Cristina Andenna / Gordon Blennemann / Klaus Herbers u.a. (Hgg.): Die Ordnung der Kommunikation und die Kommunikation der Ordnungen. Band 2. Zentralität: Papsttum und Orden im Europa des 12. und 13. Jahrhunderts (= Aurora. Schriften der Villa Vigoni; Bd. 1.2), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2013, 331 S., ISBN 978-3-515-10301-5, EUR 56,00
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Der vorliegende Band fasst in insgesamt 16 Beiträgen die Ergebnisse einer Tagung zusammen, die sich mit der Durchsetzung von Einheitsvorstellungen seitens des Papsttums im hochmittelalterlichen Europa auseinandersetzte. Im Fokus des Interesses standen dabei die Herrschaftsmittel und Kommunikationsprozesse, mit denen das Papsttum seinen Anspruch auf universale Wirksamkeit und seine Stellung als zentrale Autorität zu verfestigen und zu sichern suchte; den Orden als Adressaten päpstlicher Ordnungs- und Kommunikationsbemühungen sollte in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit zukommen.
Die Beiträge verteilen sich auf fünf Abschnitte. Im Anschluss an eine Einleitung, in der Klaus Herbers, Gert Melville und Gordon Blennemann den Ansatz des Bandes anhand von Überlegungen zum Begriff der Zentralität in Verbindung mit dem Papsttum des 12. und 13. Jahrhunderts umreißen (9-21), gibt zunächst Agostino Paravicini Bagliani einen Überblick über die Verwendung des Europa-Begriffs in päpstlichen Quellen (23-34). Dabei betrachtet er die Verwendung des hinter dem Terminus stehenden Konzepts in Verbindung mit dem seit dem 9. Jahrhundert wesentlich häufiger gebrauchten christianitas-Begriff: im Hochmittelalter weitgehend von der Vorstellung einer nicht geographisch begrenzten Christenheit verdrängt, erfuhr Europa als christlich konnotierte Formation unter dem Ansturm der Türken im 14. und 15. Jahrhundert in den Quellen eine Wiederbelebung. In einem zweiten Abschnitt zur "Generierung und Diffusion neuer Ordnungskonfigurationen" behandelt Uta Renate Blumenthal die Verbreitung der Statuten des III. Laterankonzils über Kirchenrechtssammlungen an der Peripherie, die vom dort vorhandenen Bedarf an verbindlichen Rechtsauskünften gesteuert wurde (37-49).
Der nächste Abschnitt ist der "Kommunikationssukzession und -sicherung" gewidmet. Zunächst thematisiert Jean-Marie Martin das Neben- und Miteinander von griechischen und lateinischen Klöstern in Süditalien und den damit einhergehenden Kulturtransfer, der die beiden monastischen Sphären und Byzanz mit den griechischen Klöstern seit dem Frühmittelalter verwob und schließlich mit der zunehmende Akkulturation der Griechen im Westen und den seit dem 11. Jahrhundert deutlich werdenden Unterschieden zwischen Ost und West endete (53-70). Maria Pia Alberzoni stellt in ihrem Aufsatz das Papsttum in seiner Beziehung zu den religiösen Gemeinschaften Norditaliens als stärker reagierende Autorität dar, zeigt aber auch das wachsende lokale Interesse an der Kurie, das durch die Kreuzzugspredigt geweckt wurde (71-86). Dem ostmitteleuropäischen Raum wendet sich Waldemar Könighaus in seinem Beitrag zu (87-98). Er unterstreicht das wechselseitige Verhältnis zwischen der Zunahme von Anfragen seitens der Peripherie und dem gesteigerten Engagement des Papsttums. Anhand der Überlieferungsdichte stellt er fest, dass Polen, Böhmen und Ungarn im Vergleich zu anderen Teilen Europas "verspätet" in den päpstlichen Handlungshorizont einbezogen wurden (98). Christian Grasso widmet sich anhand von Einträgen aus dem Register Honorius' III., von denen neun am Ende des Beitrags abgedruckt sind, den Bemühungen, mit denen der Papst sein Kreuzzugsprojekt an der Peripherie zu kommunizieren und zu finanzieren suchte (99-129): insbesondere die Predigten stechen hier hervor.
Um Kommunikationsräume zwischen Zentrum und Peripherie geht es in den Beiträgen des nächsten Abschnitts. Die thematische Vorgabe der Tagung bzw. des Bandes setzt auf gelungene Weise Harald Müller in seinem Aufsatz zur Delegationsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von päpstlichem Zentrum und den Klägern an der Peripherie um (133-144). Dabei hebt er die reagierende Verfahrensweise des Papsttums und die vergleichsweise geringen Einflussmöglichkeiten des Pontifex auf laufende Prozesse hervor, über die gleichwohl die Ordnung mit dem Papst an der Spitze kommuniziert worden sei (139). Er kommt zum Schluss, dass man die Kurie zwar als gerichtliche Autorität akzeptierte, aber die Strukturen insgesamt doch eher als Rahmenordnung interpretierte, die an der Peripherie aktiv umgestaltet und sogar instrumentalisiert werden konnte (142). Einen weiteren Aspekt der ebenfalls nur begrenzten Durchsetzung päpstlicher Ordnungsvorstellungen untersucht Hans Joachim Schmidt anhand der vom Papsttum im Gefolge des IV. Laterankonzils gewünschten Uniformierung der Ordensstrukturen, die sich künftig an denen der Zisterzienser orientieren sollten (145-168). Allerdings führten die konkurrierenden Ordnungskompetenzen des Papsttums und insbesondere des Benediktinerordens schon nach der Mitte des 13. Jahrhunderts letztlich zum Scheitern der päpstlichen Bemühungen um regelmäßige Versammlungen auf regionaler Ebene; bisweilen vermochte zudem die weltliche Seite das Vorhaben für ihre Interessen umzufunktionieren. Im letzten Beitrag dieses Abschnitts bietet Thomas Wetzstein einen Überblick über die Instrumentarien, mit denen das Papsttum seit dem 11. Jahrhundert den Raum erschloss (169-187). Neben den Reisen des Pontifex und den Legationen sorgte vor allem die "kirchliche Hierarchie als Medium der Kommunikation" über Boten und die Metropoliten (181) für die Verbreitung päpstlicher Beschlüsse. Insgesamt stand den Päpsten damit ein institutionalisiertes Kommunikationsnetz zur Verfügung, über das sie wesentlich zur Entstehung eines neuen, mit ihrem Jurisdiktionsbereich nahezu übereinstimmenden Kommunikationsraums beitrugen (187, 173).
