Rezension über:

Gordon Blennemann: Die Metzer Benediktinerinnen im Mittelalter. Studien zu den Handlungsspielräumen geistlicher Frauen (= Historische Studien; Bd. 498), Husum: Matthiesen 2011, 388 S., ISBN 978-3-7868-1498-6, EUR 56,00
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Rezension von:
Julia Bruch
Historisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Martina Giese
Empfohlene Zitierweise:
Julia Bruch: Rezension von: Gordon Blennemann: Die Metzer Benediktinerinnen im Mittelalter. Studien zu den Handlungsspielräumen geistlicher Frauen, Husum: Matthiesen 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 6 [15.06.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/06/21230.html


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Gordon Blennemann: Die Metzer Benediktinerinnen im Mittelalter

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Gordon Blennemann wählte für seine Studie zu den Handlungsspielräumen geistlicher Frauen die Metzer Benediktinerinnenklöster Sainte-Glossinde, Saint-Pierre-aux-Nonnains und Sainte-Marie-aux-Nonnains aus. Die Arbeit wurde 2007 als Dissertation an der Universität Mainz eingereicht und ordnet sich in die wachsende Zahl von Untersuchungen zum weiblichen Religiosentum ein. Benemann zeigt erneut, dass die Erforschung von Frauenklöstern nicht durch die angebliche Quellenarmut dieser Gemeinschaften behindert wird.

Die drei fokussierten Klöster fordern den gewählten vergleichenden Ansatz aufgrund der "benediktinischen Ausrichtung" sowie der "gemeinsamen räumlichen Lage in der südwestlichen Stadthälfte von Metz" (11) geradezu heraus. Leitend ist für Blennemann dabei die Frage nach den Handlungsspielräumen geistlicher Konvente sowie der darin lebenden Nonnen. Hierin folgt er dem Ansatz von Michael Borgolte [1] und möchte den "angebliche[n] Widerspruch zwischen externen gesellschaftlichen Funktionen und internen spirituellen Ansprüchen" in seiner Untersuchung zu den Metzer Konventen aufbrechen (19). Es soll der Aktionsradius der Frauen im politischen, religiösen und sozialen Bereich ausgelotet werden. Blennemann stellt sich mit dieser Herangehensweise bewusst in die Tradition der Studien von Christina Lutter und Eva Schlotheuber. [2]

Die Arbeit besteht aus sechs Kapiteln. Auf eine kurze Einleitung (11-22) folgt ein geschichtlicher Überblick zur Entwicklung der untersuchten Konvente von der Gründung bis zur lotharingischen Klosterreform (23-93): Blennemann geht bei der Analyse der Frühgeschichte von Sainte-Glossinde und dem Peterskloster sehr geschickt vor, indem er die Gründungslegenden der beiden Gemeinschaften gegenüberstellt. So kann er nachweisen, dass die frühen hagiographischen und historiographischen Werke von Sainte-Glossinde und Saint-Pierre-aux-Nonnains in Konkurrenz zueinander entstanden sind und dass sich das erstere als Bischofskloster und das zweite als Königskloster verstand. Sainte-Marie-aux-Nonnains ist erst im Zuge der lotharingischen Reform aus einer bestehenden Gemeinschaft erwachsen. Die Folgen der Reform für die Klöster zeigten sich in einer vermehrten Tendenz zur wirtschaftlichen Absicherung. So konnten die Nonnen strengere Klausurvorschriften und damit ein rein kontemplatives Leben verwirklichen.

Die eigentliche Analyse besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. Zuerst beschäftigt sich Blennemann mit den Handlungsspielräumen der Frauenklöster im wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich vom 11. bis zum 14. Jahrhundert (95-143), um sich dann dem Kernstück der Untersuchung - der Frage nach den Orten und Formen religiöser und sozialer Interaktion im 13. und 14. Jahrhundert - zu widmen (145-254).

Zur Analyse des wirtschaftlichen und rechtlichen Handelns im ländlichen und städtischen Raum werden nicht nur die Konvente, sondern auch die klösterlichen Besitzungen als Orte ökonomischer und juristischer Interaktion verstanden (95). Die regen Fälschungs- und Interpolationsaktivitäten sind als Strategien der Absicherung der Klöster zu verstehen und sollten einer Restitution von Gütern und Rechten dienen. Auch für die Metzer Beispiele lässt sich die allgemeine Entwicklung von Grundherrschaft zur Rentenwirtschaft im hohen Mittelalter bis hin zur Zinswirtschaft im 14. Jahrhundert nachzeichnen. Ebenso nachweisen lässt sich die zunehmende Rationalisierung und Spezialisierung (etwa auf den Weinbau). So ordnet sich die Arbeit in die neueren Ergebnisse zur Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters ein. Die wirtschaftliche Verwaltung und die Ausübung von Herrschaftsrechten oblagen den Äbtissinnen, wobei diese durch verschiedene Amtsträger wie Pröpste und Meier unterstützt wurden.

