Rezension über:

Bassam Tibi: Euro-Islam. Die Lösung eines Zivilisationskonfliktes, Darmstadt: Primus Verlag 2009, 203 S., ISBN 978-3-89678-651-7, EUR 24,90
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Rezension von:
Tonia Schüller
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Tonia Schüller: Rezension von: Bassam Tibi: Euro-Islam. Die Lösung eines Zivilisationskonfliktes, Darmstadt: Primus Verlag 2009, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 12 [15.12.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/12/18548.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 11 (2011), Nr. 12

Bassam Tibi: Euro-Islam

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Bassam Tibi, emeritierter Professor für Internationale Beziehungen der Universität Göttingen, befasst sich in Euro-Islam - die Lösung eines Zivilisationskonfliktes mit einem Kernproblem unserer Zeit. Ziel des Autors ist es dabei, Möglichkeiten einer Integration der Muslime in Europa aufzuzeigen und zugleich Fehlinterpretationen islamischer historischer Konzepte richtigzustellen.

Euro-Islam - die Lösung eines Zivilisationskonfliktes stellt eine Fortsetzung älterer Werke von Tibi dar, welche sich mit der Konfrontation zwischen Islam und Europa in den 1990er Jahren und speziell ab dem 11.September 2001 befassen. Insbesondere nimmt Tibi wiederholt Bezug auf Die islamische Herausforderung (2007, 3.Auflage 2008) zu den Ereignissen in Madrid und London 2004/05, Europa ohne Identität (1998) und seiner Analyse des 11. Septembers Der neue Totalitarismus (2004). Darüber hinaus greift der Autor auf zahlreiche Forschungsarbeiten anderer Wissenschaftler zur Debatte um eine Islamisierung Europas zurück und verwendet viele Beispiele aus den Medien zur Veranschaulichung seiner Position.

Wie Tibi selbst angibt, stellt Europa ohne Identität (1998) den übergeordneten Rahmen für die aktuelle Studie dar. Dabei legt er die These zugrunde, dass eine Integration muslimischer Zuwanderer in Europa auf Basis von Djihad und Schari'a nicht möglich ist. Tibi beabsichtigt mit dem "Euro-Islam" hierfür eine Lösung aufzuzeigen. Entsprechend gliedert sich das Werk in zwei Schwerpunkt mit je zwei Kapiteln: zum einen die Entstehung des Zivilisationskonfliktes durch die Islamisierung Europas und die Vision des Euro-Islam als Lösung, zum anderen die Darstellung von Schari'a und Djihad als den Gegenpolen einer Europäisierung des Islam.

Im ersten Kapitel "Die westliche Gesellschaft im Zivilisationskonflikt" geht Tibi zunächst auf die Geschichte des europäisch-islamischen Zivilisationskonfliktes ein und zeigt auf, dass es sich hierbei um ein Jahrhunderte altes Phänomen handelt. Der Autor stellt heraus, dass die Wurzeln des aktuellen Konfliktes in der Geschichte von Djihad und Kreuzzug zu finden seien, auch sieht er die islamistische Vorstellung des Dar al-Islam (Haus des Islam) als Widerspruch zur "Europa"-Idee. Das Kapitel veranschaulicht diesen Gegensatz im Folgenden durch Zitate aus den Medien zum Feindbild "Islam" einerseits, andererseits zum muslimischen Anspruch auf Wiedergewinnung ihrer früheren Machtposition. Dies vorausgeschickt befasst sich Tibi mit der fehlenden Integration von Muslimen in Europa. Er weist darauf hin, dass es nicht "den" Islam gibt und stellt die Unterschiede zwischen Islamismus und politischem Islam heraus, welche er aber beide als Gegner einer Europäisierung des Islams ansieht. Im Anschluss daran befasst sich Tibi mit der Frage von Migration und Werteorientierung als Basis für ein europäisch-islamisches Zusammengehörigkeitsgefühl, welches einer Islamisierung Europas entgegenwirken soll. Sein Ziel hierbei ist eine aufgeklärte europäische Identität, die einen Mittelweg zwischen Leitvorstellungen eines christlichen Abendlandes und der Weltanschauung orthodoxer Islamisten bildet. Tibi stellt klar, dass eine respektvolle Anerkennung der anderen Religion dabei geben sein soll und fordert einen Kulturpluralismus der universelle Werte zulässt.

Wie konkret die Europäisierung des Islam aussehen soll, ist Thema des zweiten Kapitels. Tibi präsentiert hier sein Konzept eines Euro-Islam, welcher der Existenz von muslimischen Parallelgesellschaften innerhalb Europas entgegenwirken soll. Dabei stellt die Studie Tabus heraus, die der Lösung des Zivilisationskonfliktes im Wege stehen, so die Leugnung historischer Tatsachen seitens der Muslime, aber auch Vorurteile der Europäer. Besonders betont Tibi den säkularen Charakter seines Euro-Islam und weist auf gemeinsame Wurzeln beider Religionen im antiken Griechenland hin. Insgesamt nennt der Autor fünf Elemente als Grundlage für einen europäischen Islam: Laizismus/Säkularismus, Kombination von Laizität und säkularer Toleranz, religiöser und kultureller Pluralismus, säkulare Demokratie und Zivilgesellschaft. Tibi geht auch auf Problemstellen dieses Konzepts ein, so sieht er in der Gettoisierung von Muslimen als Folge einer mangelnden Integration eine große Gefahr für das Anwachsen eines totalitären Islams in Europa.

Die Kapitel drei und vier setzen sich anhand der Begriffe Schari'a/Schari'atisierung und Djihad/Djihadismus mit zwei Gegenkonzepten des Euro-Islam auseinander. Tibi verdeutlicht, dass es sich in beiden Fällen um (falsche) Re-Interpretationen und Neuauslegungen historischer Konzepte handelt, welche wenig mit der ursächlichen Bedeutung der Begriffe zu tun haben. Es wird ersichtlich, dass es sich bei Schari'atisierung und Djihadismus um Neologismen handelt, welche im Umfeld des politischen Islam und terroristischen Islamismus entstanden sind. Ferner legt Tibi zum einen dar, warum die Einführung eines Schari'a-Islams im Gegensatz zu europäischen Rechtsvorstellungen steht, und zum anderen thematisiert er, auf welche Texte sich Djihadisten berufen.

Der Autor fordert eine Distanzierung von beiden Konzepten seitens der Muslime in Europa als Basis für die Anerkennung des säkularen Europas und seiner Vorstellung vom Euro-Islam.

Insgesamt geht die Studie von Tibi anhand bekannter Beispiele auf den Konflikt zwischen Europa und dem Islam ein. Der Autor greift die herrschenden Vorurteile sowie Medienberichte auf, widerlegt und erläutert sie, um daraufhin seine Lösung des Problems herauszustellen. Die Idee des "Euro-Islam" als solche wird dabei dem Leser schmackhaft gemacht, in vielen Teilen wirkt das Konzept jedoch nur wie eine Wiederholung bekannter Aspekte, denen ein neues Gewand übergezogen wurde.

Tonia Schüller