Dem thematischen Feld der Kommunikationsräume zwischen "Zentralität und Hierarchie" sind die letzten sechs Beiträge zugeordnet. Ausgehend von der im 13. Jahrhundert im Kontext des Kirchenrechts formulierten Wendung "Ubi papa, ibi Roma" geht zunächst Jochen Johrendt auf die Rolle der Ewigen Stadt als Zentralort für die Päpste ein, indem er die unterschiedlichen Aspekte der Romidee beleuchtet (191-212). Diese bot dem Papsttum "Zentralitätsoptionen" etwa in Gestalt der Apostelgräber, die von den Inhabern der cathedra Petri allerdings aufgrund der Auseinandersetzungen mit der Kommune nicht genutzt wurden: Rom war "als Chiffre für die geistige Welt des 12. und 13. Jahrhunderts ein herausragender Punkt - doch nicht die Stadt selbst" (208). Patrick Zutshi nimmt in seinem Beitrag über die römische Kurie und die päpstliche Rechtsprechung im 13. Jahrhundert das Kurienpersonal, insbesondere aber die Prokuratoren in den Blick, die mit ihrer Kompetenz vor Ort Ansprechpartner und Vertreter von Petenten waren (213-227). Neben den finanziellen Aufwendungen, die das jeweilige Anliegen der Bittsteller fördern sollten, stellt er die bisweilen schlechte Kommunikation zwischen der Kurie, den Prokuratoren und den Petenten, die den mangelnden Informationsfluss thematisierten, heraus. Cristina Andenna behandelt die Etablierung des Amtes des Kardinalprotektors für den Franziskanerorden und hebt das persönliche Engagement des Kardinals und ersten Protektors Hugolin von Ostia hervor (229-260). Insgesamt erscheint das Amt als die Frucht enger persönlicher Beziehungen und stärker als Resultat von Erfahrungen aus der Praxis denn als Produkt einer juristisch-normativen Reflexion über den Sinn seiner Einrichtung (244). Guido Cariboni widmet sich den im 12. Jahrhundert immer häufiger werdenden Appellationen an die Kurie, die die hier vor allem behandelten Zisterzienser als Gefahr für die vita regularis betrachteten und mit Hilfe sowie in Anerkennung der Stellung des Papstes als hierarchische Spitze der Kirche zu unterbinden suchten, um die Autorität innerhalb der Gemeinschaft zu stärken (261-275). Die päpstlichen Kanonisationsverfahren des 12. und 13. Jahrhunderts in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zwischen kurialem Zentrum und christlicher Peripherie untersucht Roberto Paciocco (277-299). Dabei geht er vor allem auf die kommunikativen Aspekte wie die zunehmende Verschriftlichung der Verfahrensteile und die Bekanntmachung der Kanonisationen durch litterae ein, die dem Papsttum im Heiligsprechungsverfahren mehr Gewicht verliehen, behandelt aber auch die Rolle der Mendikantenorden für die Entwicklung des Heiligenkults. Zuletzt greifen Cristina Andenna und Gordon Blennemann auf die Beiträge nicht nur dieses, sondern auch des ersten Bandes zum Thema zurück, um sich in einer abschließenden Betrachtung insbesondere terminologischen Fragen zuzuwenden (301-307). Sie schlagen vor, Begriff und Konzept der "Zentralität" mit dem Terminus der "Polarität" zu ergänzen, um so die Entfaltung der Interaktionen zwischen Papsttum und vita religiosa adäquater beschreiben zu können. Teilweise ausführliche Abstracts, die einen schnellen Überblick über den Inhalt der Beiträge (309-316) geben, und ein Personen- und Ortsregister, das leider nicht die bisweilen mit umfangreichen Kommentaren ausgestatteten Anmerkungen einbezieht (317-331), werden alle Benutzer des stoffreichen Bandes als außerordentlich hilfreich empfinden.
Das Resümee der beiden Mitherausgeber verweist auf ein spezifisches Charakteristikum des Bandes: der Aspekt der Zentralität, der im Mittelpunkt der Darstellungen steht, lenkt über die ihm innewohnende hierarchische Dimension den Blick vor allem auf das Papsttum als Akteur - der Anteil gerade der Orden an der Ordnung der Kommunikation und der Kommunikation der Ordnungen bleibt daher in vielen Beiträgen unterrepräsentiert. Dort, wo sich die Autoren auf das Wechselspiel von Forderungen der Peripherie und Interventionen der Kurie konzentrierten, zeigt sich das anregende Potential des Bandes: bei der Lektüre entsteht ein differenziertes Bild der oftmals nur begrenzten Wirksamkeit des Papsttums.
Andreas Fischer