermutter, nicht als Usurpator, fungierte.
Der Band bietet insgesamt ein facettenreiches Bild der Rezeption des Augustus in verschiedenen Bereichen und in unterschiedlichen Regionen innerhalb und außerhalb des römischen Reiches. Deutlich wird, dass der Princeps von Spanien bis Indien nirgends und von niemandem ignoriert werden kann. Zum einen setzten sich diejenigen unter den lokalen Eliten durch, die es darauf anlegten, ein positives Verhältnis zu Rom zu demonstrieren, zum anderen wurden durch den Herrscher selbst gesteuert vor Ort öffentlichkeitswirksame Betrachtungs- und Verehrungsweisen installiert. In einigen der Beiträge wird auf diesen fundamentalen Unterschied nicht geachtet, so dass die Kategorien verschwimmen und sich jede Differenz in einer amorphen Augusteischkeit auflöst. Auch konnten naturgemäß nicht alle Regionen und Schichten des Reichs gleichermaßen berücksichtigt werden. Allerdings kommen Kerngebiete der altertumswissenschaftlichen Forschung wie Syrien, Kleinasien, Griechenland und Makedonien entschieden zu kurz. Jedoch sollten diese Kritikpunkte nicht den Gesamteindruck affektieren. Gerade weil sich auch Altertumswissenschaftler immer mehr regional spezialisieren, ist ein solcher Überblick über ein reichsweites Phänomen stets notwendig und anregend, um die eigene Perspektive zu prüfen und zu ergänzen. Es ist zu hoffen, dass der Band in Forschung und Lehre angemessen rezipiert wird.
Leider enthält der Band kein Register, auch die häufigen Satzfehler stören. Zudem wird auf einen Beitrag hingewiesen, der dann wohl doch nicht seinen Weg in den Band gefunden hat (328 Anm. 39). Die zahlreichen Karten und Abbildungen sind durchweg brauchbar bis gut; es wird erfreulicherweise die einem wissenschaftlichen Werk angemessene traditionelle Rechtschreibung verwendet.
Frank Daubner