Blennemann befand sich aufgrund der guten Quellenlage in der komfortablen Situation, einerseits auf normative Vorgaben zur Aufnahme ins Kloster in Form von Kapitelbeschlüssen des 14. Jahrhunderts aus Sainte-Glossinde und dem Marienkloster, andererseits auf den Ritus der Aufnahme von Mädchen aus dem Liber ordinarius aus Sainte-Marie-aux-Nonnains zurück greifen zu können. Zum weiteren Vergleich zieht er die Untersuchung von Schlotheuber zum Zisterzienserkloster Lüne hinzu [3]; eine tiefergehende Kontextualisierung in Bezug auf Liturgie und Ritual unterbleibt jedoch in Blennemanns Arbeit.

Der religiöse und soziale Interaktionsrahmen der Klöster und Nonnen umfasst vor allem Personen, die mit dem Kloster in enger Beziehung standen - durch Verwandtschaft mit den Konventualinnen, durch räumliche Nähe zum Kloster oder durch Amtsbeziehungen zum Kloster. Es ist kaum überraschend, dass die Familien der Nonnen nicht nur Eintrittsgelder für die Mädchen zahlten und diese zum Teil mit Leibrenten unterstützten, sondern dass diese Familien auch vermehrt Stiftungen und Schenkungen tätigten, die in den Bereich der Memorialpflege einzuordnen sind.

Im Anschluss an eine ebenso prägnante wie inhaltlich gelungene Zusammenfassung der Ergebnisse (255-267) fügt Blennemann noch einen Exkurs an, in dem er sich mit den von Michel Parisse festgestellten Doppelabbatiaten im Peterskloster und Remiremont beschäftigt sowie mit dem Problem von Ordenswechseln bei Frauen (269-279). Besonders hervorzuheben ist der umfangreiche Anhang mit der synoptischen Edition der Gründungsgeschichte von Saint-Pierre-aux-Nonnains und der Vita s. Waldradae sowie der Teiledition der Liber ordinarius-Fragmente aus Sainte-Marie-aux-Nonnains. Außerdem wurde eine Prosopographie der Äbtissinnen und Nonnen aller drei Klöster für das 13. und 14. Jahrhundert beigefügt. Durch ein umfangreiches Orts- und Personenregister wird der Zugang zum vorliegenden Buch deutlich erleichtert.

Die Stärke von Gordon Blennemanns Monographie liegt in der außerordentlich guten Quellenarbeit sowie im Kenntnisreichtum hinsichtlich der Stadtgeschichte von Metz samt Umgebung. Die relativ kurze Einleitung und der sofortige Einstieg in die Analyse der Forschung erschwert jedoch den Zugang zum Untersuchungsfeld. Zu Beginn der Analyse hätte man sich die Darstellung des Forschungsgegenstandes gewünscht. Ebenso hilfreich für die Leserschaft wären Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Kapitel gewesen. Gerade in Kapitel II. geht der Fokus auf die drei untersuchten Klöster in den Details zur Metzer Stadtgeschichte allzu schnell verloren, ein Resümee an dieser Stelle wäre ratsam gewesen. Diese Detailkritik soll allerdings der grundsoliden und quellennahen Analyse der drei Metzer Benediktinerinnenklöster keinen Abbruch tun, denn Blennemann liefert insgesamt einen bedeutenden Beitrag zur Kloster- und Ordensgeschichte, und zwar weit über den untersuchten Raum hinaus. Außerdem liefert er mit den Editionen im Anhang eine wertvolle Basis für weiterführende Studien.


Anmerkungen:

[1] Michael Borgolte: Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft, in: Dieter Geuenich (Hg.): Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 111), Göttingen 1994, 267-285, hier 275f.

[2] Christina Lutter: Geschlecht und Wissen, Norm und Praxis, Lesen und Schreiben. Monastische Reformgemeinschaften im 12. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; 43), Wien / München 2005; Eva Schlotheuber: Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des 'Konventstagebuchs' einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484-1507) (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe; 24), Tübingen 2004.

[3] Dies.: Klostereintritt, 253-257.

Julia Bruch