Sebastian Joost: Zwischen Hoffnung und Ohnmacht. Auswärtige Politik als Mittel zur Durchsetzung landesherrlicher Macht in Mecklenburg (1648-1695) (= Rostocker Schriften zur Regionalgeschichte; Bd. 2), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2009, 270 S., ISBN 978-3-8258-1062-7, EUR 29,90
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Der hier zu rezensierende Band von Sebastian Joost stellt zugleich die Druckfassung seiner im Sommersemester 2006 in Rostock angenommenen Dissertation dar. Das in der Einleitung formulierte Vorhaben klingt ambitioniert, denn "im Zentrum der Untersuchung [steht (Zusatz des Rezensenten)] die Frage nach den Chancen und Perspektiven der von den mecklenburgischen Fürsten favorisierten Reichs- und Außenpolitik" (25). Allerdings folgt hier schon die erste Enttäuschung, denn eine weitere Präzisierung der Fragestellung sowie Hinweise auf methodisches Vorgehen und geschichtswissenschaftliche Konzepte bzw. Modelle gibt es leider nicht. Die Verweise auf die vorhandene allgemeine Forschungsliteratur erschöpfen sich im Wesentlichen in einigen älteren Standardwerken von Heinz Schilling und Heinz Duchhardt, ergänzt um Arbeiten von Johannes Kunisch und Johannes Burkhardt (23).
Dieser Mangel an methodischer Durchdringung durchzieht dann auch die gesamte Darstellung. Ihre Gliederung, vielmehr aber noch der Duktus des Textes erinnerten den Rezensenten an "Geschichtserzählungen" des 19. Jahrhunderts bzw. an die auch als Referenzliteratur herangezogenen Werke zur mecklenburgischen Landesgeschichte aus dem frühen 20. Jahrhundert. Folgerichtig hielt sich der Erkenntnisgewinn auch in überschaubaren Grenzen, was angesichts des bearbeiteten Themas eigentlich schade ist.
Denn im Prinzip steckt das Buch voller Details, auch voller Interpretationsansätze, aber irgendwie scheint die wissenschaftliche Analyse auf halbem Wege stecken geblieben zu sein. Das Verhältnis von Außen- und Reichspolitik zur Innen- bzw. Ständepolitik der Herzöge von Mecklenburg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist ja schon spannend, und man könnte sich eine ganze Menge an Fragen vorstellen, die mit dem Thema verknüpft sind. Wie Handlungsspielräume fürstlicher Politik ausgelotet werden können, hat die fast zeitgleich veröffentlichte Habilitationsschrift von Oliver Auge [1] gezeigt, in der auch die Herzöge von Mecklenburg, allerdings im Mittelalter, behandelt werden.
Im Zentrum der Darstellung von Joost steht das außenpolitische Agieren der beiden regierenden mecklenburgischen Herzöge der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Christian I. Louis in Schwerin und Gustav Adolf in Güstrow. Beide stehen im Schatten der während des Dreißigjährigen Krieges etablierten Ostseegroßmacht Schweden, gehen aber unterschiedliche Wege. Christian I. Louis nähert sich Frankreich an, diplomatisch gipfelnd im Vertrag von 1663 und persönlich in seinem Übertritt zum katholischen Glauben sowie seiner zweiten Ehe mit einer französischen Fürstin. Gustav Adolf bleibt dagegen im Bündnis mit Schweden, das erst zerbricht, als die schwedische Vormachtstellung in den Niederlagen des schwedisch-brandenburgischen Krieges 1674-1679 ins Wanken gerät. Ambivalent wirkt sich auch das Verhältnis beider Fürsten zum Kaiser und zu den benachbarten Reichsständen aus. Punktuellen Erfolgen steht die strukturelle Schwächung ihrer landesherrlichen Position zu den Landständen gegenüber, die immer wieder Hilfe und Unterstützung beim Reichsoberhaupt oder den benachbarten Fürsten finden. Dem Einfluss der fürstlichen Außenpolitik auf das Verhältnis zu den Ständen ist dann auch ein ganzer Abschnitt der einschließlich Einleitung, Resümee und Anhang in sieben Hauptteile gegliederten Arbeit gewidmet.
Insbesondere die Person und Regierungstätigkeit des Schweriner Herzogs Christian I. Louis ist bereits mehrfach Gegenstand der landesgeschichtlichen Forschung gewesen. Daher ist das über ihn Ausgeführte in den Grundzügen auch bereits bekannt und wird durch Joost in Details, die er teils aus eigenen Archivstudien, teils aus neuerer Literatur schöpft, ergänzt und vervollständigt. Weitestgehend Neuland betritt er dagegen mit der Darstellung der Außenpolitik des Güstrower Herzogs Gustav Adolfs. Der diesem gewidmete Abschnitt dürfte daher auch den wichtigsten Erkenntnisfortschritt der gesamten Arbeit beinhalten.
Vorangestellt ist eine recht ausführlich geratene Darstellung der Politik des Vorgängers der beiden, Herzog Adolf Friedrich I., der nicht nur in Schwerin regierte, sondern nach dem frühen Tod seines Bruders ab 1636 auch für den unmündigen Neffen Gustav Adolf bis zu dessen Volljährigkeit die Vormundschaftsregierung in Güstrow leitete.
So allgemein und unpräzise wie die Gesamtfragestellung fällt dann leider auch das Resümee aus, in dem wesentliche Teile der Darstellung noch einmal zusammengefasst bzw. wiederholt werden. Ein kurzes und prägnant formuliertes Ergebnis sucht man vergebens. Dagegen werden hier, aber auch in den darstellenden Teilen der Arbeit gern einmal Stereotypen zur mecklenburgischen Geschichte in dieser Zeit, wie etwa die vergleichsweise stärkere wirtschaftliche Schädigung im Dreißigjährigen Krieg (241), ohne Beleg argumentativ kolportiert. Dagegen bleibt die in der Einleitung angekündigte Auseinandersetzung mit der These von der "bellizistische(n) Disposition des absoluten Fürstenstaates" (23) anhand des mecklenburgischen Beispiels aus.
Durch die nur ungenügend erfolgte Einbindung in die aktuelle Forschungsdiskussion und den ausgelassenen Vergleich mit der Situation in anderen Reichsterritorien wurde die Chance vertan, einen breiter rezipierbaren Beitrag zur Geschichte der Diplomatie und Außenpolitik in den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg am Beispiel der mecklenburgischen Fürstentümer vorzulegen. Adressat der vorliegenden Studie wird daher in erster Linie die mecklenburgische Landesgeschichtsforschung sein.
Anmerkung:
[1] Oliver Auge: Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalterforschungen, Bd. 28), Ostfildern 2009.
Dirk Schleinert